“Ich liege hier im Rabenwald”

Ein Briefwechsel zwischen Hans und Margarete Sievers aus der Zeit des Ersten Weltkrieges
Februar/ März 1916 – Fronturlaub in Düsseldorf
Josef, Arnold, Ludwig (Schoß), Rieke

Hans Sievers aus Aachen wurde als “Ungedienter Landsturmsoldat” im August 1915 zunächst im Infanterie-Regiment Nr. 130 zum Militärdienst eingezogen. Den Beginn seiner Dienstzeit verbrachte er in der 1./ Kompanie des II. Ersatz-Bataillons in Hamm. Am 25. Oktober 1915 wurde er als Ersatz nach Serbien zur Front geschickt. Ab dem 07. Dezember 1915 wechselte er im Ruhelager Stara Pazova in die 8./ Kompanie des Reserve-Infanterie-Regiment 208 aus Soltau.

Der Weg des Reserve-Infanterie-Regiments 208 nach Verdun:

Nach Stationen in Serbien und Ungarn wurde das Regiment an die Westfront verlegt. Hier verbrachte es zunächste kurze Zeit für Ruhe und Ausbildung bei St. Pierremont in der Nähe von Sedan. Nach Exerzierdienst, Marschübungen und Schießen wird das Regiment auf den Grabenkrieg bei Verdun vorbereitet. Hier hatte am 21. Februar 1916 die Schlacht um Verdun begonnen. Ab dem 18. April 1916 ist das Regiment im Bereich des Rabenwaldes auf der Höhe Toter Mann westlich von Verdun eingesetzt.

Der Rabenwald, französisch “Bois des Corbeaux”, ist ein Waldstück östlich der Doppelkuppe des Toten Mannes und westlich der Ortschaft Cumières. Hier ist Hans Sievers zunächst eingesetzt. Beim Marsch vom Quartier zur Front beschreibt er eindrücklich die zerstörten Dörfer Consenvoye und Forges-sur-Meuse.

Hans Sievers fällt am 23. Mai 1916 im Alter von 33 Jahren im Bereich der Doppelkuppe des Toten Mannes beim Sturm seines Regiments auf die französischen Linien. Da einige der Gefallenen im Bereich des Forges-Baches beigesetzt wurden und diese Friedhöfe nach dem Krieg aufgelöst wurden, besteht die Möglichkeit, dass auch er als “Unbekannter deutscher Soldat” nach der Kriegsgräberstätte Cheppy umgebettet wurde.
Margarete Sievers hatte in dieser Zeit zunächst 4 Kinder, ab Januar 1916 dann 5 Kinder zu versorgen. Sie arbeitete als Geschäftsfrau in Düsseldorf-Oberbilk.

Zur Regimentsgeschichte des Reserve-Infanterie-Regiments 208
Letzter Brief von Hans Sievers von der Höhe Toter Mann

22/05.16 vorm 7.30 Uhr
Liebe Gretel

Dir und den Kindern herzl. Grüsze u. Küsze.
Aus der Zeitung, resp. Heeresbericht, werdet ihr wohl alle erfahren haben, was hier am T(oten) M(ann) los ist und die Erfolge, die wir erringen.
Grosz und schwer waren die Kämpfe, bis heute früh noch gut durch gekommen. 2 Briefe von dir u. einen von Mama und Gertrud erhalten, sonst nichts mehr, da andere Post nicht vorgebracht wird. Brief kann ich nicht beantworten. Die Sache dauert noch an.

Herzliche Grüsze, Küsze und Wünsche Dir und den Kindern

Dein Hans


3 Tage und Nächte noch kein Auge geschlossen

Sievers
Chronik

“Fragmente der Familiengeschichte sowie Stammbäume der Familien Sievers, Zimmermann und Krekel.
Ein Briefwechsel zwischen Hans und Margarete Sievers aus den Jahren 1915 – 1916″


Die Enkeltochter von Margarete Sievers, Gitta Pokladek, transkribierte die bewegenden Briefe für ihre Familienchronik. Einen Auszug der über 200 erhaltenen Briefe ist uns hier zur Verfügung gestellt worden.
Dafür herzlichen Dank

Gastbeitrag von Gitta Pokladek:
Mein Großvater Hans Sievers, dessen Andenken auf dieser Homepage eine Seite gewidmet wird, wurde als Sohn des Gerichtsvollziehers Robert Hermann Sievers und seiner Frau Anna Maria am 5. Oktober 1883 in Aachen geboren. 1898 zog die Familie mit ihren 4 Kindern nach Düsseldorf. Hans wurde Buchhändler und ging seinem Beruf in verschiedenen großen Buchhandlungen in Bonn, Hamburg und sogar für einige Zeit auf einem Passagierschiff nach. Er muss als junger Mann recht gesellig gewesen sein, ein erhaltener reger Briefaustausch mit Freunden zeugt davon. In Düsseldorf lernte er Margarete Zimmermann kennen, bereits vor ihrer Heirat mit Hans eine selbstständige Geschäftsfrau in Düsseldorf- Oberbilk; sie führte eine Papier- und Schreibwarenhandlung.
Die gute Eisenbahnanbindung an die Kohlegruben des Ruhrgebietes sowie günstige Bodenpreise machten Oberbilk im 19. Jahrhundert zu einem interessanten Standort für die aufstrebende Stahlindustrie, der Grundstein zur Entwicklung der Großindustrie in Düsseldorf. Margaretes Geschäft konnte nach der Heirat durch Hans’ Mitarbeit erweitert werden, indem er die namhaften Industriebetriebe aufsuchte, um ihre Verwaltungen mit Büroartikeln auszustatten. Seine Einberufung als Soldat im August 1915 war für die Familie eine Katastrophe, meine Großmutter Margarete war mit zunächst 4 Kindern und einem Geschäft auf sich alleine gestellt. In ihren Briefen nehmen die Schwierigkeiten dieser Situation und die Geldsorgen, die daraus entstanden, einen großen Raum ein.
Schon als Jugendliche und junge Frau war mir bewusst, welchen Schatz ich mit dem Briefwechsel meiner Großeltern, geschrieben zwischen Juli 1915 und Mai 1916, geerbt hatte. Damals konnte ich jedoch solch eine große Aufgabe noch nicht bewältigen, mehr als 220 Briefe zu sichten, zu ordnen und zu lesen. Die größte Schwierigkeit dabei war das Lesen der deutschen Kurrentschrift. So wagte ich mich erst im Ruhestand an dieses große Unternehmen, mir die Schrift vertraut zu machen und alle Briefe zu transkribieren. Durch diese Briefe habe ich einen Zugang zu den Großeltern erhalten, die ich nie persönlich kennenlernen konnte, da auch meine Großmutter Margarete vor meiner Geburt starb.
Während der langen Beschäftigung mit den Briefen fasste ich den Entschluss, ihnen als Buch eine würdige und gut lesbare Form zu geben. Die Berichte des Soldaten Hans Sievers aus Serbien und Frankreich und die Schilderungen seiner Frau aus Düsseldorf über die Auswirkungen des Krieges in der Großstadt sind es wert, auch für andere interessierte Menschen lesbar zu sein. Über mein persönliches Interesse hinaus am bewegendsten in den Briefen sind die Berichte meines Großvaters von den Schlachtfeldern bei Verdun, wo er schließlich am 23. Mai 1916 im Alter von 33 Jahren sein Leben verlor. 100 Jahre später habe ich die Orte in Frankreich besucht, von denen Hans in den Briefen berichtete, um mir selbst ein Bild zu machen. Noch heute sind die Verwüstungen und Spuren der damaligen Kämpfe sichtbar, ein Mahnmal für uns Nachgeborene.

Kontakt:
Emailadresse : gitta [dot] pokladek [at] web [dot] de
Telefon: + 49 2102 18213

Auszüge aus den Briefen von Hans Sievers

Hans an Margarete – Frankreich 10. Februar 1916

Liebe Gretel!
Alle guten Wünsche für dich und die Kinder. Heute erhalte ich nun die erste Post und zwar eine Karte von Max Kuhn und eine Karte sowie Päckchen von Emilie. Beide gratulieren mir zu der kleinen Tochter, worüber ich mich sehr wundere, da ich von diesem Zuwachs, resp. von dem Ereignis nichts wußte. Wie ich Dir vom Rhein aus schrieb, habe ich seit dem 28.1. keine Post mehr erhalten. Nun hoffe ich ja daß ich morgen auch deine Post erhalte. Da uns Heute Nachm. um 4 Uhr bekannt gegeben wurde, daß wir wieder Post abgeben können, da will ich Dir dann auch sofort eine Nachricht geben. Also mein Leib hat die Sache nun glücklich überstanden, wenn nur die Backe für Dich keine späteren Folgen mehr hat. Schone Dich nur, so gut es geht. Ich denke nun, daß ich morgen Deine Nachricht erhalte. Wir fuhren über Bonn, Cöln, Aachen, Lüttich nach Frankreich. In Landrecies wurden wir ausgeladen, am Sonntag gegen 11 ½ Uhr dann gab´s gleich einen Marsch von 16 km mit über vollen Gepäck und nach einer Fahrt von 5 Tage und 5 Nächte nun kannst Du Dir wohl denken, wie uns dies bekam. Nun gings in die Richtung Le Cotteau-Arras. Den Ort wo wir liegen, dürfen wir nicht angeben. Nun bin ich gespannt auf Deine Nachricht, wie alles hergegangen ist. Hat Gertrud meinen Brief erhalten, ich habe ihr geschrieben, sie möchte mir eine gute Karte von Belgien und Frankreich senden, sowie einen  sehr guten Sprachführer für Soldaten (frz) nun möchte ich noch dazu den kleinen Sprachführer (frz.) von Meyer (Verlag des Bibel Institut. Leipzig). Gertrud hat Denselben wieder auf Lager. Emilie sandte mir in dem Päckchen einen Kuchen, kam aber sehr zerbröckelt an. Max Kuhn ist als arbeitsverwendungsfähig entlassen worden. Nun müssen wir mal sehen, wie von hier aus die Post arbeitet. Heute kann ich Dir nicht viel schreiben, da wir unsere Sachen für den Apell in Ordnung zu bringen haben. Werde Dir aber morgen Deine Briefe sofort beantworten und zwar ausführlich. Diese Zeilen schreibe ich hier auf einem Speicher in einer Wirtschaft, bei mächtigem Kanonengebrüll.

Sei Du und die Kinder Gott befohlen.

1000 Grüße und Küße für Euch.
Dein Hans

Margarete an Hans – Düsseldorf 13. Februar 1916

Mein herzlieber Schatz!
Heute Morgen mein Lieb habe ich deine lieben Briefe vom 10 und 11/2 erhalten und habe ich mich sehr darüber gefreut, die Briefe haben mir über meinen sehr schweren Tag hinweggeholfen mein Lieb heute war Taufe Schatz und hatte ich Mama und Josef als Paten. Fritz konnte leider kein Urlaub bekommen es hat Josef ihn vertreten. Und daß Emilie die Patenschaft angenommen hat, hatte ich dir wohl schon geschrieben, doch konnte sie nicht selbst kommen, Emilie hat ein Taufmützchen geschickt und einen Kuchen und von Cranenburg erhielt ich ein Kleidchenund Mützchen fürs Kind. Nun der Tag ist nun glücklich vorbei. Mama und Gertrud waren auch gekommen, ich hatte Herr Jester auch eingeladen, doch war er nicht gut er lag zu Bett. Mir hat mein Lieb gefehlt, wenn jetzt anschellt denkt man immer, mein Schatz wäre, doch bin ich merklich neugierig ob du auch kommst, am schön. wäre es doch Lieb. Mir geht’s Gott dank gut und das Kind gen ist lieb und artig und habe ich heute in Folge der Aufregung die gräßlichsten Kopfschmerzen und will auch jetzt gleich zu Bett gehen, und dir dann Morgen noch schreiben.

Für heute mein Lieb
1000 tgl. Grüße und Küße deine tr. Gretel und Kinder.

Hans an Margarete – im Felde, den 8. März 1916

Liebe Gretel!
Wie ich Dir schon schrieb, bin ich gut angekommen. Hatte von der Bahnstation noch 11 Km zu laufen u. fand Gottdank sofort die Kompanie. Es ist nämlich gräßlich, wenn man so lange die Truppe suchen muß. Nun gab’s ja ein großes Fragen, man konnte ja nicht genug Antwort geben. Vom Feldwebel wurde ich mit den Worten begrüßt, na, wie war’s bei
Muttern, haben sie ihren Zweck erreicht? Als erstes hatten wir über uns eine Fliegerbeschießung, im übrigen ist hier viel Art.feuer.
Die Infanterie hat hier ziemlich Ruhe. Als das Reg[iment] hier ankam, soll die 7. u. 6. Komp. gleich 5-6 Verwundete durch Granatfeuer gehabt haben. Nun Liebe, denkst Du wohl noch oft an die schöne Urlaubszeit. Ich hatte aber auch wirklich Glück, daß das Gesuch durchging. Nun bin ich auf einmal in der Kompanie berühmt geworden. Jeder kennt meinen
Namen. Ich bin nur froh, daß ich den Sonntag noch dortgeblieben bin, jedoch tut es mir leid, daß ich nicht noch einen Tag länger geblieben bin, denn es wird mit der pünktlichen Rückkehr gar nicht so genau genommen. Und schön waren doch die Tage. Wie geht es Dir u. den Kindern, fragen die Jungens noch viel nach mir? Die Bilder schickst Du mir wohl zu, bin neugierig, wie sie geworden sind. Liebe, sende mir doch auch bitte weiter die Zeitungen, wir hören hier zwar jeden Tag die neuen Heeresberichte, doch dies ist auch alles und dabei ist man so gespannt auf Nachrichten. Dann Schatz, möchte ich, falls die Bilder gut sind, an folgende je eins senden: Mama u. G[ertrud], Fritz, Ludwig, Lob, Grama, Zesters, Her.
Dickerhoff, Christiansen, Bersticker, Rektors, also sende mir mal je 1 Dtz. zu. Falls Dir noch jemand einfällt, an den ich senden soll, so gib mir dies bitte an und sende entsprechendes Bild mehr.
Auch möchte ich Dich bitten, mir folgendes zu senden: 2 Pakete Kiepenkerl, für 10 Pf. Mentolin, sonst nichts. Mit der Sendung an den Feldw[ebel] warte noch einige Tage, ich werde Dir darüber noch Näheres schreiben. Hast Du auf die von mir geschriebenen Geschäftsbriefe schon gute Antworten erhalten? Ich hatte die Aufstellung für Saenger gemacht, sie muß bei den Akten im Schränkchen des Schreibtisch liegen. Lasse diese bitte, damit sie recht deutlich ist, auf der Schreibmaschine schreiben mit 2 Copien. Werde dir dann einen Begleitbrief dazu schreiben, damit Du dieselben dann mit der Aufstellung absenden kannst, aber noch besser ist es, Du läßt den Begleitbrief auch mit der Maschine schreiben, also warte, bis Du denselben erhältst. Die Post läuft hier bis zur Front 4 Tage, drum ist es gut, wenn Du meine Sachen so absendest, daß dieselben noch am Abend aus dem Kasten geholt werden.

Für heute Dir u. den Kindern herzliche Grüße u. 1000 Küße,
Dein Hans

Cumières-le-Mort-Homme
Brief Margarete an Hans – Düsseldorf, den 11. März 1916


Mein herzlieber Schatz!
Morgen Abend mein Lieb sind es 8 Tage, seit mein Schatz wieder abgereist ist. Schön waren die Tage u. Stunden deines Hierseins, hätten sie doch nie zu enden brauchen, doch müssen wir uns in Geduld fügen u. hoffen wir doch, dass bald, recht bald die Zeit kommt.
Lieb einen Brief habe ich bis heute von dir noch nicht erhalten, wohl die beiden Karten von der Reise, von Köln u. Nesle. Ich hoffe auf morgen, Nachricht von dir zu erhalten. Ich habe dir gesandt diese Woche 1. die Handschuhe, dann ein Päckchen mit Leberwurst, deine Halsbinder u. Suppenwürze , versuche doch mal, ob das nicht besser ist für in dein Essen
wegen dem Auflösen, als die Würfel. Doch kannst du wohl beides gebrauchen. Lieb gestern nun habe ich endlich meine Drucksachen bekommen um 9 Uhr abends. Sie werden erst gegen 8 Uhr fertig u. habe ich die beiden Mädchen zusammen geschickt sie holen, damit ich gestern Abend noch fertig packen konnte. Drum konnte ich dir auch nicht schreiben, ich bin erst um ½ 1 Uhr zu Bett gegangen. Unser Titi macht sich jetzt anscheinend durch die Spritze besser, es hat jetzt jeden Tag Stuhl u. wird das andere dann auch kommen. Morgen will ichs denn noch mal wiegen, ich denke, daß es zugenommen hat. Dann habe ich dir noch im Brief die Postkarten ca. 7 Stk. gesandt u. ein weißes Hemd, auch per Brief. Hoffentlich bekommst du alles richtig. Lieb ich will dir jetzt jede Woche eine Wurst schicken, wie oft soll ich dir die Marmelade schicken? Ich denke daß ich dir auch diese Woche welche schicken werde, denn ehe du es dort hast, vergehen doch wohl mehrere Tage, achte doch bitte mal, wie lange die Päckchen unterwegs sind. Lieb ich bin jetzt abends immer so müde u. habe in Folge dessen wenig Zeit, um an den Papieren zu arbeiten, das macht wohl das Frühjahr, jedoch sagt mir jeder, ich sähe sehr gut aus. Es ist aber auch gut, dass ich das Malztropon habe, fast hätte ich das nicht ausgehalten, das Kindchen so 6 mal am Tage immer eine halbe Stunde lang an der Brust. Es wirkt doch auf die Milch ein. Es ist auch jetzt gut, denn es trinkt auch mehr als bisher, ja die 6 ersten Schlafwochen sind um u. brauchts auch mehr. Ich habe mir gestern 2 neue daher wieder geholt. Lieb wegen Riekes Schulgeld musst du mir jetzt eine Bescheinigung schicken, dass du seit 31. Juli einberufen bist. Für Juli bekomme ich dann auch vergütet, vierteljährlich 11 Mk. u. wäre dann nur 4 Mk. vierteljährlich
zu zahlen. Dann brauch ich noch den Geburtsschein, welchen ich auch bekommen habe u. dann muss ich noch mal zur Bahnstr., die besorgen das hier fürs Reg[iment]. Weitere Papiere brauche ich nicht. Schatz jetzt scheint sich Herr Dr. Bornekam eines besseren bedacht zu haben, war heute hier u. kaufte sich ein Portmonai 6,50, eine Fl. Tinte 2,50 u. ein gr. Federn 2,50, was ich ihm nächste Woche besorge. Nun es ist gut, wenn wir es so hinter uns haben, wenn du wieder hier bist. Er sagte, schreiben sie es auf mein Conto, hat aber sonst nichts gesagt. Er hätte auch noch lange warten können, wenn er nichts kaufen wollte. Sonst mein Lieb nichts los.
Ich will schließen mein Lieb für heute mit 1000 hrzl. Grüßen
u. Küssen auch von den Kindern deine treue
Gretel

Seit gestern fangen die Kleinen an, nach dem Papa zu fragen, der Ludwig bes. Heute waren Soldaten im Laden, da schaute aber Arnold u. gab immerzu Händchen u. sagte auch nachher Papa, als sie fuhren.

Brief Margarete an Hans – Düsseldorf, den 15. März 1916

Mein herzlieber Schatz!
Anbei sende ich dir mein Lieb nun Wurst, lasse sie dir gut schmecken u. schreibe mir, ob dieselbe gut war. Mit der Butter hat man jetzt kein Glück, auch ohne Karte darf keine mehr abgegeben werden, es steht sogar Strafe drauf. Wenn es sein sollte, dass ich pro Person 100 Gramm bekomme, so erhalte ich ja 700 Gramm u. sende ich dir davon ½ Pf. Jetzt von nächster Woche ab gibts Butter u. Fettkarten, vielleicht bekommt man’s dann besser. Deine Briefe vom 10. u. 11. habe ich heute zusammen erhalten u. habe ich mich sehr darüber gefreut. Lieb gehen die Päckchen nun ebenso schnell als die Briefe?

Für heute 1000 hzl. Grüße u. Küsse auch von den Kindern
deine treue Gretel

Verfallener Schützengraben im Rabenwald
Hans an Margarete – im Felde, den 18. März 1916

Lieb!
Heute erst komme ich dazu, Dir einen Brief zu schreiben. Ich weiß ja, wie Du auf Nachricht gewartet hast, die Post war für uns wieder gesperrt. Wir sind wieder von der Front zurück in unser früheres Quartier, von wo aus ich s..Z. [seiner Zeit] in Urlaub kam. Nun haben wir wieder etwas mehr Ruhe. Vorne mußten wir jeden Augenblick bereit sein. Am Sonntag Abend, gegen 10 Uhr begann unsere Artillerie ein Trommelfeuer gegen die Franzosen, durch dass die Nerven gereizt wurden, es war ein schreckliches Feuer, ca. 7 Stunden lang. Gegen 1 Uhr kam zu uns Alarmbefehl. Montag waren wir im Graben, als plötzlich 2 Flieger über uns kamen, nun ging das Donnern los. Einige Granaten gingen ca. 500 Meter von unserem Graben nieder, so dass wir nur lachten. Vorne ist alles gut für uns verlaufen.
Leberwurst, Halsbinde u. Maggi habe ich erhalten, ebenfalls die Zeitungen, vielen Dank für alles. Die Verschleppung der Drucksachen ist sehr unangenehm, hast an Mat. (?) einige Zeilen geschrieben? Du fragst an, ob Du mir jede Woche Marmelade senden sollst, wenn es Dir möglich ist, wäre ich Dir dankbar. Die Briefe u. Ztg.[Zeitungen] gehen nun sehr schnell (2 Tage), so erhielt ich die Ztg.[Zeitung] vom 15. bereits am 17. Lieb, Du schriebst mir, Du müsstest noch mal zur Bahnstr., die besorgten das fürs Reg[iment]. Was meinst Du damit?? Mit Dr. B. mußt Du vorsichtig sein. Wenn er Ware kauft, schreibst Du ruhig an, aber gib keine Erklärung
dazu. Auch wenn er Rechnung verlangt, oder Dir Rechnung sendet, so verrechne auf keine Art, sonst kann er evtl. den Rest einklagen gegen Dich, da Du dann die Schuld anerkennen würdest, also vorsichtig. Evtl. mich erst befragen. Wegen der Bescheinigung wegen Eintritt bei Mil[itär] habe ich die nötigen Schritte unternommen. Nun will ich Dir noch Deinen Brief vom 13. beantworten. Es freut mich sehr, dass es Dir u. den Kindern gut geht, wünsche Euch auch fernerhin nur Glück u. Segen. Schone Du Dich nur mehr, Du mußt unbedingt früher zu Bett gehen. Deine Gesundheit ist auch die der Kinder. Lieb, wenn Du an den Sonntagen, wenn Maria Ausgang hat, allein bist, so frage doch Auguste oder die andere, ob sie wohl mit Euch zum Volksgarten gehen will, es ist doch für Dich so besser.
Liebe ich habe nun auch an die Stadt wegen Milchkarten u. an eine Stiftung geschrieben für Dich. Dass Du ans Regiment schreibst, hat gar kein Zweck, also lass es bitte. Wegen meinem Schreiben an die Cecilien Stiftung gib mir bitte die genaue Adresse an. Hast Du von Ludwig Zusage erhalten? Ich werde heute auch an alle schreiben und mein Bild mitsenden. Ludwig schickte mir gestern 10 Cig[arren] u. 50 Cigaretten (gute zu 3 1/2 Pf.)
An Gertrud u. Traudchen Z[ester] konnte ich wegen der Postsperre nicht schreiben, hole es heute nach. Sende Dir aber die Briefe und Photografien und besorgst du sie hier mit einem passenden Rahmen, auch an Josef. Wie hat es mit Schöne gegangen? Beantworte mir diesen Brief bitte möglichst genau, da ich viele Fragen gestellt habe.

Dir u. den lieben Kindern herzl. Grüße u. 1000 Küße,
von Deinem Hans

Hans an Margarete – im Felde, den 29. März 1916

Liebe,
Deine Briefe vom 22. + 26. habe ich erhalten, ebenso die Päckchen bis No. 4. Die Blutwurst u. Rollmöpse waren sehr schön, nur waren die Rollm. zu teuer, es sind nur 5 Stück in solcher Dose. Für uns wurde Mittwoch verg. Woche, als ich gerade die Briefe abges. hatte, die Post wieder mal gesperrt. Freitag Mittag 12 Uhr marschierten wir zur Bahn, um 2 Uhr ging der Transport ab, bis 9 Uhr Bahnfahrt, dann noch Marsch bis gegen 2 Uhr nachts. Um 2 Uhr bezogen wir Quartier in einem verlassenen Ort. Lagen die Nacht kalt auf einem Steinboden ohne Stroh. Um 7 Uhr früh ging der Marsch weiter bis gegen 3 Uhr Nachm. Halbtot bezogen wir Quartier.
Beim Essenempfangen bekam ich einen Ohnmachtsanfall. Doch ging es bald wieder besser. Wir liegen nun weit südlicher, doch ist es streng untersagt, nähere Angaben zu machen. Lt. Divisionsbefehl wird man evtl. vor ein Kriegsgericht gestellt. Wenn es mir mögl. ist, gebe ich weitere Nachricht. Mach Dir, meine Liebe, keine Sorge um mich, es geht mir z. Zt. noch gut. Nun will ich Dir Deine Briefe so weit wie mögl. noch beantworten. Also Liebe, Photographien habe ich nun mal genug. Die Sendung an den Feldw. ist abgegangen, hoffentlich habe ich Glück dadurch. War der Betrag von Saenger nicht mehr? Es müssen 2 Seiten voll gewesen sein. Wie ist die Rücksendung der Sträußchen geworden, hat Falke diese angenommen? Hast Du Dr. Eich wegen Deiner Nieren noch mal gesprochen? Mein Reg[iment] ist nicht Bay. sondern gehört zu Braunschweig, Das ist das Herzogtum, wohin die Tochter des Kaisers verheiratet ist. Die Namenstagsbriefe habe ich doch direkt gesandt und wirst Du dies wohl auch inzwischen schon erfahren haben. Lieb, mehr wie 5,- [Mk.] konnte ich Dir nicht senden, da ich mir Verschiedenes kaufen mußte! Am 1. werde ich Dir, wenn mögl. die 5,- [Mk.] Löhnung senden. Die Nachricht, man dürfe nichts mehr an Truppen ins Feld senden, ist erfunden. Alle Sendungen gehen wie bisher glatt durch, siehe beiliegenden Zeitungsausschnitt. Sage Mama dies bitte auch. Frau Rektor habe ich zum N.T. [Namenstag] nicht geschrieben, werde aber dieser Tage auch dorthin eine Karte senden. Wir haben auch wieder 5-6 Tage Schnee gehabt u. nun starkes Regenwetter. Alles nichts für hier. Hoffen wir, daß die Sache bald ein Ende nimmt und wir den siegreichen Schluß.
Menne habe ich zum Namenstag ganz vergessen. Die Karte zum Schulanfang sende ich heute ab. Eine Rekl. für meine Weihnachtssendung werde ich Dir vorschreiben u. gibst Du diese dann dort zur Post. Taschenspiegel für mich soll so zu 10-20 Pf. sein, aus Blech mit Deckel.
Wenn die Bilder von Bong ankommen, klebst Du nur eine andere Adresse darauf u. sendest mir dieselben in einer Papprolle zu. Die Osterkarten sind gut, jedoch noch etwas früh, wenn mögl. besorge von Rings oder Eyfried die Patr. Karten zum 5 Pf. Verkauf, die kann ich sofort absetzen. Du fragst nach unserem Quartier, da muß man noch froh sein, wenn man überhaupt Stroh zum Lager hat. Meine Kleider habe ich seit Düsseld. noch nicht wieder ausgehabt. Die Sache mit der Bestrafung (6 u. 10 Monate) ist uns heute beim Apell bekannt gegeben worden u. heute erfahre ich dieselbe Sache auch aus Deinem Brief. Lasse die Sache mit R u.E.[Robert u. Emilie] doch laufen, ich schreibe auch nicht mehr an Emilie. Du mein Lieb, regst Dich über solche Sachen viel zu viel auf.
Sie können uns doch alle ————————— Ich finde doch wohl noch mal Gelegenheit zur Abrechnung.
Nun habe ich noch etwas auf dem Herzen. Im Schrank oder Badezimmer hängt eine weiße Militärjacke, daran sind die Knöpfe mit Ringen festgemacht, mache die Knöpfe bitte alle los und sende die Ringe ohne Knöpfe an mich. Ich will damit meine Knöpfe festmachen, da dieselben immer abreissen. Falls unter den Knöpfen so kleine Lederstückchen sind, sende mir dieselben bitte mit, sonst ein defektes Lederportemonnaie, welches ich zerschneiden kann um zwischen Rock u. Ring ein Stückchen Leder zu legen, wegen dem Ausreissen. Dann erbitte [ich] eine große Dose Stiefelfett. Kaputte Strümpfe sende ich als Feldpostpäckchen im Karton, welche ich dann zurück erbitte.

Für heute herzl. Grüße, 1000 Küße u. gute Wünsche für Dich u. unsere Lieben,
Dein Hans

Hans an Margarete – Frankreich, den 13. April 1916

Liebe Gretel,
Meine in Eile geschriebene Karte vom 10/4. hast Du wohl schon erhalten. Ich hatte Dir u. Mama nur geschrieben und da wir Dienstag früh abmarschierten, war die Post wieder gesperrt, die Karten gab ich einem Soldaten beim Durchmarsch durch ein Dorf. Deinen Brief vom 8/ 4. erhielt ich am 12/ 4., herzl. Dank dafür. Also den Brief vom 30/ 3. hast Du erhalten, man hat nur auf diese Weise Gelegenheit, mal etwas Ausführliches zu schreiben. Ueber unsere Bewegungen zu schreiben ist untersagt bei Strafe. Du kannst Dir aber schon denken wo wir hier sind.
Du schreibst über Verlangen nach Frieden, den Wunsch hört man auch hier allgemein und vor allen Dingen glaube ich, daß die Vorgesetzten die Anforderungen, die an die Truppe gestellt werden, nicht so recht schätzen können. Wir sind doch durchweg ungedienter Landsturm, alle wegen irgend einem Leiden in Friedenszeit zurück gestellt. Dies findet aber keine Beachtung, von aktiven Truppen kann man wohl kaum mehr verlangen, als man von uns verlangt. Die eiserne Disciplin hält alles hoch.
Es freut mich Deine Mitteilung, daß es Dir u. den Kindern gut geht, hoffentlich auch geschäftlich. Schläft die Kleine noch so gut wie bisher? Daß Du wenigstens die erforderliche Nachtruhe hast.
Frl. Zester’s Augenleiden ist also doch nicht ohne Operation fort gegangen. Von Mama u. Gertrud erhielt ich heute eine Dose Marmelade, von den letzten Sendungen hatte ich Dir bereits geschrieben. Von der Teuerung der Straßenbahn hatte ich bereits in der Zeitung gelesen, was kostet denn nun Rieke’s Schülerkarte, ist die auch teuerer geworden? Die Bilder von Bong habe ich noch nicht erhalten, hast Du mal dahin geschrieben? Hast Du für’s Geschäft keine neuen Osterkarten angeschafft? Wenn Du u. die Mädchen Zeit haben, so denkt auch noch mal an die vielen Musterkarten, die im Badezimmer liegen, d. h. während ich dies schreibe, fällt mir ein, daß es besser ist, wenn die Mädchen nicht daran arbeiten. Die 2 Blechbüchsen habe ich in einem Quartier liegen lassen, als wir plötzlich weiter vorrückten, da sie leer waren und man sowieso genug im Tornister hat. Sieh doch mal nach, was in den Putzkästen alles drin ist, ich meine, da müßten auch noch Blechdosen drin sein. Die Marmelade in der Pappdose ist sehr gut angekommen, nur die Muscheln nicht. Am Montag Abend beim Packen erhielt ich auch einen Brief von Maria u. Fritz mit beiliegendem Bild, werde heute auch dahin schreiben. Wenn es geht, sende ich morgen die Sachen ab. Morgen denke ich auch von Dir einen Brief zu erhalten, den ich Dir dann sofort beantworten werde. Man muß nun jede Gelegenheit zum Schreiben benutzen, da man nie weiß, wo man sich anderen Tags befindet. Anbei sende ich Dir die Mk 5,- der letzten Löhnung, da ich hier doch nichts kaufen kann. Dann Lieb, die letzte Wurst war nicht schön, ich glaube, die ist zum Braten oder Kochen.
Nun Lieb, für heute genug, möge es Dir u. den Kindern fernerhin auch recht gut gehen. Gebe Gott, daß hier alles gut abläuft und die Sache bald ein gutes Ende nimmt.

Dir u. den Kindern herzl. Grüße u. tausend Küße von Deinem
d. l. Hans

Hans an Margarete – Frankreich, den 22. April 1916

Liebe Gretel!
Ich will Dir u. den Kindern in Eile noch einige Zeilen schreiben. Hoffe, daß es Euch noch gut geht wie bisher. Von Freitag mittags 12 Uhr bis heute mittags 12 Uhr bin ich auf Wache (Schleusenwache an der Maas). Gestern Abend hat unsere Art[illerie] wieder mehr denn je gearbeitet. Heute Abend sollen wir, wie es heißt, in Stellung. Da kannst Du Dir wohl denken was ich für schöne Ostertage habe. Dabei hat der Himmel seine Schleusen geöffnet und sendet, was er nur senden kann. Anbei Mk 7,- , den Empfang bitte bestätigen.

In Eile Dir u. den Kindern herzl. Grüße, die besten Wünsche u. 1000 Küße v. D.
Hans

Margarete an Hans – Düsseldorf, den 29. April 1916

Mein herzlieber Schatz.
Hoffentlich geht es dir mein Lieb noch immer recht gut u. hoffe ich in den nächsten Tagen Nachricht von dir zu erhalten. Mein Herz das bangt um dich mein Lieb, ach wäre doch nur dieser furchtbare Krieg zu Ende und mein Lieb schreibe doch bitte so oft du Gelegenheit hast, wenn auch nur einige Zeilen, es ist so furchtbar dich in Gefahr zu wissen mein Lieb.
Lieb die 4 Päckchen habe ich von dir erhalten, im ersten Augenblick bekam ich aber einen Schrecken, ich dachte mein Päckchen wäre zurückgekommen. Das Gefühl kann ich dir kaum beschreiben Lieb, doch sah ich gleich meinen Irrtum was gut war. Lieb inzwischen hast du hoffentlich die verschiedenen Päckchen erhalten. Morgen sende ich eine Dose Marmelade, erbitte die leere Dose zurück, dann 2 Päckchen Tabak u. will ich sehen, was ich sonst noch sende. Lieb das Kommuniongeschäft läßt aber sehr zu wünschen übrig, so hätte ichs mir aber im schlimmsten Falle nicht gedacht, und dadurch hat dein Gretel jetzt mal wieder was zu schaffen. Ich glaube in unserer Nachbarschaft sind kaum Kinder die mitgehen u. das machte ja viel aus. Doch nun mein Lieb für heute muß ich Schluß machen denn ich habe noch vieles für morgen zu sorgen, damit der Brief heute Abend noch fortkommt. Hoffen wir auf ein baldiges frohes Wiedersehen.

Mit 1000 hzl. Grüßen u. Küßen auch durch Arnold [u.] Ludwig verbleibe ich deine dich herzinnig liebende Grete.

Lieb hoffentlich konntest du auch mein Lieb den Brief lesen, denn die Stropp, ich mußte machen, daß ich fertig werde u. ins Bett gehen.
Nochmals hzl. Grüße u. Küße deine treue Gretel.

Entschuldige die Schrift es ging in Eile

Rabenwald
Französische Feldpostkarte – Gräben im Rabenwald
Hans an Margarete – 06. Mai 1916

Liebe Gretel!
Dir u. den lieben Kindern herzl. Grüße. Deine 2 Briefe sowie Päckchen habe ich erhalten, herzl. Dank dafür. Schwer waren die Tage seit Ostern, am schwersten aber die Ostertage selbst. So mancher Kampfgenosse mußte sein junges Leben lassen. Mir geht es noch gut, habe bis heute alles glücklich überstanden, werde dir so bald wie möglich ausführl. Brief schreiben, da mir dies hier im Erdloch am Rabenwald, in dem ich augenblicklich liege, nicht möglich ist. Am Sonntag bekamen wir die erste Post, alles auf einmal.

Grüße alle von mir u. empfange du sowie die Kinder herzl. Grüße u. Küße
v. D. Hans

Hans an Margarete – 09. Mai 1916

Liebe!
Nun habe ich kurze Zeit und will Dir kurz Deinen Brief vom 2/ 5.5. beantworten. Sitze in einem Unterstand, 10 Mtr. unter der Erde bei Kerzenlicht, oben schlagen die Granaten ein, dumpfe Schläge erschüttern die Erde. Für Deine Briefe herzl. Dank.
Deine Sorge kann ich mir lebhaft vorstellen, aber leider geht es nicht anders, kann Dir nicht so oft Nachricht geben, wie ich möchte. Ich lebe noch u. den Umständen gemäß geht es mir noch gut. Vergeßt das Beten nicht, es ist hier schrecklich. Wenn ich morgen Gelegenheit habe, werde ich Euch die Wochen schildern. Hier nun Antwort auf Deinen Brief. Deine Päckchen, die Du anzeigtest, sind angekommen, zuletzt Tabak. Marmelade noch nicht, ist wohl später abgesandt? Wie lange die Post bis hier geht, läßt sich nicht prüfen, da die Post hinter der Front bei der Schreibstube eingeht, u. von dort bei Gelegenheit vorgebracht wird. Die erste Post erhielten wir Sonntag nach Ostern, seither noch 2x, die Mk 11,- wirst Du wohl im Brief erhalten haben? Von Maria u. Fr[itz] erhielt ich 1x Heringe in Tomaten u. 2 P. Tabak. Lieb, ich hatte Dir doch geschrieben, Du solltest mir keinen Grobschnitt mehr senden, den bekomme ich von der Komp[anie] gratis, wenn auch nicht so gut.
Es freut mich, daß Gertrud Dir die Arbeiten macht, ob sie alle Konten eintragen soll, die Entscheidung überlasse ich Dir. Evtl. lasse Schmidt & Co. fort, u. lege Du das Konto später selbst an. Es ist schade, daß das Ostergeschäft für Dich nicht besser ist.
An Grama werde ich auch schreiben. Mit dem Los viel Glück. Daß es Dir u. den Kindern gesundheitlich gut geht, freut mich am meisten. Das Wetter ist seit Ostermontag auch hier Gott Dank trocken, nur die Nächte sind noch kühl und dabei immer 2 Stunden auf Posten, 25 Mtr. vor den Franzosen. Für die Sache von der Liebestätigkeit habe ich gesorgt, wenn der Gutschein alle ist, wende Dich wieder an die Adresse. Wenn Gertr[rud] abends zu Dir [kommt], wird sie wohl bei Dir essen. Mußt mal sehen, wie Du dies gut machst.

Nun muß ich leider schließen. Empfange 1000 herzl. Grüße, Küße u. Wünsche, für Dich u. die Kinder sowie alle von Deinem d. l. Hans

Verfallener Schützengraben im Rabenwald
Hans an Margarete – 13. Mai 1916

Karfreitag: Freitag, der 21.04.1916
Ostersonntag: Sonntag, der 23.04.1916
Ostermontag: Montag, der 24.04.1916

Meine Lieben!
Wie ich Euch schon schrieb, stand ich Freitag vor Ostern, bis Samstag (25 Stunden) auf Wache, dann kam der Befehl, fertig machen zum Abmarsch. In aller Eile wurde alles gepackt, Zeit zum essen hatten wir nicht mehr, und um 5 Uhr rückten wir vor. In welche Stellung es ging, wurde uns nicht gesagt. Wir marschierten nun der Maas entlang bis 9 Uhr, dann gab’s noch Kaffee u. Brot und um 10 ½ Uhr marschierten wir weiter. Vom zerschossenen Bahnhof Consenvoije ab, mußten wir im Gänsemarsch weiter gehen, da hier bereits feindl. Art.feuer einsetzte. So gingen wir bis Forges, ein vollständig in Trümmer geschossenes großes Dorf. In den Straßen ein Granatloch neben dem anderen und jedes voll Wasser. Hier u. da Kadaver von Tieren u. Leichen. Im Dorf keine Menschenseele mehr. So gingen wir nun in tiefster Dunkelheit bis zu einem Geheimgang welcher zum Laufgraben unserer Stellung führt. War schon der Weg u. die Straßen im Dorf voller Wasser, so aber erst recht der Laufgraben. Bis zu den Knien liefen wir im Wasser, welches sich in den Regenwochen dort angesammelt hatte, ohne Abfluss zu finden, die Stiefel standen voller Wasser. In diesem Zustand kamen wir Nacht[s] 3 Uhr am Fuße des Rabenwaldes an. Die Franzosen hatten wohl die Wiesen, durch die der Laufgraben führte, unter Feuer genommen, ohne uns aber Verluste beizubringen, da wir tief im Laufgraben gingen. Naß u. müde blieb unsere Komp. nun den Sonntag u. die nächste Nacht gefechtsbereit in Reserve, während die 5., 6., 7. Komp. den I[inken] Graben bezog und dort das I. Bat. ablöste. Der Ostersonntag brachte, Gott sei Dank, besseres Wetter, der Regen hörte auf, die Sonne kam kurze Zeit durch u. der Wind trug zum Trocknen bei. In der Nacht von Sonntag zu Montag griffen die Franzosen ein Grabenstück an, welches die 5. Komp. besetzt, resp.vom I. Bat. übernommen hatte. Es war dies ein Grabenstück, welches den Franzosen einige Tage vorher vom I. Bat. entrissen war. Es war kein ausgebauter Schützengraben mehr, sondern durch starkes Art.feuer, bei hin u. her wogendem Kampf vollständig
zerschossen, sozusagen ein Granatloch am anderen, die 5. Komp. konnte den Graben in der Nacht nicht halten. Am Montag früh wurde die 8. Komp. zur Verstärkung der 5. vorgezogen. Der Tag verlief vollständig ruhig, außer dem übl. Art.feuer. Gegen 5 Uhr wurde der 8. Komp. bekannt gegeben, daß das, in der Nacht von der 5. Komp. verlorene Grabenstück gegen 8 Uhr abends von unserer Komp. gestürmt werden sollte. Wir machten uns fertig zum Sturm und stellten uns in einem Graben auf, um durch eine, am Tage von Pionieren geschaffene Sappe durchzubrechen.
Die Spitze bildeten Pioniere mit Flammenwerfer Ap[p]arate[n] (Es sind dies Ap. in der Art, wie man an der Mosel diese Vitriolspritzen für die Weinberge hat, nur schwerer.
Diese warfen Feuerflammen gegen die franz. Stellung, dann folgte eine Pioniertruppe mit Handgranaten, dann ein Teil unserer Komp., die nur Handgranaten warf (übrigens eine furchtbare Waffe) und dann folgte die Komp. ganz. Gewehr auf dem Rücken und jeder 6 Handgranaten am Koppel. Das Trommelfeuer unserer Art[illerie] begann 40 Min. vor der für uns festges. Zeit gegen die franz. Stellung, gleichzeitig setzte aber auch gegen unsere Stellung ein franz. Art.feuer ein, so daß mir schon ein leises Ahnen kam. Zur festgesetzten Zeit setzte sich unsere Spitze in Bewegung und war gerade in der Sappe, als die Franzosen bereits gegen uns stürmten. Die Flammenwerfer wurden getroffen, das Feuer flog einher, so daß mancher von uns getroffen wurde. Es entspann sich ein gewaltiges Gewehr- u. Handgranatenfeuer, ein schwerer Kampf. Der, uns zuvor kommende frz. Angriff wurde abgeschlagen, aber in derselben Nacht versuchten die Franzosen noch 3x unseren Graben zu stürmen, wurden jedoch immer unter schweren Verlusten blutig zurück geschlagen. Wir bauten unsere Stellung weiter aus u. nun hieß es Wache halten.
Samstag nach Ostern sollten wir nun für einige Tage in den 2. Graben als Brigade Reserve. Kaum waren wir eine halbe Stunde im Graben, als wir, 7. u. 8. Komp. alarmiert wurden. Die Franzosen hatten die d[eu]tsche Stellung am Toten Mann, welche rechts vom Rabenwald liegt angegriffen, und wir mußten zur Verstärkung dort hin. Es war wieder ein harter Kampf. Es gab kaum ein[en] Graben, wieder war Granatloch an Granatloch. In diesen Löchern lag sich Freund gegen Feind. Gewehr u. Handgranaten Kampf tobte bis morgens früh und beiderseitiges Art.feuer überflutete den Berg. Nachdem in dem Ostergefecht unser Komp.führer, den wir seit Serbien haben, verloren ging und mancher Freund fiel, verloren wir hier den 2. Komp.führer, den Komp.führer der 7. fiel ebenfalls und Major von Alt-Hüttenheim, unser Batallionsführer. Eine Gewehrkugel traf ihn als Kopfschuß als er selbst ein Gewehr zum Schuß anlegte. Auch hier blieb mancher Freund u. Kamerad. So geht das Leben nun hier von Tag zu Tag. Weit und breit sind die Felder von Granaten aufgewü[h]lt, als ob ein Pflug zur Saat gearbeitet hätte.
Vor ca. 8 Tagen erhielt ich in der 2. Stellung den Befehl, als Führer einer Kolonne von 21 Mann zum rückwärts liegenden Pionierpark zu gehen und dort Handgranaten zu holen. Es war halbeins mittags, der Weg war ca. 1 Stunde. Wir kamen glücklich dort hin. Meine Leute empfingen je 4 Säcke mit Handgr. und wir traten den Rückweg an. Wir hatten den halben Weg noch nicht hinter uns, die ersten 5 Mann waren über den im Tal fließenden Forgesbach, als die franz. Art[illerie] uns den Weg durch Sperrfeuer verlegte. Die ersten 5 Mann konnten im Laufschritt einen Laufgraben erreichen, wogegen ich mit den Übrigen, so platt wie mögl. auf dem Bauche lag, jeder da, wo er gerade bei Einschlagen der ersten Granaten ging. In dieser Lage blieben wir, durch das anhaltende Feuer gezwungen, ca. 2 Stunden liegen. Meine Leute waren alle von dem, tags zuvor neu erhalten[en] Ersatz. Es war für diese die erste Feuertaufe. Die Granaten schlugen in so großen Mengen und so nah neben uns ein, daß man jeden Augenblick einen Treffer erwarten konnte. Wie nun aus dem Feuer raus kommen, mit den Leuten, welche in allem neu u. im Feuer ängstlich resp. unerfahren waren. Ich gab den Befehl, jeder soll sich in der Reihenfolge wie wir lagen, nach vorne bis zum Laufgraben vorarbeiten, dies war wegen der weiten Entfernung und mit den Granaten nicht möglich, denn sobald ein Mann aufsprang, um vor zu laufen schlug eine Granate ein und er lag wieder platt. Da das Feuer immer heftiger wurde und ich für die Leute verantwortlich war, gab ich den Befehl, Munition liegen lassen und auf Pfeifensignal alles auf und zurück in Deckung. So erreichten wir dann einen schützenden alten Graben, bis auf 2 Mann, welche nicht zurück konnten und bis morgens 5 Uhr in einem Granatloch bis zum Bauch im Wasser lagen. Andern Morgen um 6 erreichte ich dann erst mit meinem Trupp die Komp.. Die Beiden vorgenannten hatten Darmkat. u. Fieber, sodaß sie gleich in ärztliche Behandlung mußten. Nach solchem 3 wöchentlichen Leben u. Strapazen könnt Ihr Euch wohl denken wie glücklich ich bin, nun für die 4 Tage die genannte Wache zu haben. Man kann sich mal gründlich ausschlafen und ruhen.
Habe mich auch seit Freitag vor Ostern am 11./5. wieder mal gewaschen, zum ersten mal die Stiefel ausgezogen und vor allem kann man sich den ganzen Tag lausen. Die Läuse werden und werden nicht alle.Nur haben wir’s etwas unbequem mit dem Essen. Die Komp. bekommt durch einen Trupp von 16-18 Mann das Essen in den Graben nach vorne gebracht, ebenso Post u. Brot. Diese Essenträger gehen in der Nacht, wegen dem starken Art.feuer. Sie sind dann gegen 6 Uhr früh im vorderen Graben und um diese Zeit wird das Essen, warme dicke Suppe verteilt. Tagsüber kann man dann sein Brot essen und etwas dazu, wenn man’s hat. Jeden 2. Tag gibt es dann ein Stück Wurst oder Käse, so viel, um ein Butterbrot dick zu belegen, dazu 2 Cigarren u. 1 Cigarette für 2 Tage.
Jeden Morgen dann eine Feldflasche voll kalten Kaffee. In den 4 Tagen, daß ich nun mit dem einen Mann die Sachen bewache, muß einer von uns unsere Portion im nächsten Dorf, Consenvoye holen, das ist ca. 1 Stundeweit, also 2 Stunden laufen für Essen. Aber man macht es doch gerne, wenn man die sonstige Ruhe, die man bei dem Posten hat, bedenkt.
Der Komp.führer sagte mir auch ausdrücklich, es sei eine Auszeichnung, daß er mir den Posten gebe. Dann folgen hoffentlich die 4 Ruhetage der Komp., welche in dem vor Ostern gehabten Quartier, in Liny erteilt wurden. Was dann kommt, muß man abwarten nur auf Gott vertrauen, er hat bis hier geholfen u. wird weiter helfen. Gebe Gott, daß wir bald einen segensreichen Frieden erreichen, welcher der Menschheit wieder geregelte Verhältnisse sichert. Was unsere Truppen an der Front, nicht die in den Etappen, durchmachen können sich die daheim gar nicht ausmalen. Man glaubt gar nicht, was der Mensch aushalten kann, wenn der Zwang da ist. Ich habe in der ersten Woche z.B. trotz allen Erlebnissen, 5 Stunden geschlafen, aber nicht an einem Stück. Wie ist es dagegen, wenn man zu Hause bei geregelten Verhältnissen, mal eine Nacht auf bleibt, aber den rechten Schlaf nicht findet? Hier erst erkennt man, wie gut man es vor dem Kriege gehabt hat. Weshalb tut die Menschheit sich dieses Grauen an? Die Urheber müßten längst gerichtet sein. Nun für heute habe ich mal genug erzählt. Da ich nun nicht jedem das Nähere schildern kann, bitte ich Euch mir diese Arbeit zu ersparen und den Brief im Kreise der Familie rund gehen zu lassen.

Euch allen herzl. Grüße u. Wünsche
Euer Hans

Blick auf den Quartierort Liny-devant-Dun
Hans an Margarete – 16. Mai 1916

Lieb,
heute erhielt ich Deine Sendung, Brieftasche, Notes, Maggi, Sardellen u. die Grüße. Morgen werde ich wohl Deinen Sonntagsbrief erhalten. Heute Morgen waren wir zur Entlausung, lange wird ja die Befreiung nicht anhalten, dann sind die Viecher wieder da. Der beste Genuß war ja das Baden u. die neue Wäsche. Von Maria erhielt ich Butter u. als Auffüllung ein Ei dabei. Mit dem gesandten Leder kann ich leider nichts anfangen, wenn ich die Ringe zum Festmachen der Knöpfe nicht habe, diese besorgst Du mir wohl inzwischen. Ich habe in letzter Zeit ziemlich viele Anliegen. Wenn es auch nicht viel ist, so ist es doch immer nett, daß man etwas absetzt, man müßte nur die Sachen immer auf Lager haben.
Euch geht es wohl noch immer gut? Die Ruhe hier bekommt einem recht gut. Morgens bis 7 1/2 schlafen, dann 10 Uhr ein kleiner Apell, tagsüber macht man seine Sachen etwas in Ordnung u. sauber. Heute Nachm. habe ich ein Hemd u. meine Mütze gewaschen. So kommt ein Stück nach dem anderen dran. Die kleine Kartenskizze des Generalanzeigers sende ich Dir zurück, ——- bedeutet wo wir waren. Ob wir in dieselbe Stellung zurück kommen, ist fraglich, ebenso, wann wir wieder nach vorne gehen. Von den Notes kann ich wohl 5-10 Stück absetzen, zum Preise von 50-70 Pf., nur die feinen Sachen nicht. Die erhaltene Post sende ich Dir zurück, sollte ich nicht zurück kommen, womit man ja hier rechnen muß, so sollen vor allem meine 3 Jungen die Briefe soweit mögl. lesen, damit sie einen Einblick in
diese schwere Zeit erhalten u. ihr weiteres Leben resp. die politischen Ansichten danach richten. Liebe, eben fällt mir ein, daß ich einen Bleistiftschoner brauche, sende mir bitte einen mit, und zu den Marscopierstiften auch je Einen. Das Geweih, welches ich schickte, soll Menne als Andenken erhalten. Wenn ich wieder zu Haus bin, werde ich eine Holzplatte drunter machen, als Wandschmuck, darunter kommt
dann ein kleines Schildchen “Andenken an die Saujagt in La Berliére im Kriegsjahr 1916”. Für die Anderen werde ich wohl noch etwas arbeiten.
Nun will ich Fritz u. Maria noch einen Brief schreiben, damit alle befriedigt werden.
Drum für heute lieber Schatz Dir u. den Kindern, sowie allen herzl. Grüße u. 1000 Küße
Dein Hans

Sende mir bitte auch nochmal eine kleine Cigarrenspitze mit, so zu 30-40 Pf. die erhaltene ist entzwei.

Margarete an Hans – 19. Mai 1916

Mein lieber Schatz!

Gestern resp. Heute haben wir dir einige Paketchen geschickt u. zwar jedes Kind eins, Rieke Kuchen, da habe ich 3 Spiegelchen beigefügt, auf die Runden Spiegel mußt du halt warten bis nächste Woche, es geht jetzt leider nicht, auch die Notas.

Josef sandte eine Dose Malz Tropon Zucker Bonbons. Ludwig und Arnold je 1 Kuchen , welchen Trautchen gebacken hat, Trautchen brachte ihn mir heute, ich dachte erst nächste Woche, wenn ichs eher bedacht hätte, so hätte Rieke [ …] geschickt., doch das Paket war gestern fortgegangen, darin auch eine Dose Marmelade. Nun habe ich auch ein Päckchen mit etwas Butter, zwei Notas wie ich hier hatte, dann muß ich Morgen die Ringe noch in die Stadt holen gehen, ein paar Fuhslappen, die gewünschten Feuersteine, ich lege die 2 Copierstifte a‘ 20 d. bei [ ??? ] bekomme ich erst nächste Woche. Nächste Woche sorge ich auch noch für Karten so Gott will, es war mir diese Woche unmöglich.

Hoffentlich geht es dir mein Lieb noch recht gut, doch werden deine Ruhetage nun auch wohl wieder zu Ende sein, wo  magst du heute wieder sein Schatz, deinen Brief vom 15 geschrieben, erhielt ich bereits am 17, was ich dir ja auch mitgeteilt habe u. seitdem nichts, du hast mich die ganzen Tage etwas verwöhnt, hoffentlich kommt jetzt nicht wieder Pause, u. du wieder gleich ins Feuer, wenn das nur mal aufhörte. Lieb gestern habe ich mir von Dr. Eich noch mal Malz Tropon verschreiben lassen, er sagte das sei aber das letzte Mal, vergangenes Mal wollte er es schon nicht mehr tun, das ist dann jetzt das 4 mal, die 2 waren ohne Zahlung doch das vorige u. auch  dies mal will ich 20% zahlen, denn besser das als wenn ich überhaupt nichts bekomme, das sind also 4 x 9 M. ist 36.- davon habe ich dann 3,60 bezahlt u. das bekommt mir wirklich gut, wo ich ja nun die Milch bekomme, doch für die Milch hole ich dann ich dann nur 2 ltr. dazu für die Kinder, sonst nehme ich jeden Tag 3 ltr. u. bezahle ich dann täglich 36 Pfg. weniger.

Für einen Monat habe ich ja nun Malz Tropon, wenn der Milchbon alle ist, werde ich mich selbstverständlich wieder melden u. das Malz Tropon werde ich auch nicht aussetzen dürfen, denn das wirkt nicht alleine auf die Milch, sondern auf den ganzen Körper ein, u. die Kleine macht sich so gut und bekommt, doch nichts als die Brust u. voriges Jahr hatte ich doch im vierten Monat schon keine Milch mehr u. damals trank ich doch doppelt soviel Milch u. war es doch  auch weit besser als jetzt, also muß es doch auf das Malz Tropon zurückzuführen sein. Ich mußte gestern mit Werner zum Arzt er hat so starke Erkältung u. etwas Fieber u. muß ein paar Tage im Bett bleiben, ich muß ihn täglich 3 x Umschläge machen u. hat er noch Medicin bekommen Bronchial Katarh hat er , doch ist er munter dabei, nur etwas Fieber. Ich hatte auch mal wieder die Kopfschmerzen, doch haben mir die Pulver von gestern bis heute schon geholfen. Mama (Grama) kam gestern u. brachte glückstrahlend deinen Brief mit, den du ihr geschrieben, worüber sie sich so sehr gefreut hat, sie sagt wenn sie Nachts wach würde dächte sie immer an dich, am Sonntag habe sie auch Ostern gehalten u. für dich gebetet. Für Josef wäre es wohl auch mal ganz gut gewesen, wenn er mit heraus hätte müssen, er wäre dann auch von seinem Schlaf mal aufgerüttelt  worden, denn Josef geht doch gar nicht mehr zur Kirche, was doch sehr schade um ihn ist, er ist sonst so ein guter Junge, doch ists ja nicht anders denkbar. Lieb ich dachte heute Abend etwas von dir zu erhalten, jedoch ist der Briefträger bereits vorbei, so wird’s dann wohl Morgen früh sein, man freut sich so sehr wenn man Nachricht bekommt, du weißt wohl wie es dir ist, so ists auch uns Lieb, deinem Schatz schreibe so oft du kannst, ich bin dir für jede Zeile dankbar. Sonst reichts uns Lieb, doch gestern hatte ich eine nicht geringe Aufregung, der Ludwig war uns fortgelaufen, die Kinder waren zum Kaffee trinken hereingekommen nun sollten sie wieder ausgehen Maria putzt ihnen das Mündchen u. Händchen ab, ich hatte das Kleine, nun greucht aber Maria noch so darum, da sag ich gehen sie mit den Kindern, sonst kann eins von den Mädchen gehen, da ging sie dann u. sie will die Kinder in den Wagen setzen u. der  Ludwig ist nicht da meinen Schrecken kannst du dir wohl vorstellen, Mama war gerade hier, ich gebe ihr schnell das Kleine u. gehen wir zu 3 auf die Suche alle Strahsen ab u. denkste dir dein Junge war schon bis auf der Oberbilker Allee, kannst du das für möglich halten, er sagt er wolle bei dem Puff Puff gehen, u. dabei sind die Kinder wie auf der Strahse als wie im Wagen, nun müssen wir jetzt arg auf der Hut sein, denn Arnold macht sogar die Privattüre auf, denn bei einigermaßen guten Wetter sind sie  wenn  mit einem der Mädchen im Wagen auf die Strahse, dann sind sie versorgt, doch die Kinder haben ja einen guten Schutzengel , denen passiert so leicht nichts. Olga war heute hier mit der Kleinen, sie ist bei Dr. Eich geimpft worden, das Kind ist richtig nervös, es ist tatsächlich schade wie die 3 großen Menschenkinder so unregelmäszig mit dem Kinde verfahren.  Jetzt kommt Josef um 7 Uhr Abends nach Hause, dann wird gegessen u. sie gehen zusammen mit  dem Kinde bis 11 Uhr spazieren, anstatt daß die sich nun abwechseln u. einer zu Hause bleibt, nein was uns nicht schadet, schadet auch dem Kinde nicht, mir tuts tatsächlich leid für das liebe Kind, es wird sich doch später rächen, ja jetzt ist das Kind schon nervös, ja u. dann wird Morgens bis 9 Uhr geschlafen, dann haben wir bei uns schon ein schön Teil hinter uns vom Tage,  doch  wem nicht zu raten ist nicht zu helfen und jetzt war die Milch so knapp vor 14 Tagen da hatte sie fast eine ganze Woche keine Milch fürs Kind, weil sie Morgens so spät fertig sind nun habe ich ihnen geraten sie früh von der Bahngesellschaft schicken zu lassen, sie bezahlen da 2 Pfg. mehr doch bekommt das Kind täglich wenigstens seine Milch. Lieb unser Titi schläft Gott sei Dank noch immer die ganze Nacht durch, möge es doch nun so bleiben, es ist ja auch ein gutes Zeichen, daß ihm nicht fehlt, es nimmt auch ganz nett zu, ach Lieb wenn du hier wärst, hättest du deine Freude schon daran mein Schatz, es fängt schon an zu lallen u. lacht so lieb, es ist lieber als die Jungens, als sie so klein waren, dafür ist ja auch ein Mädchen, Lieb hoffentlich haben wir bald das Glück dich in unserer Mitte zu heben, doch dafür können wir leider nichts tun als zum l. Gott beten , u. hoffen wir, daß er unser unser Gebet erhört u. uns bald das große Glück schenkt.

Sagen wir dann auf baldig es Wiedersehen, behüt dich Gott mein Lieb u. sei 1000mal gegrüszt u. geküszt von deiner treuen dich herzinnigliebenden Gretel u. Kindern.

Sievers
Umschlag des Feldpostbriefes vom 19. Mai 1916,
Dieser kam wieder zurück mit dem Vermerk: Auf dem Felde der Ehre gefallen. Sie schrieb noch 3 weitere Briefe, die so zurück geschickt wurden, bis sie vom Tod erfuhr.