Oktober 1918: Der Abwehrkampf bei Romagne-sous-Montfaucon

Nach Beginn der Maas-Argonnen-Offensive der amerikanischen Armee am 26. September 1918 wurden die deutschen Kräfte rechts und links der Maas immer weiter nach Norden gedrückt. So wurde Gesnes erreicht und in der Folge weiterer Angriffe nach Norden erreichten die Amerikaner die Gegend um Romagne-sous-Montfaucon. Einen Teil der nun folgenden Erzählungen kann als Rundweg bei Romagne nachverfolgt werden.

Aus der Regimentsgeschichte des Infanterie-Regiments Nr. 171

Am Abend des 08. Oktober 1918 lief die Front etwa an der Straße Somerance – Romagne – Cunel. Reihenfolge von West nach Ost: I.R. 171, I.R. 173, I.R. 136
Lt. Egle, an jenem Tage ebenfalls beim Stabe III./171 gedenkt in Erinnerung an jenen Tag in ganz besonderer Weise dem Btls.-Kommandeurs und der trefflichen Mitkämpfer aus den Oktobertagen 1918, die zeigten, was noch in der Truppe steckte, und wie in guter Truppe auch am Ende des Feldzugs Führer und Mann zusammenhielten. Egle schreibt über den 09.10.:
“Um 09.30 Uhr vorm. setzte auf der HWL bei Gesnes und östlich davon starkes Trommelfeuer ein. Während dieses Trommelfeuers und auch später schwieg unsere Artillerie fast ganz. Der Amerikaner sammelte während des Trommelfeuers im Schutze des dichten Nebels starke Kräfte dicht vor unserer Front. Gegen 10 Uhr wurde das Trommelfeuer etwas nordwärts verlegt; gleichzeitig setzte unser MG-Abwehrfeuer ein. 10.15 Uhr bekam das Btl. Meldung, daß 5./171 (Anschlußkomp. des III./171) eingedrückt sei. 10.30 Uhr kam die Meldung, daß auch der linke Flügel der 11./171 eingedrückt sei. Abgeriegelt wurde dieser Durchstoß durch die schweren M.G.; die auf einer Höhe hinter dem linken Flügel der 11. Komp. standen.
Da der Gegner in großen Massen in die Lücke beim II./171 vorstieß, kam das III./Btl in Gefahr, von dort aus abgeschnitten zu werden. Um 10.45 Uhr trat die 10./ Komp auf Befehl des Batls. zum Gegenstoß an, warf den Gegner von der Höhe bei Zahl 1138 im Planqu. 1138 und besetzte diese. Da der Feind aber weiter in das Waldstück bei der Robinette Ferme vorging und zwar mit großen Massen und auch weiter von Gesnes aus mit außerordentlich starken Massen angriff, waren wir gezwungen, die letzte zu erreichende Reserve, nämlich eine Komp. des Leib-Grenadier-Regts. 109, in der Richtung 10./ Kp vorgehen zu lassen. Tatsächlich wurde auch der Gegner durch das schneidige Draufgehen der badischen “Leiber” und der 10. Kp. von der soeben genannten Höhe, die er schon besetzt hatte, vertrieben. Er wagte auch nicht mehr, aus den Waldstücken östlich Robinette-Ferme vorzugehen. Sämtliche frontalen Angriffe, die sich dauernd hartnäckig wiederholten, wurden in zäher Verteidigung der Höhe 255 abgewiesen, teilweise im Handgranatenkampf. Bei diesen Kämpfen ging der Gegner mit 5 Tanks gegen unsere Linien vor, die aber durch unsere Artillerien beziehungsweise M.G.-Feuer in ihrem Vorhaben gehindert wurden. Im Laufe des Mittags sah man den Gegner auf die Marienhöhe vor- und unsere Truppen zurückgehen. Der rechte Flügel des I./171 hing dadurch in der Luft, die Situation der uns unterstehenden Truppen schien nunmehr unhaltbar zu werden. Trotzdem lautete der Batls.-Befehl, die Stellungen bis auf äußerste zu halten, da wir uns bewußt waren, daß nur dadurch der Gegner gehindert wurde, seine Erfolge links und rechts von uns in weitesten Maße auszunützen. Der Gegner versuchte nochmals gegen 06.20 nachm., da er das Halten dieser vorspringenden Stellung anscheinen als sehr unangenehm empfand, nach heftigem Artilleriefeuer mit starken Massen anzugreifen. Auch dieses Mal unterstützte der Amerikaner das Vorgehen mit Tanks. Doch jeder Versuch des Gegners scheiterte an dem unbeugsamen Widerstand, den unsere braven Leute in erbittertem Ringen und teilweise im Handgranatenkampf leisteten. Nach diesem gescheiterten Angriff versuchte der Gegner nicht mehr anzugreifen. Wie hartnäckig der Feind vorging ersah man daraus, daß einzelne M.G. über 13.000 Patronen verschossen hatten. Nach dem letzten Angriff war das Batl. sogar wieder in die alte H.W.L., aus der es in dem hin- und herwogenden Kampf teilweise zurückgewichen war, vorgegangen. Trotz der beinahe unhaltbaren Situation – das Batl. erhielt dauernd im Rücken aus der Gegend der Robinette-Ferme Infanteriefeuer – hielt der Batl.-Stab an seinem Entschluß, nur auf Befehl die Stellung zu räumen, fest. Gegen 08.30 Uhr nachm. bekam das Batl. den Befehl, in die Krimhildstellung zurückzugehen. …

… Die Verlegung der H.W.L. in die Krimhildstellung erfolgte planmäßig. Im Regts.-Abschnitt waren eingeteilt rechts I./171, links davon III./171 und am linken Flügel II./109. Das I./ Bataillon hatte dann Befehl, sich nach der Musarde-Ferme zurückzuziehen, dort die Verbände zu ordnen und weitere Befehle abzuwarten. Die Kompanien gingen zurück: um 10 Uhr nachm. 10./ und 11./, 10.15 Uhr I.R. 169, 10.25 Uhr I./171 mit 9./ 171. Als Schutz für das zurückgehende Batl. blieben sie s. M.G. von III./171 auf den rückwärtigen Stützpunkten liegen; um 10.45 Uhr hatten diese abzubauen. Die 9./171 trat in der neuen Stellung zum Batl. zurück.
Die Verluste des Batls. in diesen Tagen betrugen ca. 72 Mann. Mit einer Gefechtsstärke von 7 Offizieren, 22 Unteroffizieren und 132 Mann hatte das Batl. die Kriemhildstellung besetzt. Für das Batl. begann ein neuer Kampfabschnitt.”

… In der oben erwähnten Front wies das Regt. und seine Nachbarn vom 11. bis zum 13.10. feindliche Angriffe ab. Während dieser Zeit wurde die Gefechtstätigkeit der Division im Heeresbericht (12.10) wie folgt erwähnt: “Die seit 15 Tagen im Brennpunkt der Schlacht von Romagne in schweren Abwehrkämpfen stehende elsaß-lothringische 115. Infanterie-Division unter General Kundt hat auch gestern die ihm anvertrauten Stellungen restlos gehalten.”

Aus der Regimentsgeschichte des Grenadier-Regiments Nr. 109

Nach einer sehr unruhigen Nacht, in der die Kompanien durch feindliches Streufeuer fortwährend belästigt worden waren, schritt der Feind am 05. Oktober im dichten Nebel erneut zum Angriff. Vor der Front der 115. Infanterie-Division konnte er abgeschlagen werden. Doch gelang es ihm, sich in die Linien rechts von ihr stehenden 52. Infanterie-Division beträchtlich einzubohren. Der Amerikaner drang beim Infanterie-Regiment 169 in den Morine-Wald. Hierdurch geriet die rechte Flanke der 115. Infanterie-Division in Gefahr. Deren Sicherung in südwestliche Richtung wurde dem Leib-Grenadier-Regiment übertragen. 11.35 vorm. erreichte der Befehl der 28. Infanterie-Division das Regiment einen neuen Bereitstellungsplatz stark nach rechts gestaffelt mit Aufklärung nach Südwesten am Südrand des Bois de Moncy einzunehmen.
….
Die beherrschenden Höhen in deutscher Hand waren im Eingreifgebiet des Leib-Grenadier-Regiments die “Marienhöhe” (267) und auf der Naht zwischen beiden Divisionen die Höhe 255, 1 km nordwestlich Gesnes. Feindwärts waren beide Höhen durch ein tiefes Tal (Quellenschlucht) getrennt. Das Gelände fiel zuerst steil, dann flach zum Gesnesbach um 100 m ab und bot der deutschen Beobachtung eine 11/2 km weite allgemeine Übersicht. Die Wälder von Morine und Chêne Sec waren in Feindeshand und boten dem Gegner örtliche Deckung zur Bereitstellung für die Angriffe auf beide Höhen. Weiter nach Westen standen als Kulissen kleinere Waldstücke bis zur “Mariental”-Ferme, die gleichfalls vom Feinde besetzt war. Von diesem Gutshof nach Nordosten zog sich zwischen dem “Kleinen Wald” und dem Walde von Moncy die “Marientalschlucht”. Auf dem östlichen Flügel der Division war das Gelände waldfrei und leicht zu übersehen.

Günstige Bereitstellungsplätze boten sich aber auch nördlich der beiden Höhen (267 und 255) den deutschen Truppen. Der “kleine Wald”, der Wald von Moncy sowie die bewaldeten Hänge beiderseits der Robinette-Ferme wehrten dem Feinde stark die Einsicht in die deutsche Verteidigung. Die nach Norden anschließenden Wälder von Gesnes, Romagne und Bantheville verdeckten das Heranbringen von Reserven und Kampfmaterial. Für Tanks war die Geländebildung ungünstig. Nur östlich der Höhe 255 an der von Süden nach Romagne-sous-Montfaucon führenden Chaussee konnte sie mit einiger Aussicht auf Erfolg Verwendung finden. Besonders eignete sich aber dieses bewaldete, schluchtenreiche Bergland zum Gasschießen, was auch beiderseits mit Erfolg ausgenützt werde. Leider konnte aber die eigene Artillerie den Kampf der Infanterie nicht genügend unterstützen, da Nachrichtenmittel zur Verbindung mit ihren Beobachtern fehlten, und da sie zudem an Munitionsmangel litt. Ihre Pferde, die allmählich am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angelangt waren, konnten sie nicht mehr genügend Schießbedarf herbeischaffen. Die Artillerie durfte deshalb nur schießen, wenn der Feind zum Sturm ansetzte, während die mit reichlich Munition ausgestattete und gut schießende feindliche – anscheinend französische oder französisch geleitete – Artillerie wie auf dem Schießplatz meist ungestört und ohne Gegenwirkung die deutschen Truppen dauernd unter kräftigen Feuer halten konnte, das oft zu gewaltigem Sturm anschwoll. Nur der fast gänzliche Ausfall der deutschen Artillerie ließ die Amerikaner in den folgenden Kämpfen in dichten, jeder Gefechtsgliederung spottenden Massen offenes Gelände überwinden und in die deutschen Linien eindringen.

Nach Erhalt des erwähnten Befehls rückte das I. Bataillon in den Südzipfel des Waldes von Bantheville, 500 m nördlich der Straße Romagne – Sommerance; bei ihm befand sich die Begleitbatterie. Das II. Bataillon wurde in den Wald hart nördlich der Robinette-Ferme vorgezogen, während das III. Bataillon dicht westlich der Ferme Aufstellung nahm. Der Regimentsgefechtsstand wurde in einen Betonklotz an den Ostrand des Bois de Gesnes hart südlich der Straße Romagne – Sommerance verlegt.

Besagter Betonklotz am Ostrand des Bois de Gesnes

Im Laufe des Nachmittags gelang es allmählich, über die Lage an der zu sichernden Naht der beiden Divisionen Ausschluß zu erhalten. III./169 hielt die “Marienhöhe” besetzt. Links von ihm schlossen sich gegen die Höhe 255 nordwestlich Gesnes zu Teile des Infanterie-Regiments 171 und II./169 an, das den Ost-, West- und Südrand der Höhe hielt. Östlich der Höhe 255 lagen Teile von Infanterie-Regiment Nr. 171. Der Feind saß im Eingang der “Marientalschlucht”, von der “Mariental-Ferme” bis zum Nordrand des Waldes von Chêne Sec und in Gesnes.
Das III./Bataillon stand mit 10./ und 12./ Kompanie in den Waldstücken westlich der Robinette-Ferme. Die 9./ und 11./ Kompanie lagen etwas nördlich davon an einem von Westen nach Osten führenden Wege. Die beiden südlich gelegenen Kompanien hatten je einen Zug schwerer Maschinengewehre mit ausgezeichnet überhöhendem Schußfeld eingesetzt.

Da die Lage am Südwestende der “Marientalschlucht” bedrohlich erschien, sperrte das II. Bataillon gegen 6 Uhr nachm. diese Schlucht an der Waldblöße und schob die 8./ und 6./ Kompanie an den Westhang der “Marienhöhe” vor. Der Amerikaner schritt während des Nachmittags nicht mehr zu neuem Angriff.

Lage bei Romagne 03. – 06. Oktober 1916

Am 06. Oktober zog das Bataillon v. Hornstein (II.) die zur “Marienhöhe” vorgeschobene Kompanie wieder zu sich an den Nordrand der “Marientalschlucht” zurück. Die 6./ und 7./ Kompanie waren in vorderer, dahinter die 5./ und 8./ Kompanie bereitgestellt. Da das II. Bataillon zur Sicherung der rechten Flanke gänzlich gebunden war, mußte das Bataillon v. Hadeln (I.) in die Gegend nordöstlich der Robinette-Ferme vorgezogen werden, um dem Infanterie-Regiment 171 als Reserve zur Verteidigung der Höhe 255, wo inzwischen I./171 an der Stelle von II./169 eingerückt war, zur Verfügung stehen. Die 4./ Kompanie wurde I./171 unmittelbar unterstellt und an den Nordhang der Höhe 255 gelegt. Das Regiment focht nunmehr im Verbande der 155. Reserve-Division.
Während um die Mittagszeit die feindliche Artillerie das Hintergelände unter starkes Feuer nahm, führten amerikanische Angriffe gegen 2 Uhr nachm. zum Verlust der “Marienhöhe”. Sofort trat das II. Bataillon in seiner Gliederung von frühem Morgen zum Gegenstoß an. Es gelang ihm, in entschlossenem Ansturm den Feind von der Höhe zu werfen und in weiterem Nachdringen zu verhindern, daß sich der Amerikaner am Südrand des Berges festsetzt. Um 3 Uhr nachm. war die Höhe im Besitze der Grenadiere. Leider gelang es nicht, die eigene Artillerie von der Wiedernahme der Höhe rechtzeitig zu benachrichtigen. Die deutschen Batterien hüllten die bewaldete Kuppe in Gaswolken ein, so dass erhebliche Verluste eintraten. Dadurch wurden die Kompanien gezwungen, sich auf den Nordrand der Kuppe zurückzuziehen.
Als die Artillerie nach einiger Zeit das Feuer einstellte, gingen die 6./ und 7./ Kompanie wieder vor und setzten sich am Südabfall fest. Die 5./ Kompanie schützte am Nordwestrande des Waldes von Moncy die rechte Flanke, während die 8./ Kompanie als Reserve 400 nördlich der “Marienhöhe” bereitstand.
Die Gefahr auf der rechten Flanke des Regiments war trotz des erfolgreichen Eingreifens des II./ Bataillons immer noch vorhanden. Darum wurde das I./ Bataillon (ohne 4./ Kompanie) an den Bereitstellungsraum des II./ Bataillons (Nordostecke der “Marientalschlucht”) gelegt. Die Kompanien trafen dort gegen 5 Uhr nachm. ein. Die 1./ Kompanie wurde zur Sicherung an den Nordwestrand des Moncy-Waldes etwa 800 m vorgeschoben. Um gegen die stetig sich wiederholenden Artilleriefeuerüberfälle einigermaßen Schutz zu haben, arbeiteten die Kompanien emsig an Löchern und Stichgräben. Beim III./ Bataillon, dass die 11./ Kompanie in seine vordere Linie eingeschoben hatte, blieb die Lage tagsüber unverändert.

Die Lage bei Romagne am 06. und 07.10.1918

Im dichten Nebel der Morgenstunden am 07. Oktober suchten starke feindliche Patrouillen mehrere Male gegen die “Marienhöhe” vorzudringen. Sie konnten aber leicht vertrieben werden. Die zwischen II./109 und I./171 klaffende Lücke wurden durch Reste von Infanterieregiment 169 (etwa 100 Mann), die an den Osthang der “Marienhöhe” gelegt worden waren, ausgefüllt. Die Bataillone blieben in ihren Stellungen. Die 8./ Kompanie wurde zur 5./ an den Nordwestrand des Moncy-Waldes gelegt. Die 4./ Kompanie wurde im Laufe des Tages an den Ostrand des Waldes von Moncy vorgeschoben. Hinter sie setzte sich die 11./ Kompanie. Ein Angriff blieb während des Tages aus.
Das Wetter blieb regnerisch. Die Nächste wurden empfindlich kalt. Seit dem 03. Oktober lagen die Kompanien im Freien und hatten nicht einmal die Möglichkeit, sich ein wärmendes Feuer anzuzünden.
Am 08. Oktober wurde das II./Bataillon auf der “Marienhöhe” durch Teile des Infanterie-Regiments 211 ersetzt. Das II./Bataillon rückte an den Steilhang nördlich der Robinette-Ferme mit dem Auftrage, bei II./ und III./171, die nördlich Gesnes beiderseits der Strasse Romagne – Gesnes lagen, nötigenfalls einzugreifen. Das I./ Bataillon, zu dem im Laufe des Nachmittags wieder die 4./ Kompanie zurücktrat, hatte den Abschnitt “Mariental”-Ferme bis zum Ostrand des Waldes von Moncy zu überwachen, während das III./Bataillon vom Ostrand dieses Waldes bis Höhe 255 einschließlich einzugreifen hatte. An Stelle der 4./Kompanie hatte es die 11./ Kompanie an den Südostrand des Waldes von Moncy vorgelegt.
5.45 nachm. griff der Feind mit starken Patrouillen die “Marienhöhe” an und warf die Deutschen auf der Höhe zurück. Damit wollte er sich günstige Ausgangsstellungen für die für den folgenden Tag von den Argonnen bis zur Maas angesetzten Grossangriffe verschaffen. Die westlich der Kuppe und bis zur Kuppe stehenden Teile des Infanterie-Regiments 211 konnte aus eigenen Kräften den Feind wieder von der Höhe werfen, so daß einer von der 1./109 und einer Kompanie des Infanterie-Regiments 211 angesetzter Gegenangriff nicht zur Ausführung gelangte. Die 1./ Kompanie kehrte unter Belassung einer Feldwache am Westrande des Waldes auf ihren Bereitstellungsplatz zurück. III./169 war aber bis an den Weg, der sich 400 m nordöstlich der “Marienhöhe” von Gesnes nach dem “Kleinen Wald” hinzieht, zurückgewichen. Da der Südostrand des Moncy-Waldes infolge dieser Lage gleichfalls stark gefährdet war, legte die 3./ Kompanie 8 Uhr nachm. einen Zug als Feldwache dorthin.

Die Kämpfe bei Romagne am 08.10.1918

Der Feind hielt vom Nachmittag ab die deutschen Linien und das Hintergelände unter starkem Feuer, was von Stunde zu Stunde zunahm. Auch nach dem Sturm auf die “Marienhöhe” ließ die Stärke des feindlichen Beschusses nicht nach, so daß für den kommenden Tag mit großen feindlichen Angriffen zu rechnen war. Dabei nahm die feindliche Artillerie nicht nur jede Ortschaft, sondern auch jedes einzelne Gehöft, jede Baracke derart unter Feuer, daß es unmöglich war, Truppen oder Stäbe darin unterzubringen. Zelte waren nicht vorhanden. So mußten auch die Stäbe in Granatlöchern, bei Kälte, Regen und Kerzenbeleuchtung ihre Befehle, Meldungen und Skizzen anfertigen.
Gegen Mitternacht zum 09. Oktober erhielt das Regiment durch Funkspruch vom Korps den Befehl, neue Bereitstellungsplätze östlich Romagne im Bereich der links der 115. liegenden 236. Infanterie-Division einzunehmen. Das II./ Bataillon marschierte 01.30 Uhr vorm. zur Verfügung des Infanterie-Regiments 459 über Romagne nach dem Walde bei Cunel. Das Bataillon v. Hadeln (I.) rückte 2 Uhr vorm. nach der Nordwestecke des Waldes von Maulaumont östlich Cunel. Da wurde auf Gegenbefehl der 115. Infanterie-Division das Regiment zurückgehalten. Noch gelang es, das I./ Bataillon beim Vorbeimarsch am Regimentsgefechtsstand aufzuhalten und wieder an die Nordostecke der “Marientalschlucht” zurückzuschicken. Das II./ Bataillon konnte aber auf seinem Platze, den es 4.30 Uhr vorm. erreichte, erst gegen 10 Uhr vorm. wieder gefunden und zur Robinette-Ferme zurückgerufen werden.
Die bei den schlechten Straßen und im starken feindlichen Artilleriefeuer ausgeführten Märsche strengten die Truppe im Hohen Maße an. Nur besonderen Glückszufällen war es zu danken, daß das I./ Bataillon verlustlos, das II./ Bataillon mit verhältnismäßig geringer Einbuße wieder ihre alten Bereitstellungsplätze erreichten. Den Marsch des II./ Bataillons dicht hinter der vordersten Kampffront entlang in schwerem Artilleriebeschuß schildert Leutnant d.R. Ens, der Führer der 8./ Kompanie, in folgendem:
“Das II./ Bataillon rückt sofort nach dem Walde bei Cunel und stellt sich dort bereit.” Was? Das sind ja über 3 km. Und gerade östlich! Bei diesem Feuer 3 km hinter der Front entlang. Das ist ja Wahnsinn! Aber es ist nichts zu machen, wir müssen hinüber.
“Alles fertigmachen.” Die 8./ Kompanie ging voraus. Ich war verantwortlich für den Weg. Am Boden lagen dichte Nebelschwaden. Aber die Sterne blinkten hindurch. Kompaß, Karte, Sterne, es mußte gehen. Man durfte ja bei dem Nebel Licht machen.
Zuerst nach Romagne. Das ging verhältnismäßig gut. Immer an den kleinen Waldparzellen vorbei. Aber Romagne war die Hölle. Teufel! funkten die da hinein. Ganz lang zogen wir uns auseinander. Östlich des Dorfes wartete die Spitze, bis von hinten durchkam: alles da. Es war besser gegangen als gedacht. Schauerlich war der Weg zwischen Romagne und Cunel-Wald. Mehrere Male schlugen die Feuerüberfälle der Brisanzgranaten mitten in die Kompanien. Heute muß man dort noch die Eindrücke unserer Nasen im Boden sehen. Und doch nur ein paar Verwundete. Es mag 4 Uhr vorm. oder später gewesen sein, als wir den Wald erreichten. Nach allen Seiten wurde versucht, Verbindung aufzunehmen. Niemand fand sich. Der Morgen ist bitterkalt. Nasser Nebel dabei. Wir zündeten Feuer an. Kleine Erdlöcher boten etwas Schutz. Das Artilleriefeuer auf diesen Punkt war mäßig.

Später versuchte sich alles die Füße warmzutrampeln. Plötzlich stand eine Regimentsordonnanz vor mir. “Das II. Bataillon geht wieder an den Hang nördlich der Robinette-Ferme zurück.” Wer will verargen, das Fluchen hörbar wurde.
Das Feuer war noch stärker als in der Nacht. Aber es war wenigstens Tag. Der Weg war einfach zu finden, man kam daher rascher vorwärts.
Rascheres Vorwärtskommen war aber auch nötig. Der Orkan wuchs noch. In mehreren Gürteln lag das Feuer auf dem Gelände. An vielen Stellen ließ es sich nicht umgehen, man mußte mitten hindurch. Die Verluste mehrten sich. Die Kompanien hielten zusammen. Die Zugführer hatten, auch in den schlimmsten Augenblicken, Augenverbindung mit den Kompanieführern, die Gruppenführer mit den Zugführern. Es war für die folgenden Tage von Bedeutung, dass ein Zerflattern der Kompanien vermieden werden konnte. Es lebte in diesen letzten Gefechten des Krieges ein starker Wille, zusammenzuhalten und sich auf sich selber zu verlassen, nicht auf Nachbartruppen, bei denen man oft weniger gute Leistungen sah und mit denen man sich in unserm Regiment äußerst ungern vermischte.
Endlich kamen wir wieder an unserm Hang nördlich der Robinette-Ferme an.


Für den frühen Morgen des 09. Oktober war im gemeinsamen Angriff des I. und III. Bataillons die Wiedernahme der ganzen “Marienhöhe” vorgesehen. Durch die um Mitternacht befohlene Abberufung des Regiments wurden, wenn sie auch bald darauf wieder rückgängig gemacht worden war, die Vorbereitungen sehr gestört. Nur unter größten Schwierigkeiten gelang es den beiden Bataillonen, sich für den Morgen zum Sturm bereitzustellen. Es wurden dazu rechts die 2./ und 1./ Kompanie, links die 11./ Kompanie, hinter dieser, links rückwärts gestaffelt, die 12./ Kompanie eingesetzt. 7 Uhr vorm. traten die Kompanien zum Sturm an. Dem sich zäh verteidigenden Gegner gingen die Grenadiere entschlossen zu Leibe und warfen ihn mit lautem Hurra die von der Höhe herunter.
Inzwischen war das feindliche Artilleriefeuer zu gewaltiger Stärke angewachsen. Es leitete Massenstürme der Amerikaner ein. Westlich der “Marienhöhe” und östlich der Höhe 255, also gerade in den Abschnitten, die durch die Grenadiere nicht gestützt waren, wurden die deutschen Linien durchbrochen. Die Kompanien des Infanterie-Regiments 111, die an der Stelle des Infanterie-Regiments 211westlich der “Marienhöhe” eingerückt waren, hatten bald den “Kleinen Wald” an den Feind verloren. Von dort drohte die Umfassung der “Marienhöhe”. Die zum Flankenschutz rechts rückwärts am Nordwestrand des Moncy-Waldes gestaffelte 3./ Kompanie erhielt Flanken- und Rückenfeuer. Da sich der Feind auch frontal zu neuem Ansturm bereitstellte, während sich die Kompanien fast vollständig verschossen hatten, mußte die tapfere Besatzung der Kuppe gegen 01 Uhr nachm. mit zurückgebogenen rechten Flügel auf den Nordhang der Höhe weichen. Dort stürmt der Feind aber vergeblich an. Mit blutigen Opfern wurde er von den zähen Verteidigern abgewiesen.
Zwischen den Teilen des I. Bataillons in und nördlich der “Marientalschlucht” und den am Nordosthang der “Marienhöhe” stehenden Kompanien klaffte eine gefährliche Lücke. Um diese zu schließen und die durch das Zurückgehen von der Höhe entstandene Lage zu festigen, wurden hier die 12./ Kompanie und Teile der 10./ Kompanie eingesetzt. So hüteten nun nach der Zurücknahme im Moncy-Wald die 12./ Kompanie, zwei Züge der 10./ Kompanie, die zu dieser Zeit dem III. Bataillon unterstellte 1./ und 2./ Kompanie, sowie die 11./ Kompanie mit der Front nach Südwesten den rechten Flügel des Regimentsabschnitts.

Während dieser verlustreichen Kämpfe am rechten Flügel und in der rechten Flanke des Regiments war es östlich der Höhe 255 dem Feinde gegen 11 Uhr vorm., wie erwähnt, gelungen, die Hauptwiderstandslinie nördlich Gesnes zu durchbrechen und bis an den Rand südlich der Robinette-Ferme vorzudringen.
In raschem Entschlusse warf Major d.R. Kuenzer 2 Züge der 9./ Kompanie, die ihm gerade zur Verfügung standen, am Waldrand nördlich der Höhe 255 (zwischen der Höhe und dem Gutshofe) mit der Front nach Osten dem Feind entgegen. Zugleich richteten sich die Rohre dreier Minenwerfer und die überhöhend eingesetzten schweren Maschinengewehre auf den eingedrungenen Feind. Um 12 Uhr mittags kam noch ein Teil der 10./ Kompanie vom Walde von Moncy her. Sofort wurde ein Zug links der 9./ Kompanie in das Gefecht geworfen. Danke der Tatkraft des Vize-Feldwebels Odenwald (10./ Kompanie) aus Philippsburg erreichte dieser Zug im Gegenstoß schon gegen 12.20 Uhr nachm. die Höhe 243 südlich der Robinette-Ferme. Östlich des Guthofes verwendeten die Amerikaner Tanks, von denen zwei durch die Minenwerfer und das Feuer der 3./ Maschinengewehr-Kompanie 500 m vor der deutschen Linie außer Gefecht gesetzt wurden. Ein zweiter Zug der 10./ Kompanie wurde an den Waldrand nordöstlich der Robinette-Ferme gelegt, um hier eine Umgehung in der linken Flanke zu verhindern. So konnte durch das umsichtige und zielbewußte Eingreifen der Kompanien des III. Bataillons neben dem tapferen Verhalten von I./171 in letzter Minute die Abschnürung der Höhe 255 und der Durchbruch des Feindes gehindert werden.
Trotz der Aufopferung des Bataillons Kuenzer (III.) blieb die Gefahr für das Regiment auf beiden Flügeln groß. Wie westlich der Stellung der Feind im “Kleinen Feind” vordrang, stand auch östlich beim Regiment 173 die Schlacht sehr bedenklich. Beim Leib-Grenadier-Regiment waren kaum noch Reserven vorhanden. Denn immer noch nicht war das sehnlichst erwartete II. Bataillon von jenseits Romagne zurückgekommen. Die Hilferufe des Infanterie-Regiments 173 mehrten sich und wurden mit jeder Minute dringender. Da wurden kurz nach 12 Uhr die letzten verfügbaren Teile des I. Bataillons (4./ Kompanie und 3/4 1./ Maschinengewehrkompanie) nach der Höhe westlich Romagne zur Sicherung gegen den dort drohenden Durchbruch geworfen. Die anderen Kompanien des Bataillons v. Hadeln (I./) wurden Major d.R. Kuenzer unterstellt, der damit bei seiner schwierigen Lage auch noch den Flankenschutz gegen Westen zu übernehmen hatte.
Inzwischen (12.30 Uhr nachm.) war das II. Bataillon trotz bestmöglicher Umgehung des immer heftiger einsetzenden Artilleriefeuers unter äußerst schwierigen Umständen durch das Trichtergelände sich hinwindend mit der 5./, 6./ und 8. Kompanie nördlich der Robinette-Ferme wieder eingetroffen. Dabei war, als es am linken Flügel der Division vorüberzog, die 7./ Kompanie vom Infanterie-Regiment 173 zurückgehalten und auf der Höhe westlich Romagne s. M. in vorderer Linie eingesetzt worden, wo sie an der erfolgreichen Abwehr mehrerer feindlicher Angriffe teilnahm. Erst gegen Abend konnte sie zu ihrem Regiment entlassen werden. Sie erhielt zugleich mit der 2. Maschinengewehrkompanie den Flankenschutz gegen Romagne übertragen.

Die Kämpfe bei Romagne am 09.10.1918

Der Bataillonsführer, Hauptmann Blum, der zwei Tage zuvor den Befehl über das Bataillon übernommen hatte, war verwundet worden. So hatte Leutnant d. R. Ens die Führung des Bataillons übernommen. Sofort beim Eintreffen wurde er vom Kommandeur des rechtsstehenden Infanterie-Regiments 171 über die gespannte Lage unterrichtet. Er legte die 6./ Kompanie an den Steilhang nördlich des Gutshofes. Mit der 5./ und 8./ Kompanie trat er zum Gegenstoß auf den unterdessen im Walde südlich und östlich der Robinette-Ferme und in die Ferme selbst eingedrungener Feind an, der bereits den Hang nördlich der Ferme anstieg. Nach äußerst hartnäckigem, einstündigem Feuerkampf, der dem Feinde schwere Opfer kostete, konnten die Kompanien zum größten Teil ihre Aufgabe erfüllen. Sie brachten das Vordringen der Amerikaner zum Stehen und warfen den Feind sogar südwärts. Dabei überraschten sie in einer Baracke eine große Anzahl Amerikaner. Der größte Teil von diesen fiel, acht wurden gefangengenommen. Der Feind wehrte sich aber zäh. Es gelang daher den Grenadieren nicht, ihn gänzlich aus dem Walde zu vertreiben. Als der Amerikaner während des Gegenstoßes des II. Bataillons östlich von den Grenadieren mit starken Kräften immer mehr nach Norden drang, entstand für sie die Gefahr, abgeschnitten zu werden. Bei Einbruch der Dunkelheit gingen sie daher in die “Krimhild-Stellung” auf die Höhe nördlich des Gutshofes zurück. Von hier trieben die 5./ und die 8./ Kompanie Patrouillen nach Süden vor, wobei es Unteroffizier Schöner (5./ Kompanie) bei mehrmaligen Vorstößen gelang, einige Amerikaner gefangen zu nehmen.
Nach dem Eingreifen des II. Bataillons in den ersten Nachmittagsstunden, wodurch die Lage auf dem linken Flügel entspannt war, beorderte der Regimentsführer, Major Freiherr v. Toll, die nach Osten gezogenen Teile des I. Bataillons und den gegen die Robinette-Ferme sichernden Zug der 10./ Kompanie wieder zum Schutze der rechten Flanke der Regimentsaufstellung nach Westen. Die Truppe rückte in die “Krimhild-Stellung” etwa bei der Wegegabel im Wald von Romagne, 1 km südöstlich der Musarde-Ferme.
Gegen 6 Uhr nachm. konnte die aus den schweren Kämpfen entwickelte Lage überblickt und für den Tag als gefestigt angesehen werden. Ein weit nach Süden vorspringender Bogen hatte sich gebildet. Von der ebengenannten Wegegabel zog er durch den Wald von Moncy in südöstlicher Richtung, dann nordöstlich der “Marienhöhe” entlang über die “Quellenschlucht” auf die Höhe 255. Von hier wandte er sich nach Nordosten gegen die Robinette-Ferme, dann bis zur Straße Sommerance – Romagne, 1 km westlich Romagne. Diese Straße bildete die Sehne des Bogens.
Auf dem Westteil des Keiles standen das I. und der größte Teil des III. Bataillons. Die 4./ Kompanie und die 1./ Maschinengewehrkompanie lagen in der “Krimhild-Stellung” nordöstlich des “Kleinen Waldes”. Die 3./ Kompanie schloß weiter südlich am Nordostausgang die “Marientalschlucht”. Patrouillen hielten zwischen diesen Teilen des Bataillons die Verbindung aufrecht. Weiter gegen die “Marienhöhe” vorgeschoben lagen die 12./, zwei Drittel der 10./, die 2./ und 1./ sowie die 11./ Kompanie. Ihr linker Flügel reichte bis in die “Quellenschlucht”. Hier schloß sich mit der Front nach Süden bis einschließlich der Höhe 255 I./171 an. Auf der Ostfront der Ausbuchtung waren zwischen dieser Höhe und dem Walde südlich der Robinette-Ferme zwei Züge der 9./ und 1 Zug der 10./ eingesetzt. Im Walde südlich der Ferme fochten die 5./ und 8./, die sich nach Einbruch der Dunkelheit nördlich des Gutshofes in die “Krimhild-Stellung” zurückzogen. Ein Drittel der 9./ Kompanie lag bei Major d. R. Kuenzer im Walde westlich der Robinette-Ferme. Den Steilhang nördlich der Robinette-Ferme hielt die 6./ Kompanie als Reserve besetzt. Westlich Romagne sicherten die 7./ Kompanie und die 2./ Maschinengewehrkompanie die linke Flanke. Die Minenwerfer standen in der Nähe des Stabes des III. Bataillons. Die Gewehre der 3./ Maschinengewehrkompanie deckten nach allen Seiten in überhöhender Aufstellung die vorderen Linien.
Die Lage in dem weit in die feindliche Stellung vorgeschwungenen Bogen war trotz der aufopferungsvollen Tapferkeit der in ihm eingesetzten Verbände des Leib-Grenadier-Regiments und des Infanterie-Regiments 171 bei kommenden Kämpfen außerordentlich gefährdet. Die 115. Infanterie-Division entschloß sich daher, in der Nacht zum 10. Oktober die am Tage gehaltenen Linie zu räumen und in die “Krimhild-Stellung” zurück zu gehen.
Der 9. Oktober war ein Kampftag erster Ordnung gewesen und hatte an das Regiment und dessen Führer höchste Anforderungen gestellt. Nur dank der großen Hingabe der Truppe, des vorbildlichen Zusammenarbeitens und Verstehens aller seiner Teile war es möglich gewesen, ohne Artillerieunterstützung, bei erdrückender Übermacht des Feindes, in schwierigem Waldgelände und im Nebel den Anforderungen eines vielfach wechselnden Kampfes gerecht zu werden.
Blutige Verluste hatte der Tag nach den sofort angestellten Erhebungen dem Regiment gebracht. Leutnant d. R. Hahner, Müntefering, Schroda und Dietz sowie 42 Grenadiere waren gefallen. Verwundet wurden Hauptmann Blum, die Leutnants d. R. Kuhner, Schwehr, Köhr, Sünner und Marx sowie 135 Mann. Als vermißt wurden 41 Grenadiere gezählt; die aber zum größten Teil nicht in Gefangenschaft geraten waren, sondern zu den Toten und Verwundeten zu rechnen sind. Diese Verluste wogen umso schwerer, als die Kompanien nur noch 60 bis 70 Mann stark waren.
Schwer war die Fürsorge für die Verwundeten. Der Regimentsverbandsplatz war vom 06. Oktober ab in einem Betonklotz am Südwestzipfel des Bois de Bantheville eingerichtet, wo er bis zum 10. vorm. gelassen wurde. Der Abtransport der Verwundeten mußte durch Träger ausgeführt werden, die die schweren Lasten in starkem feindlichem Artilleriefeuer vielfach bis zu 9 km zu tragen hatten.

Die Verteidigung der “Krimhild-Stellung”

Die “Krimhild-Stellung” zog sich von Landres in südöstlicher Richtung am Südwesthang der Chatillon-Höhe über die Musarde-Ferme, durch den Wald von Romagne und den von Gesnes nördlich der Robinette-Ferme vorbei, dann 500 m südlich von Romagne sous Montfaucon in östlicher Richtung gegen die Maas. Zum Teil waren Hinterhanggräben mit über den Hang nach vorne geschobenen Beobachtungsstellen vorhanden. Zum Teil, besonders in den Wäldern, war die Stellung kaum angedeutet. Hinter den Gräben befanden sich, geschickt der Fliegersicht entzogen, vielfach schußsichere Betonunterstände, Tonnengewölbe mit zwei Kammern und einem Gang. Auch einige größere Unterstände für Stäbe, die für Reservekompanien vorzüglich Deckung boten, waren gebaut.
In diese Stellung zogen sich im Laufe der Nacht zum 10. Oktober das Infanterie-Regiment 171 sowie die Anschlußtruppen rechts und links, soweit sie nicht schon durch die Kämpfe dorthin zurückgedrängt waren, mit all den eingeschobenen andern Truppenteilen zurück.
Das Infanterie-Regiment 171, in und hinter dessen Abschnitt das Leib-Grenadier-Regiment stand, lag in der neuen Stellung mit seinem rechten Flügel ungefähr am Nordwestrand des Waldes von Romagne südöstlich der Musarde-Ferme, mit seinem linken Flügel etwa 500 nordöstlich, der Robinette-Ferme. Es hatte die vordere Linie mit drei Bataillonen besetzt. Im rechten Abschnitt stand III./171, im mittleren I./171, im linken II./109. Das I. und III. Bataillon des Leib-Grenadier-Regiments (ohne die 9./ Kompanie und 1 Zug der 3./ Maschinengewehrkompanie, die dem Infanterie-Regiment 171 zugeteilt waren und in vorderer Linie blieben) wurden im Laufe der Nacht als Reserve aus vorderster Stellung zurückgezogen. Das Bataillon v. Hadeln (I.) grub sich an der im Nordteil des Waldes von Bantheville gelegenen Höhe gegen das Streufeuer ein. Das Bataillon Kuenzer (III.) stellte sich an der Cavanier-Quelle bereit. Der Regimentsgefechtsstand und der Regimentsverbandsplatz wurden am Nordwestrand des Waldes gegenüber der Dhuy-Ferme eingerichtet.
Das II./ Bataillon sicherte mit der 9./, 5./ und 8./ die vordere Linie seines Abschnitts. Die 6./ Kompanie, bei der die Minenwerfer standen, lag als Reserve am Steilhang dahinter. Die schweren Maschinengewehre waren mit überhöhtem Schußfeld aufgestellt.
Die 7./ Kompanie blieb noch bis 11. Oktober morgens dem links anschließenden Infanterie-Regiment 173 zugeteilt.
Starkes Artilleriefeuer lag während des ganzen Vormittages (10. Oktober) auf dem Hintergelände, während die Besatzung der “Krimhild-Stellung” nur noch schwach beschossen wurde. Die Beobachter meldeten schon am Vormittag von ihren Plätzen, von denen aus das feindliche Hintergelände weithin überwacht werden konnte, starke gegen Norden gerichtete Truppenbewegungen. Daher war für den Nachmittag, spätestens für den folgenden Tag, mit großen Angriffen zu rechnen.
Es dauerte nicht allzu lange, bis der Sturm losbrach. Schon 2.45 Uhr nachm. setzte der Amerikaner Massen gegen die Stellung des II./ Bataillons in Bewegung. Die deutsche Artillerie (leider standen während dieser Kämpfe weder die II. Abteilung des Feldartillerie-Regiments 14 noch die Begleitbatterie dem Regiment zur Verfügung) hatte weder die längst gemeldete Bereitstellung noch auch den in dichten Haufen vorrückenden Gegner unter Feuer genommen. Der Feind ging daher mit kaum gekannter Unachtsamkeit bis in den Bereich der Infanteriegewehre vor. Maschinengewehre, Minenwerfer und Infanteriegewehre richteten sich auf die regellos anstürmenden Massen. Sie wurden unter fürchterlichen Verlusten vom rasenden Feuer gepackt. Wo aber auch immer die Linie sich lichtete, da ballte sich der Feind wieder zu neuen Haufen zusammen und bot so den Kugeln ein nicht zu verfehlendes Ziel großes Ziel. Alle Tapferkeit half dem Feinde nichts. Er konnte nicht an die “Krimhild-Stellung” herankommen. Noch einmal, 3.30 Uhr nachm., versuchte der Amerikaner der gleichen, unglaublich sorglosen “Massenhaufentaktik” die Berennung des II. Bataillons. Ihr ward das gleiche Schicksal zuteil.
Bei Beginn des Kampfes waren die Stellungskompanien fast ohne Munition, und der Bataillonsstab verfügte über keine Munitionsreserve. Unter größter Aufopferung hatte die in Reserve liegende 6./ Kompanie im feindlichen Vernichtungsfeuer das Gelände nach Munition abgesucht und diese sowie von Fliegern abgeworfene Munitionskästen zusammen mit Offizieren und Ordonnanzen des Regimentsstabes nach vorne gebracht; das hatte die Abweisung des Angriffs ermöglicht.
Die Verluste beim Kampfbataillon waren gering. Als Führer der 5./ Kompanie erlitt Leutnant d. R. Neugebauer den Heldentod. Gegen die Anschlußtruppen war der Feind während dieser schweren Kämpfe der Grenadiere nur mit ganz schwachen Kräften angerannt, so daß bei ihnen der Sturm leicht abgewiesen werden konnte.
Während sich das für den Gegner so blutige Gefecht beim II. Bataillon abspielte, drang die falsche Nachricht nach hinten durch, daß dieses Bataillon vom Feind überflutet und Romagne verloren sei. Sofort trat das III. Bataillon zum Gegenstoß in Richtung Robinette-Ferme an. Als die Spitzenkompanie (10./) in dem stark beschossenen Gelände die Straße Sommerance – Romagne erreichte, kamen die von einzelnen Kompanien eiligst nach vorne geworfenen Patrouillen mit der Meldung zurück, daß das II. Bataillon den feindlichen Ansturm restlos abgewiesen habe. Die Kampfkompanien hatten sich aber fast vollkommen verschossen. Von der 12./ Kompanie wurden ihnen daher der größte Teil der Munition des III. Bataillons überbracht. Auch das I. Bataillon war gleichzeitig nach vorne gezogen worden, um die bisherige Stellung des III. Bataillon einzunehmen, wurde aber beim Regimentsgefechtsstand auf dem Marsche angehalten und wieder in seine alte Stellung verwiesen.

Kämpfe bei Romagne am 10. und 11.10.1918


Der Feind hatte im Laufe des Nachmittags aufs neue die Kampfkraft der Grenadiere kennengelernt. Die Verluste waren bei ihm sehr groß. Trotzdem wollte er um jeden Preis die beherrschende Stellung des II. Bataillons bezwingen, um dann leichten Kaufes Romagne zu nehmen.
In der Nacht zum 11. Oktober rüstete man daher auf beiden Seiten zu neuen Kämpfen. Das Leib-Grenadier-Regiment übernahm den Befehl über den Abschnitt des Infanterie-Regiments 171. Reserven für die neue Schlacht konnten ihm nicht zur Verfügung gestellt werden. Beim Feinde herrschte aber reger Verkehr, der, wie die wachsamen Posten der 5./ und 8./ Kompanie meldeten, auf neue Verstärkungen schließen ließ. Die Kompanien störten mit Maschinengewehrfeuer, so gut sie konnten, die Ansammlungen, da die deutsche Artillerie aus Mangel an Beobachtern und vielleicht durch die überlegene feindliche Artillerie zugedeckt fast gänzlich schwieg und die feindlichen Vorbereitungen nicht belästigte.
Dichter Nebel hüllte bei Tagesanbruch Freund und Feind in drohendes Schweigen. Die Kampfkompanien waren wohl versorgt mit Munition. Zuversichtlich erwarteten sie das Kommende. Immer noch waren die feindlichen Geschütze verstummt. Da lichtete sich gegen 7 Uhr vorm. der Nebelschleier. Jetzt konnten die Grenadiere große feindliche Massen an der Robinette-Ferme erkennen. Sie machten sich zum Kampfe fertig. Zu gleicher Zeit setzte eine höllische Beschießung ein, die aber viel mehr den Nordhang der Höhe des Waldes von Gesnes und das Hintergelände bis weit in den Wald von Bantheville erfasste, als den vorderen Kompanien Schaden zufügte. Diese waren durch das Feuer abgeriegelt und sollten durch die amerikanischen Massen zertreten werden. Aber auch die deutsche Artillerie wehrte sich. Zugleich begannen die Minenwerfer des Leutnants d. L. Quurke und die deutschen Maschinengewehre zu spielen. Bald nach Beginn des Artilleriefeuers trat die amerikanische Infanterie zum Sturme an (08.45 vorm). In dichten Massen, in Rudeln und Haufen drangen sie vor. Immer mehr Feinde spie das verdeckte Gelände gegen die dünnen deutschen Linien aus. Die Grenadiere lagen aber kalten Herzens an ihren Maschinengewehren; zwischen diesen sprühte das Schnellfeuer der Infanteriegewehre. Die Minen platzten in rascher Folge und wohlgezielte Granaten zerrissen die Haufen. Reihe um Reihe fiel wie abgemähtes Korn zur Erde. Über die Toten schritten neue Wellen. Sie erreichte das gleiche Schicksal. Einzelne Amerikaner gelangten aber bis zum schwachen Drahthindernis, das die Grenadiere vor Überraschungen schützen sollte. Handgranaten machten ihrem Leben ein Ende.
Da zischten die Maschinengewehre ob ihrer unerhörten Beanspruchung, die Stahlläufe der Infanteriegewehre glühten. Die Munition ging zur Neige. Aber immer noch stürmten die Tollkühnen gegen die todsprühende Linie. Die Grenadiere der 6./ und 7./ Kompanie brachten ihren kampfumtosten Kameraden Munition, auch Wasser zum Kühlen der Läufe. Sie trugen Meldungen zu den schwach bestürmten Nachbarbataillonen, sprangen, als auch ihre Munitionsvorräte ausgingen, zu diesen und schleppten im gefährlichen Granatfeuer Kasten und Gurte heran. So ging es bis in die Nachmittagsstunden. Da gegen 2 Uhr nachm.; wandte sich der Feind unter Zurücklassung einiger Gefangener des Infanterie-Regiments 125 zur regellosen Flucht.
Die mit einem beispiellosen Masseneinsatz geführten Stürme waren an dem eisernen Willen der Grenadiere abgeprallt. Der Erfolg war hauptsächlich der 5./ und 8. Kompanie sowie einem Zug der 9./ Kompanie unter ihrem Führer, Leutnant d.R. Beigel, sowie den Vizefeldwebeln Weinstein, Heger und Ruf zu danken.
Nach Einbruch der Dunkelheit übernahmen die 6./ und die 7./ Kompanie die Stellung der 5./ und 8./ Kompanie. Die beiden Kompanien waren wegen ihrer geringen Gefechtsstärke vereint worden. Schon vorher war die 9./ Kompanie von I./171 abgelöst und an den Steilhang nördlich der Robinette-Ferme als Stoßreserve des II./Bataillons zurückgezogen worden. Nach Eintreffen der 7./ Kompanie und nach Klärung der Lage wurde sie dem III./ Bataillon des Infanterie-Regiments 171 unterstellt. Sie rückte in den Wald von Romagne hinter den rechten Flügel der Regimentsaufstellung. Des andern Tags (12.10.) griff der Feind nicht mehr an.
Während der Kämpfe des II./ Bataillons lagen die Bereitschaftsbataillone unter starkem Feuer, das ihnen nicht unerhebliche Verluste brachte. Unter den Verwundeten befand sich auch Major d. R. Kuenzer, für den sein Adjutant, Leutnant Graf von Schmettow, die Führung des III./ Bataillons übernahm. Am folgenden Tag trat Hauptmann Ruland (Grenadier-Regiment 110) an die Spitze des Bataillons.
Das Bataillon von Hadeln (I./) mußte am 11. Oktober nachmittags dem Infanterie-Regiment 173, das in gefährdeter Lage sich befand, unterstellt werden. Das Bataillon rückte auf Befehl dieses Regiments an den Ostrand des Waldes von Bantheville in den Waldzipfel südlich der Straße Cavanier-Quelle – Bantheville. Nach Eintreffen auf dem angewiesenen Platze (9 Uhr nachm.) wurde das Bataillon sofort nach Romagne befohlen, wo es die Reste des Infanterie-Regiments 136 zu verstärken hatte. Als Sicherung gegen Osten wurde die vereinigte 1./ und 2./ Kompanie sowie der Minenwerferzug am Lagerplatz im Bantheville-Wald zurückgelassen. Die vormarschierenden Kompanien trafen 4 Uhr vorm. (12. Oktober) im Dorfe ein. Die Maschinengewehre wurden auf die beiden Kompanien verteilt, die als Reserve untergebracht wurden. Sie hatten den Auftrag, einen etwa in Romagne eindringenden Feind im Gegenstoß zurückzuwerfen.