Moirey, Ville, Fosses-Schlucht, Chambrette-Ferme, Fort Douaumont, Juli – Oktober 1916
8. Juli (Samstag)
Nun sind wir schon im Feld. Es war vorauszusehen, daß wir nicht lange blieben, wo an allen Fronten Angriffe sind. Aber unter schweren Verlusten, wie Verwundete aussagen. Heute Mittag war ich noch die Deklinationszahl feststellen. Morgen sollen wir nicht ausziehen. Abends war ich in Ville um Stollenholz nach der Batterie zu bringen, bekam aber keinen Förderbahnwagen.
12. Juli (Mittwoch)
Heute Morgen ging ich nun mit Surmann, Dizz und Schulten nach Ville, wir beluden dort einen Wagen mit den Hölzern und fuhren mit der Benzolbahn los. An den verschiedenen Stationen mußten wir immer lange warten. Bahnhof Kaplager, dann zum Wavrille-Wäldchen hinauf. Hier hieben wir schon die zerschossenen Geleise auf. Dann ging’s hinunter zum Fosses-Wald. An der dortigen Station sieht’s wüst aus. Zerschossene und verbrannte Wagen, Geleise. Unbrauchbare Munition, zersplitterte Bäume liegen wirr durcheinander. Lange warteten wir hier, erst kam keine Lokomotive, dann setzte ein franz. Feuerüberfall ein. Als er etwas abflaute, machte ich mich mit Surmann auf den Weg nach der Batterie. Die erste Hälfte gings gut. Von der Munition, die links von uns in die Luft ging, kam nichts zu uns herüber. Ich hatte sogar Zeit mir eine Bereitschaftsbüchse für die Gasmaske zu ergattern. Vor der Chambrettes-Ferme setzte aber das Feuer der Franzosen mit erneuter Heftigkeit ein. Unter mehrmaligem Hin-auf, Hin-auf kamen wir schließlich zur Batterie. Heranholen des Wagens war ausgeschlossen. Auch waren die Geleise zerschossen. Dizz und Schulten mußten nach unserer Rückkehr als Wache am Wagen bleiben. Dann kehrte ich mit Surmann zurück. Unterwegs trafen wir doch noch unsre Leute, die mit Bettungen vorfuhren.
Da die Sammelstelle verlegt worden war, mußten wir wieder umkehren. Dies neue Lager liegt ganz schön. Nur ist kein Wasser in der Nähe. Eine schöne Bude ist auch da, und ich habe einen famosen Platz. Eine Sprungfedermatratze in Gestalt von Maschendraht.
13. Juli (Donnerstag)
Als ich heute morgen aufwachte regnete es. Hoffentlich gibt’s auch wieder eine Änderung zum Guten.
14. Juli (Freitag)
Der heutige Tag zeichnete sich mit fälliger Ruhe aus, trotzdem die Franzosen ihr Nationalfest feiern. Abends wurde ein Geschütz herausgeschafft zur Batterie.
15. Juli (Samstag)
Im Gegensatz zu gestern schossen heute die Franzosen wie verrückt. Vor unsrer Batterie auf der Ausweiche Hundekehle (Feldbahnhof in der Fosses-Schlucht) stand das Geschütz und die Munition. Volltreffer in letzter vernichteten 100 Geschosse und 200 Kartuschen, davon gabs glücklicherweise nur einen Verwundeten. Aber den ganzen Tag prasselten die französischen Geschosse dicht in der Nähe wieder.
Die Batterie hat auch einen schlechten Stand. Vor der Artillerielinie, dahinter 2 – 10 cm Kanonen uns überschießend und in der dritten Reihe Ringkanonen und Haubitzen. Vor uns Feldartillerie.
Heute Abend wird das zweite Geschütz in Stellung gebracht und zur gleichen Zeit wird die Bedienung abgelöst. Die beiden letzten Tage war ich in der Protzenstellung, am 14. ging ich mit Ltnt. Katzer und Röhm zur Batterie. Diese besetzten die Beobachtung, ich sollte zur Hundekehle wegen eines Anschlußgeleises zur Batterie.
16. Juli (Sonntag)
Heute ist Sonntag. Wieder verhältnismäßig Ruhe an der Front.
Von uns sind auch viele Batterien fortgekommen, wohl auch wegen der Front Verkürzung, darunter auch 9./ Res 14 und 10./ Res 14. Fort Souville ist ganz von uns umschlossen, drin sitzen 60 Bayern und 300 Franzosen und drum liegt das Sperrfeuer der Franzosen.
22. Juli (Samstag)
Schon der dritte Sonntag im Feld. Ruhe liegt über dem Kampfgelände. Schon seit einigen Tagen. Am 19. war ich auf der Beobachtung. Ein Ereignis für mich, denn ich habe selber geschossen und beobachtet. Unser Oberleutnant war oben. Dann kam noch der Oberst Trenkmann und machte so seine Bemerkungen. Vorläufig schießen wir nur mit einem Geschütz, da der Bremszylinder des 2. beschädigt ist. Mittlerweile wird Ersatz von einer erbeuteten franz. Batterie bei Beaumont geholt. Wir schossen gut im Vergleich zu 5./ Res 9.
Die Nacht war ziemlich bewegt. Erst kamen die Arbeiter, die den Stollen ausbauen sollen, dann begannen die Franzosen zu feuern, Leuchtkugeln fliegen hoch, weiß, rot, gelb, grün, mit und ohne Sterne, rasend feuerte die Artillerie, tackten die Masch.-Gewehre, knatterte die Infanterie. Dazwischen das Heransausen der feindlichen Granaten. Dumpfer Krach zerreißt die Luft, schwarzer Rauch wälzt sich am Boden hin, klatschend fliegen die emporgeschleuderten Erdbrocken bis uns herunter. Hin und wieder das Pochen platzender Schrapnells, die in der Dunkelheit gleich einem Meteor aufleuchten und wieder verschwinden.
Noch zischen Leuchtkugeln, donnern Salven, feuert unsere Artillerie Sperrfeuer, der Lautsprecher ist ununterbrochen in Tätigkeit, Meldungen geschäftig weitertragend. Und da stehen wir am Scherenfernrohr und sehen hinaus in die Nacht, scharf beobachtend unentwegt. Hunderte solcher Augen luchsen hinüber, fangen auf, melden weiter und schließlich flaut das Feuer ab, wird schwächer und schwächer. Dann Ruhe und wieder Nacht. Hin und wieder hört man das heran Rollen eines Schusses, saust eine Granate herüber, platzt mit Ohrenbetäubendem Lärm, dann wieder Stille.
Am andern Tag mußte ich runter, da beide Batterien in der Besetzung vertreten sein müssen, 5./ 9 und wir, den Offizier hatten wir gestellt, folglich mußte ich verschwinden.
Als ich zum Waldlager kam, konnte ich gerade noch die Post abfangen, die für mich in 2 Paketen und einigen Briefen bestand. Pakete mit Kuchen – Geburtstagskuchen. Er hat uns gut gemundet. Abends entwickelten Grosch und ich noch meinen letzten Film.
Gestern und heute verbrachte ich die Zeit mit Kopien machen. Ich könnte ganz schön damit Geld verdienen. Auf jeden Fall kann ich keine umsonst machen. Auch war ich in der letzten Zeit knapp an Geld und kann’s brauchen.
Heute gab’s wieder von Tante B. ein Päckchen mit Butter, zur rechten Zeit, morgen geht’s wieder auf Beobachtung.
2. August (Mittwoch)
Am 30. und 31. war ich wieder auf der Beobachtung. Schon freute ich mich, daß es am ersten wieder herunterging. Da bekam ich Befehl noch einen Tag oben zu bleiben. Auch der ging vorüber, dann waren wir, Surmann und ich, aber froh hinunter zum Lager zu dürfen um die wohlverdiente viertägige Ruhe zu genießen. Denn wir waren müde, nicht zu knapp, denn nachts mußten wir auf dem Damm sein, wegen der grünen und gelben Leuchtkugeln mit Doppelstern, schwebenden Kugeln, Verästelung, der Artillerietätigkeit usw. Kaum waren wir unten angekommen, kam der Befehl: “Uoffz. u. Gefrt. Surmann sind sofort nach 6./ Res 9 in Marsch zu setzen.” Ich hatte gerade meine erste etatmäßige Lohnung geholt, im ganzen 29,36 M (mit dem was ich noch von 2 vorhergehenden Lohnungen zu erhalten hatte).
Wir sollten da hin um “als Hilfsbeobachter ausgebildet zu werden!” Na, so schnell schießen die Preußen nicht, und wir machten uns erst um 4 Uhr auf den Weg nach Crépion wo 6./ Res 9 liegt.
Wir nahmen nur das nötigste mit. Das Kochgeschirr, Eßmaterial und Reinigungszeug. Ziemlich in Schweiß gebadet kamen wir dort an. Als wir uns dort meldeten, wurde uns wenigstens die Gewißheit, daß wir heute Nacht schlafen können. Oben auf dem Berg wurden wir einquartiert. Abends sahen wir uns noch die Leistungen eines Bauchredners an, bei 5/9 und dann legten wir uns schlafen auf einem Strohsack. Decken waren auch genug da, daß ich meine gar nicht auszupacken brauchte.
3. August (Donnerstag)
Als ich heute Morgen auf die Uhr sah, war es 11 Uhr. Heute Nacht träumte ich, ich wäre wieder zu 9./ Res 14 versetzt als Geschützführer zum 2. Geschütz. So stand ich denn um 11 Uhr auf, trank Kaffee und wusch mich, schrieb noch nach Haus. Schließlich war es Zeit zum Mittagessen.
So war der Anfang.
8. August (Dienstag)
Heute ist mein Geburtstag. Ich kam morgens von der Beobachtung, wo ich am 7 rauf gegangen war. Vier Tage war ich oben. Den ersten Tag wohnte ich zur Erlernung des Betriebs bei. Leutnant Petri war oben. Am 2. und 3. Tag war Leutnant Schneider oben. Der Dienst ist ganz angenehm.
Thiaumont-Werk machte weiter etwas Betrieb, weil die Franzosen es uns wieder abgeschnappt hatten. Am letzten Abend war Bataillons-Dienst, ich hatte erste Wache. Die Zeit verging rasch.
Die Franzosen schossen wieder wie wild, und wir antworteten natürlich auch. Aber Kartuschen flammten wieder. Von jetzt bin ich wieder unten. Heute Mittag ging ich zu meiner Sammelstelle um einige Sachen zu besorgen. Leider war kein Bier da, mit dem ich hätte meinen Gaumen erfrischen können. Meine Stiefel und die Photoutensilien brachte ich mit.
10. August (Donnerstag)
Morgen geht’s wieder zur Beobachtung. Jetzt sind auch noch 2 Hilfsbeobachter von 1./16, 2 Vize herkommandiert worden. Die Batterie ist uns nun zugeteilt. Einen Vorteil habe ich ja hier. Kantinen sind genügend in der Nähe, dann ist auch die Verpflegung gut, nicht immer diese Suppe. Wir haben uns sogar schon einige Male abends Bratkartoffeln und anderes gemacht.
20. August (Sonntag)
Wieder 3 Tage Beobachtungsdienst vorbei. Ich fange an Befriedigung in meiner Tätigkeit zu finden. Dazwischen 3 Ruhetage jedesmal war ganz schön. Die letzten habe ich mich gut amüsiert. Der Vizef. von 1./ 16 und einer, namens Schäfer von 6./ 9 und ich waren einmal in Damvillers, kauften ein, tranken Bier und kehrten dann seelenvergnügt wieder nach Crepion zurück. Eigentlich hatten wir ja das neue Lager bei Neu-Wavrille beaugenscheinigen wollen. Die Seitenverschiebung nach Damvillers kam erst als Folge. Am Tag davor war ich im Waldlager, Vizefeldwebel Rübele und Uoffz Kaiser haben das EK II. bekommen. Augenblicklich ist die feindliche Tätigkeit nicht besonders, bloß gegen 11 – 1 Uhr fingen die Franzosen an anzugreifen. Wir haben aber auch so gering zu tun. Mehr Meldedienst bald, als echter Beobachtungsdienst. Zudem kam gestern noch die Nachricht, daß die 1./16 fort kam. Damit mußte auch Vizefeldw. Kaiser weg und nun mußten Leutnant Gehloff und ich die Nacht zu zweien durchmachen.
6. September (Mittwoch)
Wer hätte das gedacht, daß es so schnell geht. Noch machten wir Pläne, wie wir uns im neuen Lager von Wavrille einrichten wollten. Gestern morgen, Surmann war im Waldlager zur Beerdigung von Schulten, der gefallen ist, war ich im neuen Lager, Gerüchte schwirrten durch die Luft von wegen fortkommen. Am Abend war es Gewißheit, 5./ und 6./ Res 9 kamen fort. Eine telefonische Anfrage bestätigte es mir, ich mußte wieder zur Batterie 783 zurück. Leutnant Petri bedankte sich noch für unsre Dienste die wir bei 6./ 9 getan hatten. Wir waren entlassen.
Heute morgen packten wir unsre Sachen und machten uns auf den Weg. Jetzt kam wieder die große Frage nach dem Unterkommen. Vorläufig konnte ich ja bei Feldw. Kann bleiben. Nachmittags fuhr ich nochmal per Rad nach Crepion, da ich meine Schnürschuhe dort liegen gelassen hatte. Ich fand sie glücklich und kehrte mit einer Tasche und in Schweiß gebadet wieder zurück.
7. September (Donnerstag)
Nun weiß ich wenigstens, wo ich hin soll, ein schönes Bretterhäuschen bewohnen wir zu dritt. Die beiden Schreiber ziehen in die neue Schreibstube, in deren Bude komme ich zusammen mit dem Gefr. Anddeund dem Putzer des Feldwebels Müller. Wenn die Schreiber ausgezogen sind, ziehe ich ein. Morgen soll ich auf Beobachtung, da ich noch nicht eingezogen bin, fragte ich Hirsch, ob er nicht an meiner Stelle wolle, worauf er nur eine derartige Antwort gab, daß ich es nutzlos fand, an seinem kameradschaftlichen Geist zu appellieren.
8. September (Freitag)
Heute machten wir uns, Surmann und ich auf den Weg. Wie ich dort durch den Fosses-Waldkam wird mir auch zeitlebens in Erinnerung bleiben: er lag unter schwerem feindlichen Feuer. Auch die Beobachtung selber brachte uns nichts interessantes. Im Stollen stand über ½ m hohes Wasser und wir schöpften, schöpften…
10. September (Sonntag)
Heute morgen kamen wir wieder herunter, nachdem wir bis gestern nachmittag 4 Uhr 360 Eimer Wasser hinausgeschafft hatten. Dann konnten wir nicht mehr und ließen das Wasser stehen. Wir waren froh, daß wir herunterkamen. Auch der Rückweg durch den Fosses-Wald war wenigstens ungestört.
24. September (Sonntag)
Am 12. wollte ich noch eine Eintragung machen, doch, hätte ich das gedacht, abends kam Ltnt. Katzer und eröffnete mir, daß ich am 13. mit ihm nach Fort Douaumont müßte als Art. Beobachter. Natürlich ging dann noch ein eifriges Rüsten los. Am Morgen des 13. machten wir uns auf den Marsch mit 2 Fernsprechern (Wunsch und Militzer). In Schweiß gebadet kamen wir oben an, nachdem wir den Steilhang in seiner ganzen Gefährlichkeit durchgekostet hatten.
So verlebte ich ganz schöne Tage dort oben. Die Feldartilleristen, die in der selben Eigenschaft oben waren, und wir vertreiben uns die Zeit prachtvoll. Wohl vergingen die ersten Tage furchtbar langsam, aber dann gings desto schneller dem Ende zu. Auf jeden Fall sah und lernte ich allerhand da oben kennen. Ohne Gefahr war es allerdings auch nicht, denn mehrere Male durchschlugen franz. Granaten die Sandsackpackungen bei den Casematten und es gab Verluste. Auch einmal geschah ein Unglück beim Fertigmachen von Handgranaten und es gab Tote und Verwundete. Noch am letzten Tag zerstörte ein Volltreffer den Maschinengewehrstand am N.W. Turm, 1 Toter, 1 Schwer, 1 Leichtverletzter gab es dabei. Auch N.O. und S.O. Turm bekamen manchmal welche ab, die dicht dabei saßen und nicht von Pappe waren.
Glücklich waren wir deshalb als wir am 20. morgens wieder heruntergingen und zwar diesmal durch Hassoule-Schlucht und Brûle-Schlucht. Ohne die geringste Gefahr kamen wir dann nach Hause. Nun habe ich Ruhe, bis ich wieder drankomme auf 378 (Höhe 378). Zu verwundern war es nicht, daß mich 13 Briefe, 2 Postkarten, 5 Pakete erwarteten, als ich vom Douaumont herunter kam. Nun noch eins: ich habe Aussicht in nächster Zeit mal Vize zu werden, und zwar machte mir unser Batterieführer mir selbst diese Aussichten. Jetzt also mal gelernt und auf die Hosen gesetzt, daß es klappt.