Graf von Haeseler in den Argonnen

Haeseler
Graf von Haeseler

Gottlieb Ferdinand Albert Alexis Graf von Haeseler (* 19. Januar 1836 in Potsdam; † 25. Oktober 1919 in Harnekop) war ein preußischer Generalfeldmarschall.

Graf von Haeseler stammte aus der Magdeburger Familie von Haeseler und war der Sohn des preußischen Majors und Landrats Alexis Graf von Haeseler (1801–1889) und Albertine von Schönermarck (1812–1867). Haeseler besuchte die Ritterakademie in Brandenburg, das Pädagogium in Halle an der Saale und schließlich das Kadettenkorps. Er trat 1853 als Sekondeleutnant in das Zieten-Husaren-Regiment der Preußischen Armee ein und wurde 1860 Adjutant des Prinzen Friedrich Karl von Preußen beim III. Armee-Korps. In dessen Stab nahm er an dem Deutsch-Dänischen Krieg 1864 und dem preußisch – österreichischem Krieg 1866 teil. 1866 wurde er Eskadronchef im 15. Husaren-Regiment und 1867 zum Major ernannt.

Graf von Haeseler im Gespräch mit Offizieren

Haeseler lenkte früh die Aufmerksamkeit des Prinzen Friedrich Karl von Preußen auf sich (seit Juli 1860 dessen Adjutant). Diese Begegnung hat den Werdegang H.s entscheidend bestimmt. Nach den Kriegen 1864/66, an denen er im Stabe des Prinzen teilgenommen hatte, wurde er nach einjährigem Truppendienst als Eskadronschef im Husaren-Regiment Nummer 15 im März 1868 1. Generalstabsoffizier im III. Armeekorps. Er wurde nun mit verschiedenen organisatorischen Aufgaben betraut, den Vorarbeiten für die Mobilmachung, den Truppenübungen, der Anlage der Generalstabsreisen und schließlich der Durchführung der Mobilmachung im Juli 1870. Als sich Bazaine nach der Niederlage bei Vionville und Gravelotte nach Metz zurückgezogen hatte, wurde Haeseler beim Oberkommando des Prinzen Friedrich Karl dem Stabe zugeteilt, dem die Einschließung der Festung und die Abwehr feindlicher Ausfälle oblag.

Seit 1874 Kommandeur des Ulanen-Regiments Nummer 11, wurde Haeseler 1879 mit der Leitung der Kriegsgeschichtlichen Abteilung im Großen Generalstab betraut. 1890 wurde er Kommandierender General des neu aufgestellten XVI. Korps in Lothringen. Wegen Erreichung der Altersgrenze wurde er 1905 pensioniert (1907 Generalfeldmarschall). Im 1. Weltkrieg erhielt er kein Kommando mehr, hielt sich jedoch als Beobachter bei seinem XVI. Korps auf.

Haeselers Schwerpunkt liegt vor allem in der kriegsmäßigen Ausbildung der Truppen in einer langen Friedenszeit. Er gehörte zu jenen Offizieren, die bereit waren, aus den Erfahrungen des Krieges 1870/71 zu lernen. Haeseler war davon überzeugt, daß ein künftiger Krieg eine andere strategische und taktische Planung sowie auch eine andere Erziehung des Offizierkorps und der Mannschaften erfordere. Er traf sich in dieser Anschauung mit seinem Schüler Colmar von der Goltz. Seine Vorstellungen kreisten um drei Zentralprobleme: die Loslösung von der starren Form des Festungskrieges, Erhöhung von Beweglichkeit und Offensivkraft des Operationsheeres und endlich die Erziehung des Einzelkämpfers zu größerer Selbständigkeit.

Die strategische Planung verdankt Haeseler wertvolle Anregungen. Was später Graf Schlieffen durchführte, hat Haeseler bereits in den 80er Jahren geraten, im Falle eines Mehrfrontenkrieges den Schwerpunkt der Kriegführung nicht mehr im Osten, sondern im Westen zu bilden. Die Bedeutung der modernen Technik für die Kriegführung hat Haeseler allerdings mehr geahnt als in der vollen Tragweite erkannt. Haeseler hat sehr viel für die Ausbildung der Kavallerie getan, ihren Hauptwert nicht in der Attacke, sondern in der Aufklärung gesehen. Es ist ihm kaum als Vorwurf anzurechnen, daß auch er noch die Bedeutung der Kavallerie in einem modernen Krieg überschätzt hat; es ist in keinem Land klar erkannt worden, daß die große Zeit der Kavallerie zu Ende ging.

Haeselers besondere Leistung liegt in seinen Ausbildungsmethoden. Er war davon überzeugt, daß schon in Friedenszeiten an den Offizier, die Mannschaften, Pferde und das Material kriegsmäßige Anforderungen gestellt werden müßten. Ihm kam es dabei vor allem darauf an, die physische, moralische und seelische Widerstandskraft so zu steigern, daß sie auch der Belastung im Kriege gewachsen war. Er hat mit seinen Truppen Marschleistungen vollbracht, die früher undenkbar gewesen wären. Er scheute nicht einmal davor zurück, bei Übungen und Manövern körperliche Verletzungen und bedeutende Sachschäden zu riskieren, um einer kriegsmäßigen Situation möglichst nahezukommen. Die offenbare Einseitigkeit und Übertreibung, mit der er vorging, fand begreiflicherweise weder bei seinen Untergebenen noch im höheren Offizierkorps ungeteilten Beifall. Aber Haeseler hat niemals seine eigene Person geschont. Bei aller Strenge im Dienst besaß er einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. So gelang es ihm, aus dem XVI. Korps eine Mustertruppe zu bilden. Haeseler gehörte noch jenem Typus des preußischen Offiziers an, dem die Sache alles, der Schein nichts galt. Für seine Überzeugungen trat er unbedingt ein. Als Mitglied des preußischen Herrenhauses hat er gegen das gegen die Polen gerichtete Sprachengesetz öffentlich Stellung genommen.|

Aus Kraft, Heinz, “Haeseler, Gottlieb Graf von” in: Neue Deutsche Biographie

Graf von Haeseler setzte sich im Ruhestand für die polnischen Landarbeiter rund um Harnekop-Stermbeck bei Strausberg in Brandenburg ein, wo die Familie ein Herrenhaus besaß und Ländereien bewirtschaftete. Bald waren sein Obst, seine Zuchtschafe und seine neuen ungewohnten Wege in Land- und Forst-Wirtschaft in weiten Teilen von Berlin und Brandenburg bekannt.

Schloss Harnekop, auch Schloss Monchoix genannt in Harnekop-Prötzel

Schloss Harnekop, auch Monchoix genannt, wurde zwischen 1712 und 1717 erbaut. Im Frühjahr berherbergte das Schloss den Führungsstab der Oderfront der Wehrmacht. Bei ihrem Rückzug sprengte die Wehrmacht das Schloss. Die Trümmer wurden von den Dorfbewohnern nach Kriegsende als Baumaterial genutzt. Die letzten Reste des Schlosses beseitigte die DDR 1970 und errichtet an dem Standort den Bunker der Hauptführungsstelle des Ministeriums für Nationale Verteidigung (MfNV) der DDR.

Graf von Haeseler wurde in der Gruft vor dem Altar der Harnekoper Dorfkirche zwischen seinen Eltern beigesetzt. Über der Gruft brachte man eine Gedenktafel an, die nach 1945 beseitigt wurde.


Kirche in Harnekop
Haeselerstein des Freundeskreis Graf von Haeseler
Berichte über Graf von Haeseler:

Gottfried Rinker, Offizier im IR 120, berichtet: “Generalfeldmarschall Graf von Häseler stellte sich bei der Feldküche ein. Wir sahen ihn in der Folgezeit öfter. Als Quartier hatte er sich Cornay ausersehen. Meist ritt er
mutterseelenallein durchs Gelände auf seinem langschwänzigen Falben. Er hatte keine Aufgabe. Lediglich als Schlachtenbummler befand er sich beim A.O.K.5.”

Bericht des I.R. 145:
“Am 9. Juli fand in Gegenwart des Armeeführers, Kronprinz Wilhelm, und des alten Generalfeldmarschalls Graf v. Häseler ein feierlicher Dankgottesdienst bei der les Haquets Fe., südlich Lancon, statt. Der evangelische Div. Pfarrer Gruner der 27.Inf.-Div. und der katholische Div. Pfarrer Dr. Erxleben der 34. Inf.-Div. hielten Ansprachen, der Kronprinz schloß Worte höchster, ehrlichster Anerkennung an und verteilte 600 Eiserne Kreuze. Unter den Klängen des York‘schen Marsches und dem aus dem Argonnerwalde herübertönenden Donner der Geschütze defilierten die mit Eichenlaub geschmückten Fahnen der siegreichen Regimenter vor den Führern der 5. Armee und des XVI. Korps vorbei, die ihre Argonnenkämpfer nicht nur schätzten, sondern auch zu ehren verstanden.”

Aus der Saarbrücker Zeitung vom 08. Mai 2018
Der „grobe Gottlieb“ und ein böser Satz

Gottlieb von Haeseler wird immer wieder in Verbindung mit einem menschenverachtenden Zitat gebracht. Taugt der preußische General damit noch als Namensgeber der Kaserne in Lebach? Ein Historiker ging dem ungeheuren Vorwurf nach – und gibt Entwarnung.

„Grober Gottlieb“ und „Teufel von Metz“ wurde er zu Lebzeiten genannt – ein Hinweis, dass Gottlieb von Haeseler (1836-1919), preußischer Generalfeldmarschall und Namensgeber der Graf-Haeseler-Kaserne in Lebach, nicht gerade zimperlich mit seinen Untergebenen umging. Das scheint dem Vorwurf, der bis heute immer wieder gegen ihn erhoben wird, eine gewisse Plausibilität zu verleihen: Als Kommandierender General des in Lothringen stationierten XVI. Armeekorps soll von Haeseler seinen Soldaten 1893 in Metz zugerufen haben: „Es ist notwendig, dass unsere Zivilisation ihren Tempel auf Bergen von Leichen, auf einem Ozean von Tränen und auf dem Röcheln von unzähligen Sterbenden errichtet.“

Ein unerhörter Satz, der an Menschenverachtung kaum zu übertreffen ist. Darf nach so jemandem in einem demokratischen Land eine Kaserne benannt sein? Weil der Satz seit Jahren immer wieder in Verbindung mit von Haeseler genannt wird (die Linksfraktion thematisierte dies auch im Bundestag), nahm sich die Bundeswehr der Sache im vorigen Jahr an – mitten in einer Zeit, da öffentlich wieder über die Tradition der Streitkräfte diskutiert wurde.

Am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam prüfte Heiner Bröckermann, ein promovierter Historiker im Rang eines Oberstleutnants, den Fall. In seinem Gutachten, das der SZ vorliegt, gibt Bröckermann Entwarnung. „Meine Recherche hat gezeigt, dass dieses Zitat nicht von Haeseler stammt. Es ist einfach falsch“, sagt er.

Doch wo kommt der Satz dann her? In einem Buch aus dem Jahre 1995 habe der Historiker Jakob Knab, der sich seit Jahren kritisch mit der Traditionspflege der Bundeswehr befasst, als Quelle ein 1946 erschienenes Buch angeführt, in dem das Zitat aber nicht belegt werde. „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“, so Bröckermann, stamme es aus einem Beitrag in der „Schweizer Rundschau“ (1945), der es frei übersetzt aus dem Buch eines US-Psychiaters aus dem Jahr 1943 übernommen habe. Dieser Psychiater wiederum gebe als Quelle eine französische Zitatensammlung aus dem Jahr 1915 an, die in einer Fußnote auf das Buch eines deutschen Militärdozenten von 1914 verweist. Das vermeintliche Zitat von Haeselers sei tatsächlich aber die eigene Meinungsäußerung dieses Dozenten gewesen.

Auch wenn sich dieser Vorwurf also in Luft aufgelöst hat, ganz unumstritten war von Haeseler bereits zu Lebzeiten nicht, weil er sein ganzes Leben konsequent auf den Militärdienst ausrichtete und seine Soldaten „kriegsnah“ und oft bis zur Erschöpfung ausbilden ließ – von Paraden zur Repräsentation hielt er nichts. Anerkennung, so Bröckermann, habe er jedoch dadurch gewonnen, dass er sich selbst nicht geschont habe. Dem Junggesellen wird ein asketischer Lebensstil nachgesagt, der einzige Wandschmuck in seiner Metzer Dienstwohnung soll ein Thermometer gewesen sein. Er rauchte nicht, aß und schlief wenig und trank angeblich nur einmal im Jahr Alkohol („ein Viertelglas Sekt“ an Kaisers Geburtstag).

Bröckermann schreibt, in von Haeselers dienstlichem Leben fänden sich gleichwohl „viele Facetten, die heutigen Soldaten durchaus als nachvollziehbar und vorbildhaft erscheinen können“. So habe er auf allen Ebenen „den Typus des mitdenkenden Soldaten“ gefordert (seit Gründung der Bundeswehr als „Innere Führung“ bekannt); in dieser konsequenten Form sei dies im wilhelminischen Kaiserreich eine Ausnahme gewesen. Als Mitglied des Preußischen Herrenhauses (ab 1903) setzte er sich zudem für die polnische Minderheit ein.

Für heutige Generäle allerdings völlig undenkbar ist von Haeselers „Ruhestand“: Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, verlangte von Haeseler – inzwischen 78 Jahre alt – wieder ein Truppenkommando. Dies wurde ihm zwar verwehrt, er durfte sich aber als militärischer Berater im Hauptquartier des XVI. Armeekorps aufhalten. Bereits Ende September 1914, so Bröckermann, habe von Haeseler die Auffassung vertreten, dass der Krieg beendet werden müsse. Als er 1916 schwer stürzte, zog er sich auf sein Gut im heutigen Brandenburg zurück und starb dort 1919.

Orte die nach Graf von Haeseler benannt worden sind:

Haeseler-Brücke: Von Pionieren des XVI. A.K. erbaute Kolonnenbrücke bei Vilosnes.

Haeseler-Tunnel: Soldaten des Argonnen-Korps errichteten in der Sichel-Schlucht (beim Four-de-Paris) einen unter der Schlucht herführenden Tunnel, so dass sie von den Franzosen unerkannt die Schlucht durchqueren konnten.