Moronvillers, September 1915 – Januar 1916
Anmerkung:
Am neuen Ort des Geschehens traten wesentliche Veränderungen ein, mit denen es sich zu arrangieren galt. Krieg und Alltag wechselten das Gesicht. Kein Vormarsch mit Stellungswechseln und Verfolgung, keine Bewegung von Ort zu Ort. Von nun an wurde Stellungskrieg geführt. Stillstand begann.
Zwei Kilometer südwestlich von Moronvillers bezog die 9. Batterie ihre Feuerstellung.
17. September (Freitag)
Ein prachtvoller Obstgarten war der Aufstellungsort der Geschütze.
22. September (Mittwoch)
Jeden Tag Geschütz reinigen auch einmal schwungvolles Fußexerzieren, weil auf der Fahrt Wein weggekommen ist. Sonst war das Leben nicht schlecht. Es gab gleich Post, dann konnten wir Milch und Apfelmost kaufen. Heute Mittag war Löhnungsappell da bekamen von Kroßen und Uoffz. Helo das Eiserne Kreuz. Auf einmal kam Abrücken. Bei Einbruch der Dunkelheit am Bahnhof von Saulces-Monclin verladen. Nach 3 Stunden Fahrt schon wieder ausgeladen an der Front in Pont Faverger (Pont Faverger – Moronvilliers) Mittlerweile wars…
23. September (Donnerstag)
…geworden. In einer Schlucht 8 – 9 km von der Bahn gingen wir in Stellung. Hier pfiffen wieder ganz empfindlich die Granaten. Um 3 Uhr zogen wir dann zur Sammelstelle. Mittags legten wir Leitung von Sammelstelle zur Batterie, dabei wurden wir auch von einem Fliegergeschwader von 12 Flugzeugen mit Maschinengewehren beschossen. Nachdem wir den 8ten Kilometer weiter mit Mühe und Not zusammengestöpselt hatten und die Leitung fertig war, eilten wir über den Berg zur Kantine der sächsischen Grenadiere dann gings nach Hause nicht ohne ein zweimal auf dem Boden gelegen zu sein da die Franzosen ihre Granatfinger zu fühlbar zu unsrer Nähe schickten. Dunkel wars da waren wir zuhause.
24. September (Freitag)
Die Schlucht entpuppt sich so langsam als ein wahres Granatloch, denn die Franzosen zielen ganz wiederholt genau dahin. Vor den Geschützen, dahinter, dicht hinter dem Lafettenschwanz lagen die Treffer. Die Stellung ist ja ganz bombensicher gebaut aber sie verschüttet sich. Die Munition konnte zum Teil nicht durch die Schlucht gebracht werden, sondern mußte oben auf die Höhe gefahren werden und von dort auf einer Rutschbahn nach unten geschafft werden.
26. September (Sonntag)
Der heutige Tag war für unsre Batterie verlustreich und schwer. Nicht weniger als 60 Granaten schickten die Franzosen herüber. Dann hatten wir einen Toten (Uoffz. Poznansky), 3 Schwerverwundete (Obergefr. Koch, Gefr. Stückler und Gefr. Lonczynski. Der Uoffz. und Stückler standen an der Feldküche als die Granate hineinfuhr, natürlich ist diese auch zerstört.
27. September (Montag)
Schon wieder Verluste, Zahn schwerverwundet, Bernhard leicht und Weiss auch leicht. Letzterer bleibt bei der Batterie. Die Franzosen scheinen unsre Batterie absolut vernichten zu wollen. Auch die 10. Bt. hat 2 Tote, 5 Schwer-und 2 leicht Verwundete außerdem sind 2 Geschütze verschüttet. Unsre Batterie hat noch 2 Offiziere und einen Offiziersstellvertreter. Ltn. Ardenwell ist fort: Krank. Leider sollte unsre Batterie heute noch ein schwerer Schlag treffen. Beim vierten Geschütz schlug eine Granate in den Geschützstand und tötete 6 Mann und verwundete 2 schwer. Kurz darauf kam ein Volltreffer ins 3. Geschütz und verwundete Behrens. Tot sind Uoffz. Prokowsky, Obergefr. Klein, Gefr. Rischmüller, Kan. Wendt, Kan. Bildstein, Kan. Haist. Verwundet sind Siefert und Balg.
Ein schwerer Schlag für unsre Batterie und immer noch saust Volltreffer auf Volltreffer hinein, schwirren feindliche Flieger in der Luft herum und leiten das Einschießen. Todesmutig blieben die Bedienungen an den Geschützen, glühend vor Zorn, den Tod der Kameraden zu rächen. Der heutige Tag hat gezeigt, daß die Stellung unsrer Batterie völlig ungenügend ist. Die sogenannten bomben sicheren Unterstände sind zum größten Teil infolge der heftigen Beschießung eingestürzt, und die Bedienungen mußten ihre Freizeit damit ausfüllen, diese Unterstände wieder etwas brauchbar zu machen.
28. September (Dienstag)
Heute fand die feierliche Beerdigung der Opfer des 4. Geschützes auf dem Friedhof von Pont Faverger statt. Leider konnte unsre Batterie nur durch wenige Leute vertreten werden, da alle verfügbaren Leute selbst die Fahrer beim Bau einer neuen Stellung wenigstens für den zweiten Zug beschäftigt sind.
Da auf dem Friedhof in Pont Faverger ruhen diese 7 tapferen Krieger ihren Heldenschlaf. Sie haben ihr höchstes gegeben, das sie dem Vaterland weihen konnten: ihr Leben. Ihre Arbeit ist getan. Uns aber, den Überlebenden, rufen jene Kreuze auf die Totenhingabe zu: Nur selbstloses Sichselbstaufopfern hilft unsrer gemeinsamen, gerechten Sache zum Sieg.
1. Oktober (Freitag)
3 Tage sind verflossen. Wir wissen jetzt, warum wir hier hergerufen worden sind. Wir sollten gemeinsam mit den sächsischen Kameraden einem neuen gewaltigen Angriff der Franzosen die Stirne bieten. Zum zweiten Male hatten diese sich die Champagne, den alten Hexenkessel, zum Durchbruch bestimmt. Aber wie in jener gewaltigen Schlacht an der Lisame (Bataille de la Lizaine), 1871, scholl der Ruf in den deutschen Reihen: Nicht durch! Und mächtiger tobten unsre Geschütze, freudiger blitzten die Bajonette und rasender machten die Maschinengewehre in den feindlichen Sturmkolonnen.
Wohl hatte die feindliche Artillerie mit ungeheurer Munitionsverschwendung unsre Drahthindernisse niedergelegt und die Gräben eingeebnet,uns schwere Verluste sowohl bei Infanterie als auch bei Artillerie zugefügt. Sobald die feindlichen Sturmkolonnen vorrückten, fanden sie geordneten Widerstand und ein verheerendes Trommelfeuer unsrer Feld– und schweren Artillerie sauste in deren Reihen hinein, daß nur wenige, und dann als Gefangene, aus diesem Schlachten kamen, denn zugleich wurden die feindlichen Gräben mit einem Sperrfeuer überschüttet, daß ein Zurück unmöglich war. Vorne blitzten deutsche Bajonette, ratterten die Maschinengewehre. Nur an wenigen Stellen, wo unsre Reihen zu arg gelichtet worden waren, drangen die Franzosen durch. Aber nur bis zu unsrer zweiten Verteidigungslinie. Das geschah an der Stelle, wo beim Februardurchbruch der Hauptkampf getobt hatte, bei den Orten Tahure, Somme Py, Sainte-Marie-à-Py, nur wenige Kilometer von hier.
Der Kommandeur der schweren Artillerie hat inzwischen eingesehen, daß ein Verbleiben unsrer Batterie in der Todesschlucht eine nutzlose Selbstaufopferung wäre, so kommt denn der zweite Zug in eine Stellung weiter links und der erste Zug in die zuerst für den zweiten bestimmte Stellung. Auch ist mit Bestimmtheit zu erwarten, daß wir einen Winter hier erleben müssen, deshalb mußten wir uns noch eine günstige Möglichkeit zum Überwintern schaffen. Eine neue Sammelstelle wurde ausgesuchtund hier arbeiten die Mannschaften in ihrer Freizeit an ihren Buden. Sonst fahren sie Munition oder Baumstämme und andere Deckungsstoffe für unsre Geschützstellung oder bauen selbst, sogar nachts und da stehen selbst die Fahrer dabei.
5. Oktober (Dienstag)
Die Arbeiten schreiten munter fort. Die Geschützstellungen sind bald fertig. Das Erste steht schon an seinem Platz und das zweite ist noch in der Schlucht. Die Franzosen sind auch bedeutend ruhiger geworden, nur ab und zu überfallen sie uns mit einem wütenden Trommelfeuer, als ob sie die Niederlage ihres Durchbruches noch nicht verwunden hatten. Dann kommen regelmäßig die kleinen Gasgranaten und schwere Granaten nach der alten Stellung, wo jetzt noch das zweite Geschütz steht. Dank der Rauchmasken können sich unsre braven Kanoniere ja davor schützen. Na, die Franzosen werden ja noch ihr blaues Wunder erleben; wenn mal alles draußen ist und die Kanonenschläge, statt der Geschütze losdonnern. Dann schreiben sie wieder, eine feindliche Batterie vernichtet. In diesen Tagen bekamen Sauze und ich den zweiten Zug durch eine Leitung mit dem anderen Leitungsnetz zu verbinden.
Dabei hatten wir Gelegenheit das damals zum Teil noch unbeschädigte Dorf Moronvillers zu sehen. Wie das bekannte Tahure fahren auch hier die Franzosen fort und belegen diesen Ort täglich mittags und abends liebevoll mit einer Anzahl Granaten.
9. Oktober (Samstag)
Am 7. hatten die Franzosen auch die Freundlichkeit den Fichtelberg, wo sich eine Masse von Beobachtungen befanden mit Granaten schweren Kalibers zu bedecken. Mit knapper Not entging unsre Beobachtung dem grauenvollen Schicksal verschüttet zu werden. Die schweren Zementblöcke barsten wie Glas, die Menschen kamen mit dem Schrecken davon, außer einem Fernsprecher, Kan. Gralet der leicht gequetscht wurde. Die Gegenstände wie Mantel, Decken, Lautsprecher, selbst ein ganz neues, erst am Tag vorher empfangenes Scherenfernrohr wurden unter den Trümmern vergraben. Auch wurde die Nachricht bekannt, daß das französische Luftschiff nach französischen Meldungen soll es sogar Alsace heißen, bei Tagnon (an der Bahnstrecke Bazancourt – Rethel) heruntergeholt worden sei. Sämtliche Insassen, bis auf 5, die entkommen sein sollen, wurden gefangen genommen.
Leider kostete es uns am Tag vorher unsern Fesselballon, der von einem französischen Kampfflieger durch Maschinengewehrfeuer heruntergeholt wurde. Noch in der Luft fing der Fesselballon an zu brennen und fiel herunter. Die Insassen waren tot.
Dieser Tag wurde uns auch eine Überraschung zuteil. Leutnant Fenchel, der vor Brzostówka verwundet worden war, ist zurückgekehrt.
Der 5. hat auch mir persönlich eine Überraschung gebracht: mein photographischer Apparat kam an und den Tag darauf die Films. Ich habe ihn schon benützt.
Die Geschützstellungen sind nun fertig, Pioniere und Armierungsarbeiter haben fleißig Spaten mit Hacke geregt und jetzt ist ein Stadium von etwas mehr Ruhe für die Bedienungen eingetreten, denen das wahrhaft zu gönnen ist.
Nun ist auch heute der Einzug in unser neues Lager erfolgt, nachdem wir gestern die Leitung gelegt hatten, war das bald geschehen.
Ein kleines Intermezzo ereignete sich noch gestern Abend. Als ich die Leitung prüfen wollte, bekam ich keine Antwort. Gerade hatte ich noch meine Decken so schön gelegt. So trabte ich denn los, die zerstörte Stelle war glücklicherweise bald gefunden. Nachdem sie mühsam verbunden mußte sie wieder mühsamer fortgelegt werden. Dazu mußte ich mir noch mit dem Seitengewehr einen Baum hauen und eingraben.
Heute morgen mußte ich wieder nachgehen und legte dann dort endgültig hoch, wobei mir noch ein Telegraphist half. Als ich dann wieder zurückkam, war alles schon nach der neuen Sammelstelle ausgeflogen und ich mußte die Sachen selber rübertragen.
Ein behagliches «Zimmer» haben wir ja, auf der Pritsche liegt ein wohlgefüllter Strohsack. Nur, ich kann mich diese Nacht noch nicht gemütlich damit ausruhen, weil ich Nachtwache habe. Diese Zeit benutze ich nun, die leeren Seiten meines Tagebuchs mit meinen letzten Erlebnissen zu füllen. Eins aber merke ich: gemütlich ist das Zimmer erst, wenn mal ein Ofen in der Mitte steht und seine behagliche Wärme ausströmt.
17. Oktober (Sonntag)
Wieder habe ich Nachtwache, aber diesmal steht in der Mitte unsrer Stube ein schönes, wärmespendendes Öfchen, und daß dieses nicht ausgeht, dafür sorge ich schon.
Hier können wir sogar einen Winter aushalten, wir haben uns jetzt auch eine Kantine angeschafft. Gestern hat eine deutsche Taube einen französischen Doppeldecker heruntergeholt. Beide Insassen waren sofort tot. In unsrer Batterie gehts insofern besser, als wir keine schweren Verluste mehr zu verzeichnen hatten, vorgestern 2 Leichtverwundete vom 2. Zug (N..ger und Domino). Beschossen wurden aber feindliche Stellungen, sogar mit schwerem Kaliber 22 cm. Alle Anzeichen scheinen aber dafür zu sein, daß von unsrer Seite ein Gegenstoß geplant ist. Batterien auf Batterien werden herangeschafft. Viel Munition wird transportiert. In der Nacht vom 14. -15. hat die benachbarte 24. Division einen Angriff gemacht und sämtliche Gräben wieder erobert, dazu einen französischen und das dahinter liegende in franz. Besitz befindliche Dorf Prosnes genommen. Außerdem 1 Hauptmann, 3 Offiziere, 300 Mann gefangen. Ein glänzender Erfolg.
1. November (Montag)
Wieder ist ein Monat vergangen und wir haben uns so langsam mit den Verhältnissen hier vertraut gemacht. Im Bereich unsrer der 23ten Division ists ruhig geworden nur bei der 24. Division und noch weiter links bei Tahure geht es noch unruhig zu. Die Franzosen glauben durchgedrückt zu haben und sehen sich unversehens von uns wieder hinaus gedrängt. Auch von den anderen Kriegsschauplätzen kommen günstige Nachrichten. Unser lang erwarteter Ersatz traf endlich am 26. bei uns ein. 40 Mann darunter 9 Fahrer. Viele jüngere Kriegsfreiwillige sind darunter auch 96er und sogar einer von 98. Nun haben wir uns auch noch eine Kantine eingerichtet, wo wir mehr Geld noch schneller wie gewöhnlich los werden. Aber man kann so allerhand dort kaufen.
6. November (Samstag)
Jetzt haben wir uns hier schön eingerichtet, jetzt können wir ja wieder gehen. Heute oder morgen soll es sich ja entscheiden ob wir fortkommen oder bleiben. Es soll die Wahl sein zwischen Fuß 9 und uns. Nach Tahure oder Arras. Inzwischen machen wir aber an allem trotzdem weiter. Unseren Gefallenen soll ein Grabstein gesetzt werden. Nach dem soll das Grab photographiert werden. Was meine Arbeit anbetrifft, waren die Leitungen der letzten Zeit einige Male gerissen und ich mußte abpatrouillieren. Eine wichtige Verordnung, wenn man sie wichtig nennen kann, ist auch noch angekommen. Es gibt Urlaub und zwar alle 14 Tage 4 Mann. Dann noch etwas: Das Photographieren ohne Erlaubnisschein ist verboten. Aufnahmen von militärisch wichtigen Dingen werden bestraft. Soeben fällt uns der Korpstagesbefehl vom 23.9. in die Hände, den der Kommandeur unsers Korps an die Kämpfer richtete zu Anfang als der schwere Kampf losging.
Er lautete:
„Soldaten des XII. Reserve-Korps Ein schwerer Kampf hat für euch begonnen. Euer oft bewährter Mut und Eure Standhaftigkeit werden auch diesen Kampf bestehen. Das XII. Res.Korps wird seine Stellung halten. Euer oberster Kriegsherr und das Vaterland erwarten das von uns. Es gibt kein Zurück ohne Befehl. Gott mit uns.“
gez. von Kirchbach (Generaloberst Hans von Kirchbach)
7. November (Sonntag)
Wieder ein Sonntag wie schon soviele vergangen waren mit Arbeit. In Pont Faverger fand heute eine Feier zum Gedächtnis der bei der neuen Offensive gefallenen statt. Von uns konnte leider niemand teilnehmen, alles war eifrig beschäftigt in Sammelstelle, Batterie und Beobachtung, ein Kommando mußte auch noch zum Bau der rückwärtigen Stellung geschickt werden. Ein kleines Erlebnis hatte ich noch heute. Ich bin wieder einmal auf einem Pferde geritten, was mir ganz ausnehmend Spaß machte.
10. November (Mittwoch)
Seither habe ich das Vergnügen noch mehrere Male gehabt. Dabei mache ich auch einige Fortschritte im Reiten. Heute tat sich das aber nicht, ich hatte diese Nacht Wache und als ich heute morgen die Leitung prüfte, erhielt ich kaum Antwort. Wie schon so manches mal machte ich noch (mit Krug) auf den Weg und (wir) fanden und reparierten die schadhafte Stelle. Abends erwies mir die Leitung zur Kolonne das selbe Vergnügen nachzutraben und zwar mit Reitstiefeln, da ich gerade zur Tränke reiten wollte.
Nun sind wir bei der 24. Division da im Bereich unsres Korps Divisionswechsel gemacht wurde. Die letzten Tage waren richtig im Zeichen des Novembers. Kalt und neblig nachts. Nachweise oft heftiger Regen. Dazu die Straßen und Wege die beim kleinsten Regenguß sich in einen breiigen bis zähen Morast verwandelten. Das ist eben die Champagne, der schwere weiche Kalkstein ist gegen Regen nicht widerstandsfähig.
11. November (Donnerstag)
Regenwetter ganz trostlos. Ein Trost kam aber heute Abend: die neuen Röcke und die Unterkleidung.
14. November (Sonntag)
Wenn nicht hin und wieder Sonntag wäre, würde man denken, es gänge immer so weiter wie jetzt. Gestern morgen ging ich in Regen und Sturm zur Zwischenstelle und mittags machte ich den halben Weg noch einmal und legte etwa 100 m Leitung hoch bei einem richtigen Südweststurm. Also als die Leitung hoch lag, hatte ich meine richtige Freude daran: schön straff gespannt und hoch. Ein guter Appetit war mir deshalb auch nicht zu verdenken.
Vorschrift ist, daß die Leitung überall 4 m hoch sein soll. So haben wir neulich die Leitung zur Kolonne hochgelegt, und zu dieser Arbeit war ich 2 Mal fort.
23. November (Dienstag)
Der erste Schnee ist schon gefallen vor einigen Tagen. Jetzt ist alles mit einem dicken Reif überzogen. Die ganze Landschaft ist in einem Winterkleide.
Auch der Besuch des Königs von Sachsen ist vorüber. Die Dinge sind ins alte Geleise gekommen. Nur ist viel Arbeit, seitdem Oberstleutnant Zühlsdorff fort ist und Major Scholz Abschnittskommandeur. Erst gestern ging ich zweimal den Leitungen nach, um sämtliche Masten mit dem Zeichen der Batterie zu versehen.
26. November (Freitag)
Seit jenem Tag ist jeder einzelne Mann in der Batterie mit Arbeit überhäuft. Nichts war recht genug gemacht. Munitionsräume, Geschützstände, alles hatte Mängel. Neue Befehle kamen heraus, über sämtliche Mannschaften muß Rechenschaft abgelegt werden, wie sie beschäftigt sind.
Heute war Feldw. B bei ihm, und heute Abend erklärte mir dieser, er hätte erklärt, daß ein Fernsprecher der Sammelstelle unnötig wäre. Auch gut, so muß ich denn zum Schippen. Der einzige Kriegsfreiwillige, der als Fernsprecher ausgebildet ist. Zudem bin ich gerade noch gut dazu, brauche ich nicht das E…? zu haben, das kann jeder andre.
Ich mache Schluß, für heute genug.
9. Dezember (Donnerstag)
Ja, so bin ich auch mit zum Schippen eine Woche lang. Als dann mal die Leitung betriebsunfähig war, ich war vielleicht erst ½ Stunde da, sagte der Feldwebel: Jetzt bleibt ein Fernsprecher da. So bleib ich denn.
Gestern kam auf einmal ein Befehl. Die Batt. stellt so und soviel Mann, und da mußte auch ich wieder ran, nebenbei bemerkt aber auch alles, was Beine hatte zum laufen. Nur (S…hr) bleibt da, die Küche und auch die Fahrer. Das soll so weiter gehn bis 23. Und obs da nicht weiter geht? Das scheint ja ein schönes Weihnachtsfest zu geben. Dazu haben wir noch ein Regenwetter, daß man keinen Hund rausjagen möchte, und in dem zähen Schlamm sinkt man ein, daß man die Stiefel verliert. (Vor einigen Tagen habe ich nun auch den Schein zum Photographieren bekommen).
Jetzt ist es das Beste, wenn man in Urlaub kommt, es drängt sich jetzt auch alles dazu. 12 Mann dürfen fahren.
16. Dezember (Donnerstag)
Schippen ist Trumpf. Das schlechte Wetter erreichte am 11. seinen Höhepunkt, wo wir, naß bis auf die Haut in einem eisigen Regen arbeiten mußten. Glücklicherweise war um 12 Uhr Schluß und am andern Tag sollte ein Ruhetag sein. Da war ich natürlich wieder Fernsprecher.
Glücklicherweise schlug das Wetter in Kälte um, es wurde heiterer. Am 13. arbeiteten wir deshalb mit umso größerer Freude in der frischen Luft. Das schöne Wetter hatte es uns angetan. Am andern Tag nahm ich meinen Photo-Apparat mit und machte einige Aufnahmen.
Am Morgen des 15. kam durch den Fernsprecher, daß jeder Mann mit einer Gasmaske ausgerüstet. So zogen wir denn mit Gasmasken ausgestattet hinaus. Als am 16. morgens Leutnant Anders erschien, markierte er Gasangriff und wir mußten mit Gasmasken antreten.
Die Arbeit hat sich dadurch gebessert, daß der Regen aufgehört hat und dann wird noch einmal soviel gearbeitet. Die Kantine der 107er in der Nähe dient auch viel zur Erleichterung, aber erleichtert auch das Ausgeben.
19. Dezember (Sonntag)
Wieder ein Sonntag und es war wie schon immer in der letzten Zeit ein arbeitserfüllter Tag.
Seit gestern bin ich bei einem andren Arbeitskommando auf Höhe Mairy zum Ausbau eines Gefechtsstandes für die Gruppe. So muß ich mit 6 anderen, deren Führung ich habe, jeden Morgen um 8 Uhr dort oben sein. Das Schippen mag ja ganz gesund sein, aber anstrengend ist es doch. Mich schmerzen die ganzen Muskeln am linken Oberarm. Ich habe ja wenigstens die glückliche Zuversicht, daß ich dieser ganzen Dinge bald überhoben werde, sonst hätte ich mich sicher auch schon längst krank gemeldet. Der Krankheitszustand in unsrer Batterie ist ziemlich hoch. Kein Wunder, dieses hält auf die Dauer kein Mensch aus. Heute war ich Zeuge, wie ein französischer Flieger heruntergeholt wurde. Er landete hinter unsrer Linie. Jetzt naht ja Weihnachten, zum zweitenmal, daß ich es in der Ferne feiere. Hoffentlich komme ich auch bald mal auf Urlaub und als Unteroffizier.
29. Dezember (Mittwoch)
Vom 21. – 28. war Ruhe. Das soll heißen kein Schippen dafür nur Fußdienst, Unterricht p.p. was aber selten gemacht wurde, da andres nötiger war. So wurde für unser 4. Geschütz ein andres Ersatz-Geschütz empfangen.
Beim Einführen desselben verunglückte der Obergefreite Strobel schwer. Er war an der Bremse, der Lafettenschwanz ging hoch, und die Wiege quetschte ihn. Das Weihnachtsfest war an und für sich schön, wie letztes Jahr. In letzter Stunde trafen noch die Liebesgabenpakete aus Straßburg ein. So bekam ich ein Portemonnaie, Zigaretten usw. und dann noch ein solches Paket. Wir hatten uns ein schönes Bäumchen geziert und Sauze hatte aus Köln allerlei Wurst, Lebkuchen, Zigaretten mitgebracht. Die Wurst brieten wir dazu Erbsen und Wein, wir hatten ein schönes Fest.
Gestern war wieder erster Schipptag und ich trabte etwa wieder mit. Nach Reserve 1 Stellung 9 für Mörser. 1 Unteroffizier 4 Mann. Wenn es nur nicht mehr regnet, das ist mein Herzenswunsch. Am liebsten hätten wir es aber, wenn das ganze Schippen mal ein Ende hat, oder nach Saloniki!
7. Januar 1916 (Freitag)
Ein Blitz hätte nicht plötzlicher hereinbrechen können, wie dieser plötzliche Stellungswechsel. Noch am 6. haben wir nichts gewußt. Erst abends erfuhren wir beim Rückweg beim Bataillons-Stabslager, daß wir fortkommen. Es wurde auch zu Hause und dann noch abends bestätigt. Wir sollen verladen werden und in Ruhe kommen. Vorher waren schon allerhand Befehle über Tropendienstfähigkeit gekommen.
13. Januar (Donnerstag)
So wurden wir denn am Sonntag morgen um 8 Uhr verladen. Gegen 3 Uhr kamen wir in Wasigny an und wurden dort wieder ausgeladen um noch einen kurzen Marsch in La Neuville (-lès-Wasigny) in Ortsunterkunft zu kommen. Heute ist Donnerstag und seither haben wir immer Fahrzeugreinigen, Ehrenbezeugungen, Appells usw. gehabt. Wenn das so weitergeht, wünschen wir uns lieber zum Schippen. Gut ist es ja, daß wir unter Dach sind und das ist auch noch ziemlich viel. Ich bin jetzt beim 2. Fernsprechtrupp und nebenbei noch am III. Rohrwagen.
17. Januar (Montag)
Eine Woche sind wir schon hier in diesem Ort. Wer weiß, wie lange wir noch hier bleiben. Fußsport, Geschützexerzieren und andres ist an der Tagesordnung. Alles in allem: Dienst wie auf der Elsau. Vom Fortkommen sind heute wieder einige Gerüchte in Umlauf , andre sagen natürlich das Gegenteil, wir bleiben noch lange hier.
Heute haben wir wieder starkes Trommelfeuer von der Front.
Anmerkung:
Freudiges aber einschneidendes Ereignis am 21. Januar 1916.
Die nächste Beförderung stand an. Aus dem Gefreiten Koch wurde der Unteroffizier Koch.Die Ruhe, welche das abgekämpfte Regiment nach dem Sommerfeldzug im Osten und der Herbstschlacht in der Champagne so dringend benötigt hatte, endete ebenfalls an diesem Freitag. Tags darauf fanden sich die Batterien einmal mehr auf einer Verladerampe wieder. Es ging ohne Umweg in die neuen Bereitstellungsräume, um an dem für den 12. Februar geplanten Angriff auf die Festung Verdun teilzunehmen.
zum nächsten Teil des Tagebuchs:
Erster Einsatz vor Verdun