Anglemont-Schlucht, Januar – April 1916
24. Januar (Montag)
Schon sind wir wieder aus unserer Ruhe heraus. Schon immer waren Gerüchte, daß wir wegkommen würden. Am Freitag den 21. war noch Lohnungsappell.Im Anschluß daran wurde mir die freudige Mitteilung daß Baldamus, Beck und ich zu Unteroffizieren befördert worden waren. Fehr, Schorer, Spiegel und Haus werden Vize. In der Nacht vom 20. auf 21. war ich noch Posten, in der vom 21. auf 22. war ich Wachhabender. Am 22. morgens um 8 wurden wir verladen und um 11 Uhr fuhren wir ab und zwar nach Norden zu. In Liart wurden wir umrangiert und fuhren nach Charleville, das uns um ½ 12 in Sicht kam. Dann nach Sedan und dort verpflegt. An der Bahnkreuzung hinter Sedan bogen wir um und fuhren auf Verdun zu.
Bei Dunkelwerden wurden wir in Dun-sur-Meuse ausgeladen und dann begann ein Nachtmarsch. Immer ein Dorf nach dem andern passiert und schließlich hielten wir in einer Ferme. Erst sollten wir im Freien schlafen! Nebel und Kälte. Dann fanden wir noch einen Raum und da legten wir uns todmüde hin.
Am 23. waren wir ebenso müde. Mittags wurden große Zelte aufgebaut für die Pferde und da legte ich mich hin, um etwas zu schlafen in einem Stall. Abends schliefen wir wieder in der Solferino-Ferme.
Am 24. morgens erwachte ich aus einem gesunden Schlaf; ich hatte mir ein gutes Lager erfochten. Um 7 Uhr war Antreten. Die Mannschaften gingen zum Ausbauen der Batteriestellung, ich blieb zurück.
30. Januar (Sonntag)
Mit diesem Sonntag ist heute ein wunderbarer Tag angebrochen. Ich liege auf der grasigen Halde hoch hinter unserer Batterie. Ein leichter Wind streicht über die verdorrten Halme und rauschend flüstern die Zweige mit ihren verdorrten Blättern vom Frühling. Frühlingsahnen zieht durch die Natur, die sich aufs Erwachen vorbereitet.
Da greift die rauhe Hand des Kriegers wieder voll hinein und weckt uns aus den Träumereien. Hämmern und Klopfen schallt von der Batterie herauf und hoch oben in den Lüften halten deutsche Kampfflieger die Franzosen von uns fern. Und doch liegt über allem eine weihevolle Sonntagsstimmung.
Seit dem 24. liegen wir nun in den großen Pferdezelten. Die erste Nacht wohl etwas feucht. Aber mit dem, dem Soldaten eigenen Anpassungsvermögen, wurden Pritschen hergerichtet und jetzt liegen wir sogar wieder auf Strohsäcken. Morgens um 7 Uhr gehen wir fort zur Batterie und abends um 7 Uhr umgekehrt kommen wir wieder zurück. So ist unsre Einteilung. Mit dem Leben waren wir mit der uns so langsam angewöhnten Genügsamkeit bald zufrieden. Nur die Post fehlt noch.
09. Februar (Mittwoch)
Heute sind wir endlich fertig mit den Arbeiten in der Batterie. Es brauchen nur noch einige Mann zur Beobachtung und zum Regiment. Hinter der Batterie liegt jetzt die Förderbahn. 3000 Schuß liegen in der Batterie. Die ganzen Vorbereitungen lassen auf einen noch nie dagewesenen Angriff schließen. Man erzählt sich, daß hier 3 Millionen Schuß nur für schwere Artillerie angefahren worden wären. Neben unsrer Batterie steht ein 28 cm Küsten-Mörser. Dann sollen noch 4 – 5 Batterien à 2 Geschützen davor hier stehen. 42er von beiden Arten, 30,5 also diese schwersten Kaliber stehen hier. Wir erwarten also sehnsuchtsvoll daß es hier losgeht. Wie da der Franzmann deutsche Hiebe spüren soll. Gestern war ich in Sivry (sur Meuse)an der Straße von Réville (aux–Bois) nach Ecurey werden Minen vergraben. Von Vilosnes über Sivry fährt zur Front eine Förderbahn mit Dampfbetrieb. Überall Leben und Bewegung. Man sieht, es werden die nächsten Wochen große Ereignisse zeitigen.
10. Februar (Donnerstag)
Gestern und heute haben wir sozusagen Ruhe. Ich esse und trinke, schlafe dazwischen lese die Zeitung. Gestern habe ich meine Waffen gereinigt, die in ziemlich schlechten Zustand waren.
12. Februar (Samstag)
Für die 2 Tage Ruhe habe ich schon wieder büßen müssen.
Gestern war ich vormittags auf der Kronprinzenhöhe (Höhenzug südöstlich Sivry) und erfror mir dabei fast die Beine. Von einem Reserve-Schützengraben sah ich mir dann die feindlichen Linien an. Auf dem Rückweg kamen wir dann an gut eingebauten Feldbatterien vorbei, an einigen ganz eigenartig gebauten 12 cm Batterien vorbei. Diese fahren wenn sie beschossen werden ganz einfach mit ihrem Geschütz vor in einen bombensicheren hinein. Dort haben diese zugleich Wohnraum und Schlafraum. Dann ging es über die kleine Benzolbahn, die Munition und Material fährt wieder den Berg herunter zur Batterie zurück. Nachmittags besuchte ich noch die Beobachtung. Heute morgen, bei meiner Unterkunft in der Batterie wurde mir eröffnet, daß ich als Befehlsempfänger zum Bataillon mußte, falls etwas abzuholen war. So mußte ich also zur Hauptbeobachtung und da hielt ich mich den ganzen Tage auf. Die Sicht war heute im allgemeinen schlecht wegen des Nebels. Deshalb wurde der Angriff, der heute schon stattfinden sollte auf morgen verschoben.
19. Februar (Samstag)
8 Tage weiter und wir sitzen noch immer an derselben Stelle. Das Wetter ist noch schlechter geworden. Ein starker Sturm weht durch die Wälder und fegt über die kahlen Höhen. Die hohen Buchenwipfel auf denen sich die Baumbeobachtungen befinden schwanken wie ein Schiff in Seenot. Wer sich längere Zeit oben aufhält, läuft Gefahr seekrank zu werden. Dazu bringt der West und Südwind unangenehme Regenschauer, die einen ganz empfindlich durchnässen können. Unsre Zelte drohen fortzuschwimmen oder zusammen zu stürzen von dem Sturm und dem Regen. Nichts wird mehr trocken. Glücklicherweise hat man die Hoffnung, daß mit jedem Tag ein Schritt näher zum schönen Wetter gemacht ist.
21. Februar (Montag)
Ein strahlender Tag ist heute morgen angebrochen. Seit gestern hat sich das Wetter geändert. Es ist kalt und wolkenlos geworden. Der erwartete Witterungsumschlag bei Vollmond. Strahlend hell ergießt sich die Sonne über die Maashöhen nördlich von Verdun die in kurzer Zeit das Saatfeld des Todes werden sollten. Als ich vom Knüppeldamm abbog durchzitterten die ersten deutschen Rollsalven die stille Morgenluft. Damit fing es an. Der Gedanke: “Jetzt geht es los“ beflügelte unsre Schritte und bei der Ankunft auf der Beobachtung war das Feuer schon auf der ganzen Front eröffnet. Abwechselnd schießen jetzt Gruppen und Regimenter, schwere und schwerste Geschütze. 11:20 Uhr wurde das Feuer auf die 2te Stellung verlegt. Um 12 Uhr wieder auf die erste. Bis 12 Uhr hatten wir schon 200 Schuß verfeuert. Mittags wurde abwechselnd die erste und die zweite Stellung beschossen. Um ½ 5 Uhr ging dann die Infanterie vor. Als ich nach Hause ging war die Höhe genommen. Unsre Verluste sind minimal. Die Franzosen sind überrascht, schießen fast gar nicht und laufen in Scharen über.
22. Februar (Dienstag)
Ganz planmäßig wurde heute das Dorf Haumont (près-Samogneux) genommen. Morgens und mittags von 5 Mörserbatterien beschossen, war das noch ziemlich unversehrte Dorf in kurzer Zeit ein Schutthaufen. Die Franzosen hatten es zu einem starken Stützpunkt ausgebaut. Als abends unsre Infanterie vorging, liefen die Franzosen scharenweise über. Nach kurzer Zeit war das Dorf deutsch. Noch bis zum Dunkelwerden war ich auf dem Hochstand und sah mir den zerschossenen Haumont-Wald und das fürchterlich zerstörte Dorf an.
23. Februar (Mittwoch)
Schon morgens um 8 Uhr wurde der Angriff gegen die Inselstellung westlich vom Dorf Haumont vorgetragen, die gegen 11 Uhr in unsrem Besitz war. Die Brabanter Stellung wurde so früh genommen, daß das Feuer nachmittags noch auf das Dorf Samogneux gelegt werden konnte, das abends um 10 Uhr in unsrem Besitz war.
24. Februar (Donnerstag)
Bis jetzt haben wir ohne Brabant und Samogneux 5187 Gefangene mit 67 Offizieren 10 Geschütze und 30 Maschinengewehren. Mittags kam die Höhe 344 in unsren Besitz. Die dahinter liegende feindliche Batterie 504 wurde samt Bedienung von unsrer Infanterie überrumpelt.Wir hatten mit unsrer Batterie diese Batterie noch im letzten Augenblick beschossen als unsre Infanterie schon 200 m davon noch war. Als ich die Beobachtung verließ kam die Nachricht daß sich die Franzosen auf der Straße Samogneux – Champneuville zurückzogen.
25. Februar (Freitag)
Nun war unsre Batterie zum Schweigen verurteilt, denn die Franzosen sind außerhalb unsrer Schußgrenze. Stellungswechsel steht bevor.
26. Februar (Samstag)
Gestern abend 6 Uhr kam der Befehl zum Stellungswechsel. Wir machten unser Gepäck fertig und luden es auf die Fahrzeuge. Dann fuhren wir zur Feuerstellung. Nachdem die Geschütze marschbereit waren und Oberleutnant Thiele noch eine Ansprache an die Batterie gehalten hatte, daß sie ihre Sache bisher gut gemacht hatte es stände aber noch Schwereres bevor, dann setzten wir uns in Marsch. Réville, Damvillers, Wavrille, Flabas, Gremilly.Ein Weg von mindestens 30 km zur neuen Feuerstellung die trotzdem nur 5 – 6 km von der alten lag. Am Abend gefallener Schnee und starke Kälte machten den Marsch ganz wintermäßig. Morgens um 9 Uhr kamen wir an den Haumont-Wald dessen Rand besonders fürchterliche Spuren der Beschießung aufwieß. Französische und deutsche Ausrüstungsstücke lagen umher. Ein richtiges Schlachtfeld. Nun fuhren wir in die hinter der Höhe liegende Schlucht. Bald rückten die Bedienungsmannschaften ab zum Bau der Stellung. Spiegel und ich gingen nochmal zum Haumont-Wald hinauf. Abends bauten wir uns dann Zelte auf.
28. Februar (Montag)
Diese beiden Tage waren für mich Ruhetage. Die Bedienungen gingen wohl zur Batterie. Ich wollte mal ausschlafen. Gestern wäre ich überhaupt nicht aufgestanden, wenn die Franzosen, die auf einmal eine ganz arge Tätigkeit entfalten nicht ganz empfindlich nahe hier geschossen hätten.
Heute sah ich mir die Höhe mit den Gräben, Hindernissen und Unterständen an. In einer Stellung, wo 2 franz. Feldgeschütze standen ist auch ein Munitionswagen mit Munition. Nicht weit davon ist ein Unterstand, der zugleich Munitionsraum, Wohnraum mit Ofen ist.
29. Februar (Dienstag)
Kaum waren die Leute gestern abend aus der Batterie zurück mußten sie schon wieder weg zum Bau der Beobachtung. Erst heute morgen kamen sie wieder. Heute muß ich doch wieder mit in die Batterie.
3. März (Freitag)
Ein Jahr im Feld. Die Nacht vom 1. zum 2. war ich als Nachtbeobachter auf Δ 344 und mußte Batterien anschneiden und auf Leuchtsignale achten. War ziemlich kalt und froh als die Nacht um war. Als ich abgelöst wurde, ging ich dann zur Protzenstellung zurück, aß etwas und besah und photographierte das französische 15 cm Schiffsgeschütz mit 6 m langem Rohr. Außerdem stehen da noch 4 französische Haubitzen, die trotzdem sie als Jahr der Herstellung 1900 zeigen, einen ganz eigenartigen Rohrrücklauf haben. Heute wurde ich vom Oberleutnant nach Beaumont geschickt, um über Verbleib und Befinden von Leutnant Kern Nachforschungen anzustellen, der gestern verwundet worden war. Der Ort ist schwer mitgenommen durch den Krieg. Gestern machte 7/4 Stellungswechsel, wozu wir heute früh 1 Uhr noch eine ganze Anzahl Mannschaften stellen mußten zum Herausziehen der Geschütze.
7. März (Dienstag)
Wir liegen noch an der selben Stelle, trotzdem der Angriff nicht zum stehen gekommen ist. Fort und Dorf Douaumont sind gefallen (am 29.II). Gestern haben 2 Divisionen die Maas überschritten und sich den Nordrand von Cumières erkämpft. Jeden Tag sind lebhafte Kämpfe, besonders der Artillerie. Das Gelände ist für uns sehr ungünstig, da es von den Franzosen gut eingesehen werden kann. Am Abend des 4. konnten die Franzosen einen Volltreffer in Mörser-Munition von 3/14 erzielen, der besonders viel Materialschaden, auch an Geschützen verursachte.
Die Witterung ist auch nicht besonders. Tags immer trüb und bewölkt, mit Regen und Schnee; nachts kalt und sternenklar. Ziemlich ungünstig für mein Nachtbeobachterspielen auf Δ 344.
Glücklicherweise kommt jetzt wieder öfters Post, wo ich fast regelmässig was dabei habe. Auch zu Hause vermuten sie schon, daß ich vor Verdun stehe. Das kann ich mir nicht erklären.
14. März (Dienstag)
Wir liegen immer noch an der gleichen Stelle. Verdun ist eine harte Nuß, trotzdem die Franzosen es schon als eine leere Eierschale bezeichnen. Am 11. war ich im Consenvoye-Wald, nicht weit von unsrer letzten Beobachtung zum Umtauschen eines Batterieplanes. Dabei erfuhr ich auch, daß Baldamus das E.K. (Eiserne Kreuz) bekommen hat. Der Weg war ziemlich beschwerlich aber interessant. Ich kam durch Dorf Haumont und über die Inselstellung.
Gestern war ich Zeuge einer furchtbaren Katastrophe durch einen franz. Volltreffer in die Munition von 1/6. Die Kartuschen gerieten in Brand und nach einiger Zeit flogen mehrere Stapel Langgranaten kurz nacheinander in die Luft. Sogar wir mußten uns fortwährend ducken, da große und kleine Stücke bei uns und über uns herunterflogen. Die Geschütze sind vollständig demoliert. Glücklicherweise hat die Batterie nur 2 Schwer- und 7 Leichtverletzte.
Die Folge davon war, daß die Bedienungen noch in der Nacht die Munition umpacken mußten (von unsrer Batt. natürlich).
Einen herrlichen Frühlingstag. Die Sonne kam prachtvoll heraus, ein klarer, schöner Himmel wölbt sich über dem Schlachtfeld von Verdun. Fliegerwetter! Schon am frühen Morgen donnerten die Abwehrbatterien, knatterten die Maschinengewehre. Unsere Flieger hatten heute einen ganz besonderen Glückstag. Es gelang ihnen, einen französischen Doppeldecker mit 2 Propellern herunterzuholen. Der Franzos landete unbeschädigt im Haumont-Wäldchen. Die Insassen versuchten noch das Flugzeug in Brand zu stecken, was ihnen jedoch nicht gelang.
15. März (Mittwoch)
Das alte Kriegstagebuch hat seine Schuldigkeit getan. Diesem Heft seien die Ereignisse anvertraut, die nun beginnen oder geschehen.
Ich habe vom gestrigen Tag noch etwas zu berichten: ein französischer Fesselballon riß sich los und kam zu uns rüber. Ob er’s bei den Franzosen aufgab? Der Insasse sprang vorher ab. Man sah ihn deutlich mit dem Fallschirm herunterschweben.
Leider wurde der gestrige Tag noch ein verhängnisvoller Tag für unsere Batterie. Kurz nachdem der französische Fesselballon endgültig über den deutschen Linien war, schlugen schwere französische Granaten in die Batterie. Sorgenvoll beobachteten wir die Einschläge von unserer Protzenstelle aus. Erst spät abends, als Meyer mich auf ∆ 344holte, erfuhren wir von ihm, daß gerade die letzten Granaten schwere Verluste in unserer Batterie verursacht hatten. Uoffz. Haaf tot, Ltnt. Fenchel schwer, Kan. Rosik schwer, Uoffz. Sackmann schwer, Becker schwer, Erdelbrock schwer, Uoffz. Talaszyk leicht, Kan. Bartusch leicht, Kan. Ideler leicht. Am gleichen Abend wurde noch Mocke verletzt durch einen Schlag mit der Hacke in das, was Goethe bezeichnenderweise mit einem Gedankenstrich bezeichnet.
18. März (Samstag)
Immer noch liegen wir in der zweiten Stellung vor Verdun. Tag und Nacht toben schwere Artilleriekämpfe, denn die Franzosen haben gewaltige Kräfte herangezogen. Die Ungewißheit des herrschenden Zustandes liegt peinlich und beklemmend auf unseren Sinnen. Vor uns gibt es nicht viel Neues. Rechts von uns haben wir das Rabengehölz und den Toten Mann genommen. Links griff heute das 10. Korps an. Ergebnisse sind bis jetzt noch nicht bekannt. Wir haben heute bloss Artillerie bekämpft. Auf die erste Salve hatten wir einen Volltreffer in die Kartuschen einer franz. Batterie. Die Mannschaften verließen die Batterie, wie ein Flieger feststellen konnte. Ich sah mir heute das zerschossene Dorf Haumont an. Die Zerstörung ist fürchterlich. An der Kirche waren Maschinengewehre in Beton eingebaut. Heute abend mußte ich noch einmal zum Oberleutnant und bekam eine starke Zigarre wegen des Anschneidens.
21. März (Dienstag)
Wintersende – Frühlingsanfang. Hoffentlich gehts im Frühling rascher vorwärts als im Winter. Der Angriff des 10. Korps hatte uns wenig eingebracht. Hoffentlich gehts auch nicht so weiter, daß die Munition schon bei uns in die Luft fliegt. Auch die Flieger zeigten wenig Eifer. 4 deutsche und ein französischer Flieger im Luftkampf, und der Franzose entwischte. Dafür holten aber dann unsere Abwehrgeschütze 3 Franzosen herunter, die brennend hinter unsern Linien herunterstürzten. Die Depression machte sich sofort bei den Franzosen bemerkbar. Flieger zeigten sich den ganzen Tag fast gar nicht mehr und auch die Fesselballone scheinen zurückgezogen worden zu sein.
29. März (Mittwoch)
Das Frühjahr hat uns schlechtes Wetter gebracht, Regen und Sturm, so daß es ziemlich ungemütlich ist. Heute war wieder ein etwas besserer Tag. Auch die Post kommt jetzt wieder besser nach, nachdem die Post der Feldpoststation 47 durch einen Flieger verbrannt worden ist. Von mir sind dabei auch Sachen verbrannt. Darunter Photographien und Films, was mich am meisten schmerzt.
Unsre Lage vor uns ist noch unverändert, nur tritt unsre Artillerie jetzt lebhafter auf, was zur Folge hat, daß die Franzosen sich ruhiger verhalten. Aber rechts, jenseits der Maas haben wir gerade gestern beträchtliche Erfolge gehabt. Bayern haben bei Avocourt angegriffen. Genaue Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Bei uns solls auch bald losgehen.
Seit heute haben wir im Zelt auch Stroh, macht sich schon angenehm bemerkbar. Ich will noch einige Karten schreiben und dann schlafen gehn. Morgen muß ich wieder auf 344. Darum Schluß.
1. April (Samstag)
Mir ist noch alles so wirr, daß ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Ich beginne gestern Abend, wo ich auf 344 zog. Eine schöne Nacht stand bevor. Sternklarer Himmel, lebhaftes Feuer der Franzosen. Flieger in der Luft, 7 deutsche Scheinwerfer suchen den Himmel ab. Auf den Beobachtungen wird lebhaft am Stollenbau gearbeitet, 4/6, 10. Batterie und auch bei uns. Dabei lebhafte Unterhaltung über ein aktuelles Thema: 2 Uoffz., 2 Obgefrt., 1 Gefrt. sollen nach Straßburg ins Ersatzbataillon. Die einen sagen zum Ausbilden von Rekruten, die andern zu einer Neuformation von 10 cm Kanonen. Ich kann nicht verstehen, wie einige scharf sein können aufs Wegkommen, ich wollte gar nicht von der Batterie. Die Nacht war schön wie erwartet und ganz schnell vorbei. Thierville, ein Vorort Verduns, brennt.
Heute Morgen ging ich herunter zur Batterie, um meine Anschneideergebnisse abzugeben und kam dann zur Sammelstelle. Die ungewöhnliche Wärme hatte mich müde gemacht. Nachdem ich gegessen hatte, legte ich mich schlafen. Um 3 Uhr wachte ich auf, als ich Tuiller draußen sagen hörte, es kämen weg von Unteroffiz. Efinger und ich, von Obgefrt. Lindemann Meister und Gefrt. Stachaviak. Die Nennung meines Namens elektrisierte mich. Als mir das dann draußen nochmals versichert wurde, faßte ich es als einen schlechten Aprilscherz auf. Dann wusch ich mich, inzwischen kam der Ersatz, 16 Mann von Zipperich geführt. Sie wurden auf die Fahrzeuge verteilt, da kam Rosenberg und versicherte mir bestimmt, daß ich namhaft gemacht worden wäre. Jetzt glaubte ichs doch so ziemlich. Also ich soll die Batterie verlassen? Die mir sozusagen ans Herz gewachsen ist? Es fällt mir wirklich schwer! Und jetzt! Vor Verdun, ein Vormarsch in Aussicht und nicht dabei, zur Untätigkeit verdammt vielleicht. Ich will noch nicht recht. Es ist ein Aufruhr in mir, der sich noch nicht gelegt hat, das verlassen Freunde, Bekannte, in neue unbekannte Verhältnisse eintreten, einer ungewissen Zukunft entgegen. Jetzt bin ich etwas mehr gefaßt, doch noch nicht beruhigt durch dieses Niederschreiben. Jetzt will ich mich zur Ruhe legen, ob ich bald einschlafe, ich muß erst ruhiger werden.
Anmerkung:
Unerwartet und überraschend kommandierte man Heinrich und einige seiner Kameraden zurück nach Straßburg, zum Standort des Fußartillerie-Regiments 14. Dort folgte Dienst in der 2. Ersatz-Batterie, in der Batterie 6H, Urlaub sowie Ausbildungs- und Exerzierdienst im 2. Rekrutendepot.
- zum nächsten Teil des Tagebuchs: Garnisons- und Ausbildungsdienst in Straßburg – April bis Juli 1916