Tagebuch eines Heilbronner Landsturm-Mannes im Weltkrieg
Weg des Josef Reiß in 1915
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Erster Eintrag im Tagebuch
Carignan 06. August 1915 – Bahnhofswache
Mit Gott im zweiten Jahre
– 6. August, Freitag
Das zweite Kriegsjahr begonnen auf der Innenwache Carignan. Von 1 – 3 Uhr Posten gestanden an der Kommandantur ohne Neuigkeit. Dann geschlafen bis ¼ 7 Uhr. Nach dem Frühstück wieder geschildert von 7 – 9 Uhr. Dabei hatten wir Zeitvertreib, denn die Einwohner mußten ihre Pässe abholen. Nach Ablösung mußte ich den H.H.K. am Kriegsgerichtsrat vorführen zum Verhör. Um 1 Uhr ohne Neuigkeit abgelöst. Mittagessen: Bohnensuppe, Schweinefleisch & grüner Salat. 2 Uhr Befehlsempfang, dann mein Tagebuch geführt. Um ½ 5 Uhr den Renny am Kriegsgericht zum Verhör vorgeführt & die dauerte bis ½ 7 Uhr. Nach dem Abendessen Postempfang, erhielt eine Karte vom lb. Bruder. Um ½ 8 Uhr mein am lb. Bräutchen gegebenes Versprechen eingelöst, dann Zeitung gelesen. Haben alle Tage Regen.
– 7. August, Samstag
Um ½ 6 Uhr aufgestanden, mein Zimmer in Ordnung gebracht & um ¼ 8 Uhr zum Appell & Einteilen angetreten. Wurde als Post auf Mouzonwache verlesen. Anschließend Brotempfang. Dann eine hl. Messe besucht & mein am lb. Bräutchen gegebenes Versprechen eingelöst. Nach Rückkehr mein Tagebuch geführt & dann am äußeren Bauernhof Pflaumen geholt. Auf dem Rückweg einen Strauß Rosen gepflückt, den ich in der Kirche der Mutter von der Immerwährenden Hilfe brachte. Mittagessen: Bohnen – Gulasch mit Büchsenfleisch. Um ¾ 1 Uhr auf Wache aufgezogen & erhielt Posten No. 2 an der Weiche. In der freien Zeit Zeitung gelesen & Karten gespielt. Heute zum Nachtessen eine schwarze-Wurst bekommen zum ersten Mal. Erhielt heute keine Post & legte mich bis 9 Uhr auf die Klappe & von 11 Uhr ab ebenfalls. Es war heute recht warm & dämpfig.
– 11. August, Mittwoch
Nach recht gutem Schlafe um ½ 6 Uhr aufgestanden, meine Sachen gerichtet & um 7 Uhr mit 20 Russen in die Ziegelei zum Ofen austragen. Rückkehr um ½ 12 Uhr. Es wurde mir gesagt, daß ich nicht auf Wache komme. Mittagessen: Nudelsuppe, Rindfleisch, dabei wurde uns gesagt, daß wir voraussichtlich am Freitag & Samstag umziehen müssen nach Pouy (Anm. Puilly-et-Charbeaux). Da hatte ich keinen Appetit mehr. Nach dem Mittagessen mein Tagebuch geführt. Um ¼ 2 Uhr mit 20 Russen wieder Metersteine ausgetragen bis 6 Uhr. Nach Rückkehr Löhnungsappell & Zigarren & Zigaretten Empfang pro Mann je 20 Stück, oder die Hälfte Tabak. Beim Postempfang erhielt ich ein Pfund Päckchen vom lb. Bräutchen mit Birnen, leider waren viele schon faul. Dann mein am lb. Bräutchen gegebenes Versprechen eingelöst. Da ein Mann der Wache erkrankte, mußte ich auf Nachtpatrouille am Bahnhof & zwar No. 2. In der Freizeit geschlafen. Jeder erhielt 1 M .Kriegskontributionsgeld.
24. August 1915 – auf Ortswache in Puilly-et-Charbeaux
– 24. August, Dienstag
von 12 Uhr an Zeitung gelesen bis zum Morgenessen. Dann mein Tagebuch geführt. Machte eine rechte Pfanne geröstete Kartoffeln. Um 12 Uhr ohne Neuigkeit abgelöst. Mittagessen: Grünkernsuppe & Rauchfleisch. Um 2 Uhr Postempfang, wo ich leider wieder nichts erhielt. Dann Bettwäsche gewaschen & Kartoffeln gesotten. Abends welche Requiriert, sowie Pflaumen. Auf dem Heimweg begegneten mir 2 Krankenschwestern, die von Jngor (Anm. Inor) kamen vom Seuchenlazarett. Entweder hatten sie viel Courage oder sie waren auf leichten Wegen. Um 9 Uhr gings ins Bett.
– 26. September, Sonntag
Nach gutem Schlafe um 8 Uhr aufgestanden. 9 Uhr Appell & einteilen der Wache. Mittagessen: Breite-Nudelsuppe & Schweinebraten. Um 12 Uhr auf Wache aufgezogen. Heute Sonntag & Regen den ganzen Tag. Von 1 Uhr bis 12 Uhr Karren gespielt mit nur Pausen zum Essen. Heute mußte der Heilbronner Landsturm von hier nach Mouzon. Martin Neuwirt besuchte mich noch vor dem Abmarsch. Wir halfen ihm den Most helfen trinken. Feldw. Schwed revidierte die Wache um 11.55 Uhr. Er sagt, es sei telf. worden, daß man 5600 Mann Franzosen gefangen hätte.
– 10. Oktober, Sonntag
Von Mitternacht an immer bis zur Ablösung geschlafen. Dann einen großen Brief am lb. Bräutchen geschrieben. Nach dem Morgenessen Zeitung gelesen. Heute Königingeburtstag (Anm. Charlotte, 2. Frau von Wilhelm II v. Württ). Um 10 Uhr hatte die wachfreie Mannschaft Kirchgang, dann erhielt jedermann 1 Packet vom württembergischen Roten Kreuzverein. Erhielt 1 Paar Unterhosen, 1 paar Briefpapier, 4 Zigarren & Schnupftabak. Von der Kompagnie bekam jeder Mann 2 Liter Bier, 5 Zigarren & 5 Zigaretten. Mittagessen: Nudelsuppe, Rindfleisch, Schweinebraten & Salat. Beim Postempfang nichts erhalten. Machte dann am Sonntag zuliebe einen Spaziergang & brachte alle Taschen voll Aepfel mit ins Quartier. Dann Frau Abt einen Brief geschrieben. Nach dem Abendessen Zeitung gelesen. Unteroffizier spendete 2 Flaschen Sekt. Um 10 Uhr zur Ruhe gegangen.
– 4. Dezember, Samstag
Um ½ 8 Uhr aufgestanden, ½ 9 Uhr Appell & Einteilen der Wachen. Kam wieder in die Arbeit beim Oberstleutnant. Mittagessen: Nudelsuppe & Rindfleisch. Von 1 bis 5 Uhr wieder zur Arbeit. Schickte dann noch zwei Päckchen Zigarren ab am lb. Vater. Um 8 Uhr zur Ruhe gegangen, war recht müde, denn es regnete den ganzen Tag in die Arbeit. Mit der Post nichts bekommen. Heute beim Appell als Korporalschaftsführer zur 4. Corporalschaft versetzt.
– 10. Dezember, Freitag
Nach recht gutem Schlafe um 7 Uhr aufgestanden, ½ 9 Uhr Appell & Einteilen der Wachen. Mußte wieder zur Arbeit. Mittagessen: Nudelsuppe & Rindfleisch machte geröstete Kartoffeln dazu. Beim Postempfang Brief & Zeitungen von Frau Abt erhalten. Dann zur Arbeit bis 5 Uhr, den ganzen Tag Regen. Nach dem Abendessen meine Bude in Ordnung gebracht bis 9 Uhr, dann zur Ruhe gegangen. Die Pioniere sprengten heute Uebungsarbeiten.
Das Tagebuch von 1915 endet am 10. Dezember 1915. Das nächste beginnt am 1. November 1916