Aufstellung der 6. Reserve-Division
Der 6. Reserve-Division zugehörige Einheiten
- Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 24
- Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 35
- Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 20
- Landsturm-Infanterie-Bataillon Heilbronn
Weitere beteiligte Einheiten
- Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 221 und 223
- Minenwerfer-Bataillons IV
- M.G.S.S. Abt. (Maschinengewehr-Scharfschützen-Abteilung) 52
- Ulanen Eskadron
- Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 6
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Dem nachstehenden Gefechtsbericht dienen als Unterlagen:
- Das Kriegstagebuch der 6. Reserve-Division. Die in ihm festgelegten Besprechungen und Ferngespräche wurden stets von einem Ordonnanzoffizier, in der Regel dem 1. Ordonnanzoffizier, mitgeschrieben.
- Meine persönlichen Unterlagen (Anm. Unterlagen des Generalleutnant Alfred Dieterich – Divisionskommandeur)
- Gefechtsberichte der Regimenter, welche bald nach dem 20.08.17 vorgelegt wurden und sich auf den persönlichen Erlebnissen und Eindrücken der Kommandeure und eingehenden Vernehmungen sämtlicher aus der Schlacht zurückgekehrten Offiziere und Mannschaften gründeten und durch die während der Schlacht an die Division erstatteten Meldungen ergänzt wurden.
- Die Berichte der am 20. und 21.08.17 in Gefangenschaft geratenen und im Sommer 1918 zur Division zurückgekehrten Ärzte.
- Die Berichte der am 20. und 21.08.17 in Gefangenschaft geratenen Majore von Ahlefeld, Kommandeur des R.I.R. 24, und Büttner, Kommandeur des II./ R.I.R. 24, welche im Oktober 1919 mit einem Lazarettzug aus der Gefangenschaft zurückkehrten und mir sofort nach Rückkehr ihre kurz nach der Gefangennahme gemachten Aufzeichnungen übersandten.
- Der im November 1919 abgeschlossene Gefechtsbericht wurde, nach Rückkehr weiterer Kriegsgefangener, im Jahre 1921 in Einzelheiten ergänzt.
Nachdem ich Ende April 1917 zum Kommandeur der 6. R.D. ernannt worden war, traf ich sie um Mitau versammelt an, bereit, nach der Westfront überführt zu werden. Die Division, welche entscheidenden Anteil an der Einnahme Antwerpens und mit Auszeichnung an der Yser gekämpft, sich in der Schlacht an der Rawka-Bzura (Anm. Schlacht bei Humin Jan/ Feb 1915), dem Vorstoß durch Litauen und Kurland und den Schlachten um Schaulen und bei Kekkau glänzend bewährt hatte, war stolz auf ihre Waffentaten und besaß ein hohes Selbstbewusstsein, begründet in dem scharf ausgeprägten Gefühl, dass es die eherne Pflicht jedes einzelnen sei, auch in Zukunft den ruhmvollen Traditionen der Division getreu sich zu verhalten. An der Spitze der Truppen standen Kommandeure, welche sich bisher überall durch Tapferkeit und entschlossene, sichere Führung ausgezeichnet, und es verstanden hatten, den Geist restloser Hingabe und Pflichttreue bei ihren Truppen zu erhalten und zu fördern. Sie gewannen auch mein Vertrauen und haben es nie getäuscht.
Die Division wurde Anfangs Mai nach der Front von Verdun geführt und am 13. Mai auf dem “Toten Mann” eingesetzt.
Vor dem deutschen Angriff auf Verdun im Frühjahr 1916 hatte die I. Stellung auf den Höhen hart nördlich des Forges-Baches-Tale gelegen. Von dieser Ausgangsstellung war damals in Angriff das Gelände südlich des Forges-Bach-Tals bis einschließlich “Toter Mann” und Cumières gewonnen, bis plötzlich, mit Rücksicht auf die Kriegshandlungen an anderen Stellen der Front weiterer Angriff eingestellt werden musste. Dieser Umstand erklärt die großen Schwächen der Stellung.
Ihre Kernpunkte wurden durch die Doppelkuppe des “Toten Mann”, dessen Vorderhang Gräben von der französischen Stellung der Höhe 304 einzusehen waren und die Caurettes-Höhe mit einer vorgelagerten kleinen Kuppe gebildet. Nach Westen fällt das Gelände in flachen Wellen zum “Heckengrunde” ab, der sich in 1 km Breite von Norden nach Süden erstreckt und mit Artillerie- und MG-Feuer beherrscht werden konnte. Ebenso schließt sich östlich der Caurette-Höhe die tiefe Maas-Niederung mit breitem, offenen Wiesengelände an, dass in der nassen Jahreszeit ungangbar ist im Sommer 1917 jedoch völlig trocken und bei den August Kämpfen von großer Bedeutung wurde.
Der “Heckengrund” und das Maastal erforderten besondere Maßnahmen, die in Gestalt von zahlreichen durch M.G. bestrichenen Hindernissperren, Abriegelungen, Flankierung und Bestreichung durch M.G. und Artillerie ausgebaut wurden.
Beim Angriff gegen den “Toten Mann” und die Caurettes-Höhe konnte der Gegner seine Angriffsbewegungen nahezu unbemerkt und geschützt heranführen und bereitstellen, sowie nach Zerstörung unserer vordersten Linien auf den Höhen schnell Fuß fassen. Die Einnahme der nördlichen Kuppe des “Toten Mann” musste mit der Beobachtung auch die Beherrschung des Forge-Bach-Tals zur Folge haben. Es kam also darauf an, dem Feind die Vorteile für den Angriff auf die Höhenstellung zu nehmen. Hierzu gehörte vor allem die Sicherung der Beobachtung auf die feindlichen Stellungen. Neben der Bedeutung der seitlichen Beobachtung vom Osthange der Höhe 304, sowie vom Talou-Rücken und der Regensburg Stellung war von besonderem Wert die nur aus der vordersten Stellung mögliche und immer weiter zu vervollkommene Beobachtung in die Chattancourt-Mulde, die der Gegner erfahrungsgemäß zum Heranführen von Reserven nutzte.
Die sich östlich an den “Hohen-Gänserücken” anschliessende Regensburg-Stellung war durch den kulissenartig sich verschiebenen Talou-Rücken gedeckt. Ihr Ausbau konnte durch dort eingesetzte schwache Landsturmtruppen nur mangelhaft gefördert werden.
Eine verhängnisvolle Schwächung der Stellung bedeutete der 2 km hinter den vordersten Linien sich hinziehende 300 bis 500 m breite Forges-Bach-Grund. Er musste im Grosskampf Führung und Versorgung der Truppe in aussergewöhnlichem Maße erschweren. Die Division liess daher die Zahl der Übergänge, unter möglichst verdeckter Anlage, vermehren.
Unter dem Forges-Bach-Grund litt auch die Fernsprech-Verbindung mit der Kampfstellung erheblich, da ihre Leitungen an die Übergänge gebunden und daher planmässig besonders starkem Feuer ausgesetzt waren.
Gedeckte Verbindungen von Nord- und Südhang des “Toten Mann” wurden durch den westlich seiner Kuppen geführten 1000m langen Kronprinzen-Tunnel, der vom Rabenwald zur Caurette Mulde führenden 800m langen Gallwitz-Tunnel und den, die Nordkuppe des “Toten Mann” mit seiner Süd-Kuppe verbindenden kleinen Runkel-Tunnel. Der Kronprinzen- und der Gallwitz-Tunnel waren als Verkehrsadern mit Förderbahnen anschliessend an das rückwärtige Förderbahn-Netz ausgebaut und enthielten in Seitenstollen Verpflegungs- und Munitionsniederlagen, Beleuchtungs- und Sanitätsanlagen, Brunnen und vorgeschobene Waffenmeister-Werkstätten, sowie Funkstationen. Die Decken waren etwa 10 m stark, zum Teil stärker, wurden jedoch an den Nord- (Haupt-)eingängen allmählich schwächer. Da hier mit dem Einschiessen der Decken zu rechnen war, liess die Division den Einbau von Abschlusswänden vorbereiten.
Als die Division in Stellung kam, wurde dem Regiment 35 der Abschnitt “Rote Erde” beiderseits des “Heckengrundes”, dem Regiment 20 der Abschnitt “Niederrhein” mit den Kuppen des “Toten Mann”, dem Regiment 24 der Abschnitt “Braunschweig” mit dem Caurettes-Wäldchen und Cumières zugewiesen, während die Regensburg-Stellung Landsturm-Truppen verblieb. Die Regiments-Gefechtsstände befanden sich am Nordhang des “Toten Mann” und des “Hohen Gänserücken”, der Brigade-Gefechtsstand in den “Hagen-Stellung”.
Die Artillerie bildete eine Nahkampf-Gruppe, gemischt aus Feld- und schweren Batterien, mit 3 Untergruppen entsprechend den Infanterie-Regiments-Abschnitten und eine Fernkampfgruppe mit 2 gemischten Untergruppen. Die Gefechtsstände der Artillerie befanden sich in der Hagen-Stellung.
Die ersten Wochen verliegen verhältnissmässig ruhig. Die Truppen gingen mit Eifer an den Ausbau ihrer neuen Stellung. Eine besondere Sorge bildeten die Durchführung und Verstärkung der grosse Lücken zeigenden Hindernisse, die Entwässerung der tiefergelegenen, versumpften Gräben, die Anlage von Schulterwehren und Masken in den von der Seite einsehenden Gräben, sowie der Ausbau verdeckter MG-Nester im Zwischengelände und tiefer Stollen mit mehreren Ausgängen. Die erste Linie wurde Postenlinie, die zweite als Hauptstellung ausgebaut.
Ein unentwirrbares Netz von toten Fernsprechleitungen zog sich in den Gräben und dem Zwischengelände hin und bildete mit der Unmasse von umherliegenden Draht und alten Kabelstücken eine stete Gefahr für die Möglichkeit des Abhörens. Es bedurfte wochenlanger Arbeit der Truppen, um Ordnung in dieses Chaos zu bringen.
Zu schweren Bedenken gab auch die rückwärtige Lage der Fernsprechleitungen Anlass. Die Masse der Hauptleitungen – noch vom Angriff 1916 herrührend – lief an einem Gestänge längs der Maas-Chaussee. Bei einem Grossangriff mussten sie unter planmässigem Feuer liegen und durch wenig gutsitzende Schüsse in ihrer Gesamtheit außer Betrieb gesetzt werden. Zum völligen Umbau dieser Leitungen fehlten der Division Kräfte und Material. Sie konnte nur einige neue Leitungen vom Divisions-Stabs-Quartier nach wichtigen Stellen der Front führen lassen.
Alle Batterien legten Wechselstellungen fest und bauten sie aus. Ende Juni setzten die Kämpfe der Maas-Gruppe West um die feindliche Stellung Avocourt-Wald bis zur Höhe 304 und an der Strasse Avocourt – Esnes ein, welche sich über Mitte Juli hinzogen. Die 6. Reserve-Division war an ihnen mit ihrem rechten Flügel, im Übrigen mit starken Teilen ihrer Infanterie-, teils in unmittelbarer Unterstützung der Nachbardivision, teils in Ablenkungsunternehmungen und mit ihrer gesamten Artillerie beteiligt. Unter der Gegenwirkung der französischen Batterien, welche sich am kräftigsten gegen die flankierende und ihnen deshalb besonders unangenehme Artillerie der 6. Reserve-Division wandte, litt nicht nur diese, sondern auch die Infanterie erheblich.
Dazu kamen von Anfang Juni bis Anfang August mehrfache grössere Patrouillen-Unternehmungen der Division, an denen ausser Teilen der Infanterie starke Verbände der Artillerie und Minenwerfer beteiligt waren. Die blutigen Verluste der Division betrugen bis Ende Juli 24 Offiziere und etwa 1000 Mann. Dazu kam, dass durch die unaufhörlichen Kämpfe und Unternehmungen alles körperlich und seelisch stark mitgenommen war.
Auch die Ruhetage – für ein Drittel der Infanterie und eine Feldbatterie – konnten dies nicht ausgleichen. Sie dienten nicht nur Arbeiten in rückwärtigen Kampfstellungen und Vorbereitungen für die Unternehmungen, sondern mussten vor allen auch ausgenutzt werden, um die Truppen, welche im Osten dauernd eingesetzt und zur Ausbildung kaum gekommen waren, in den für sie neue Formen des Kampfes an der Westfront zu schulen.
Im Juli musste die Division von ihren leichten M.G. 2/3 ihres Bestandes an bedrohte Fronten abgeben, sodass jeder Kompagnie nur 1 leichtes M.G. verblieb.
Anfang August war das Rekrutendepot einschliesslich eines im Juli zugeführten Ersatz-Transports fast völlig aufgebraucht. Weiterer Ersatz konnte nicht gestellt werden. Die Kampfstärken der Truppen sanken zusehends, obwohl die Division durch sparsamen Einsatz die Kräfte nach Möglichkeit zu schonen suchte.
Mitte Juli wurden die Front-Divisionen der Maas-Gruppe West um eine vermehrt. Die Reserve-Division behielt nach Abgabe ihres am Osthang der Höhe 304 gelegenen Bataillons-Abschnittes eine Frontbreite von 5,2 km, (ohne Regensburg-Stellung), während die zwei neu eingesetzten Divisionen auf Höhe 304 nur Fronten von etwa 3 km zu decken hatten; ein Missverhältnis, welches durch die Auffassung bedingt war, dass bei dem zu erwartenden französischen Grossangriff sich auf dem westlichen Maasufer der Hauptstoss gegen Höhe 304 richten würde.
Die Anzeichen für einen Grossangriff beiderseits der Maas mehrten sich. Nachdem nach Feststellung des Kommandeurs der Luftschiffer beim A.O.K. V schon vom 05. bis 11.08. das stärkste Feuer der Armeefront auf dem “Toten Mann” gelegen hatte, begann am 12. August der französische Artillerie-Angriff mit einem Feuer schweren und schwersten Kalibers, wie es die Division noch nicht erlebt hatte.
Auch die Batterien der 6. Reserve-Division traten in die Artillerie-Schlacht ein. Allnächtlich wurde aus allen Rohren Störungsfeuer auf alle Fern- und Nahziele und, sobald mit Ansammlungen von Angriffstruppen zu rechnen war, Vernichtungsfeuer abgegeben. Wiederholt wurden planmässig feindliche Artillerie-Nester vergast. Die Tagestätigkeit galt der planmässigen Bekämpfung der feindlichen Artillerie und Minenwerfer, der Zerstörung von Gefechtsständen, Beobachtungsstellen, Unterständen und Munitionslagern, sowie der Bekämpfung der Ballons. Beobachtete Bewegungen wurden unter Störungs- und Vernichtungsfeuer genommen. Besondere Batterien schweren Flachfeuers waren für Bekämpfung der Bahnklauen eingesetzt.
Auch die Minenwerfer der Division beteiligten sich nach Möglichkeit an den Tages- und Nachtaufgaben der Artillerie. Zum Vergasen der feindlichen Artillerie wurden auf Befehl der Gruppe 4 Feldbatterien in den Forges-Bach-Grund und südlich vorgezogen. Für alle hier stehenden Batterien, 5 Feld- und 4 schwere machte die Munitionszufuhr ungeheure Schwierigkeiten. Die Wege zu ihnen lagen meist im Gas und waren bald derart mit tiefen Trichtern bedeckt, dass die Munition zu ihnen von weit her nur noch durch Mannschaften vorgeschafft werden konnte.
Seit dem 13. August lag wechselnd der gesamte Kampfabschnitt der Division unter Gas, nicht nur die Batterien, der Forges-Bach-Grund, das Maas-Tal, sondern, auch die Infanteriestellungen. Eine Bewegung von Truppen in der Nacht durch das tiefe Trichtergelände mit Gasmasken war ausgeschlossen. Offiziere und Mannschaften halfen sich vielfach dadurch, dass sie die Masken absetzten, nur den Atemeinsatz in den Mund nahmen und die Nase zuhielten. Aber auch dies konnte auf Dauer nicht durchgeführt werden. Dazu kam, dass das Gas die Speisen zum Teil ungeniessbar machte und zahlreiche Magen- und Gaskranke verursachte.
Auch der Geschützausfall, besonders bei den im Forges-Bach-Grunde und südlich desselben feuernden Batterien, wurde immer grösser, obwohl nach Möglichkeit, Wechsel- und Geländestellungen eingenommen wurden.
Am 14. August waren sämtliche Beobachtungsstellen auf dem “Toten Mann” eingeschossen und die Beobachtungsstellen auf dem “Hohen Gänserücken” durch Zerstörung ihrer Leitungen meist unwirksam. An demselben Tage wurde die Decke des Kronprinzentunnel durchschlagen, der Gefechtsstand des Regiment 24 und mehrere Bataillonsgefechtsstände vernichtet. Der Gefechtsstand des Regiment 24 wurde zunächst nach einem in der Nähe gelegenen Sanitätstollen und, als auch dieser unbrauchbar wurde, auf meinen Befehl nach dem Gallwitz-Tunnel verlegt. Sämtliche Brücken über den Forges-Bach-Grund waren zerstört, mit Lücken von bis zu 70m. An ihrer Wiederherstellung blieben die Pioniere restlos tätig, eine Arbeit, welche im schwersten Feuer und Gas ausgeführt werden musste und doch fast vergeblich war. Auch die Fernsprech-Verbindungen über den Forges-Bach-Grund wurden immer wieder zerstört. Der Angriff schien unmittelbar bevorzustehen.
In der Nacht zum 15. August liess Maas-Ost den Talou-Rücken planmäßig räumen, bis auf eine Sicherheitsbesatzung, welche bei feindlichem Grossangriff gleichfalls zurückgehen sollte. Hierdurch wurde die “Regensburg-Stellung” gleichfalls Hauptstellung und einem feindlichen Angriff unmittelbar ausgesetzt. Ich hatte schon bei Übernahme der Stellung meine Bedenken geäussert, dass die 3 km ausgedehnte “Regensburg-Stellung” so wenig ausgebaut und auch mit schwachen zur Verfügung stehenden Kräften – anfangs 3, sehr bald nur 1 Landsturm-Bataillon (Anm. Landsturm-Infanterie-Bataillon Heilbronn), welches längere Zeit ein bis zwei Kompagnien zum Ausbau der “Hagen-Stellung” abzugeben hatte – eine durchgreifende Besserung nicht zu erwarten sei. Die Gruppe hatte darauf hingewiesen, dass nicht nur der Talaou-Rücken, sondern auch die ungangbaren Maaswiesen die “Regensburg” Stellung vor einem Angriff sicherten.
Die Absicht der Maas-Gruppe Ost, den Talou-Rücken bei einem Grossangriff aufzugeben, wurde der Division erst spät im Juli bekannt. Wenn trotz Aufgabe des Talou-Rückens die Stellungen südlich des Forges-Bach-Tales gehalten werden sollten, so wäre es richtig gewesen, im Abschnitt der 6. Reserve-Division – unter Aufgabe der Caurettes-Höhe und von Cumières – sich auf die Verteidigung des “Hohen Gänserückens” im Anschluss an den “Toten Mann” zu beschränken. Dies war jedoch nicht möglich, da der Gallwitz-Tunnel bis zur Caurettes-Höhe durchgeführt war. So schlug ich vor, die Caurettes-Höhe als Hauptstellung beizubehalten und sie von ihrem Osthange durch einen stärker auszubauenden Riegel, welche die im Grunde liegenden Trümmer von Cumières und die Maaswiesen beherrschte, mit dem “Hohen Gänserücken” zu verbinden. Dies wurde ausgeführt. Cumières mit den nach Osten anschliessenden Gräben und den Maaswiesen wurde Vorstellung.
Mit der in der Nacht zum 15. August erfolgten Räumung des Talou wurde die “Regensburg-Frage” brennend. Aber trotz aller Anträge der Division und dem Hinweis, dass die Maaswiesen jetzt völlig trocken seien, verblieb ihr für die Besetzung dieser 3 km langen Stellung nur ein Landsturm-Bataillon.
Am Morgen des 15. August musste das Divisions-Stabs-Quartier, welches seit dem 13.08. wiederholt mit starken Feuerüberfällen belegt worden war, von Haraumont nach Liny verlegt werden. Wenige Stunden später war die Gefechtsstelle in Haraumont durch feindliche Artillerie zerstört.
An demselben Tage traten erstmals französische Minenwerfer gegen die Division in Wirkung. Als eins ihrer ersten Opfer wurde Hauptmann Seidel, der Kommandeur des III./24, beim Begehen seiner Stellung von einer Mine zerrissen. Die erste und zweite Zwischenstellung bestand nur noch aus Trichtern, fast sämtliche Stollen hier waren eingeschossen. Die Stollen der vordersten Linien (Postenlinien) waren schon vor Monaten auf Befehl der Division soweit zugeschüttet, dass nur flache Deckungen verblieben. Viele Stollen, auch in den Batteriestellungen, waren durch Kohlenoxyd unbrauchbar.
So lagen die Offiziere und Mannschaften überwiegend in Trichtern, nur wenige Gefechtsstände hielten sich noch in Stollen, meist in Verbindung mit den Tunneln. Aber auch in den Trichtern wurden Offiziere und Mannschaften immer wieder verschüttet. Es war nicht selten, dass täglich bei mehreren Kompagnien fast jeder Mann ausgegraben werden musste. So wurde in diesen Tagen die 11./24 durch plötzlich einsetzendes Feuer bis auf den letzten Mann in ihren Trichtern verschüttet. Die vom Bataillon ausgesandten Gefechtsläufer fanden keine Spur von Leben. Zwei Stunden später meldete Leutnant Malthaner, er sei mit allen Leuten verschüttet gewesen, habe sich aber befreit, er behalte die Führung, die Kompagnie halte die Stellung. Bald aber musste die Kompagnie angelöst werden, da die Leute, wie ihr Führer völlig erschöpft war. Leutnant Malthaner wurde schwer gaskrank von seinem Burschen Puchalla auf dem Rücken durch Gas und Feuer in den Tunnel getragen und kam später mit den andern Kranken und Verwundeten des Gallwitz-Tunnels in Gefangenschaft.
Sehr hohe Verluste traten auch durch Kohlenoxyd-Gase ein. So wurde der 09./24 dem Arzt einmal zur gleichen Zeit 21 Mann gebracht, die nur zum Teil durch hartnäckige Anwendung der Sauerstoff Apparate erhalten werden konnten.
Der Bataillonsarzt des III./24, welcher den Sanitätsdienst im Gallwitz-Tunnel leitete, gibt über das Verhalten der Mannschaften folgende Schilderung: “Unsere Leute haben sich bewundernswert gehalten. In Massen kamen sie zurück, zerquetscht, verschüttet. Nach kurzer Ruhe, meist unter Morphium, gestärkt durch Kaffee und einen Schluck Rum, gingen sie wieder hinaus in die Stellung. Still, ernst, ruhig taten sie ihre Plicht.”
Die Verluste an Toten, Verwundeten, Verschütteten und Gaskranken steigerte sich dauernd. Durch das Zusammenschmelzen der vorderen Kompagnien reichten nachts ihre Kräfte zur Besetzung der Posten nicht mehr aus, sodass rückwärtige Kompagnien zur Verstärkung für die Nacht herangezogen werden mussten. Trotzdem setzten die Regimenter es durch, allnächtlich Patrouillen gegen die feindlichen Gräben voranzutreiben. Der Kronprinzentunnel wurde erneut durchschlagen. Zahlreiche französische Flieger mit M.G. kreisten niedrig fliegend über Infanterie- und Batteriestellungen.
Obwohl unsere Artillerie mit äusserster Kraftanstrengung und Opferwilligkeit unter dauernd schweren Verlusten an Offizieren und Mannschaften wirkte, um die feindliche Artillerie zu bekämpfen und die eigene Artillerie zu entlasten, war nicht der Eindruck vorhanden, dass das feindliche Feuer nachliess. Im Gegenteil, es wurde täglich stärker. Während noch bis zum 11. August der feindliche Beschuss im Divisionsabschnitt annähernd festgestellt werden konnte, waren die Munitionsmassen, welche nach dem 11. auf die Infanterie- und Batteriestellung fielen, so ungeheuer, dass ihre Feststellung ausgeschlossen war. Das stärkste Feuer lag auf den Abschnitten Braunschweig des Regiments 24 und Niederrhein des Regiments 20, sowie auf den Batterien und den Übergängen des Forges-Bach-Grund. Mit den schwersten Kalibern (40cm) wurden die im Forges-Bach-Grunde stehenden Batterien, die dortigen Brücken, der “Hohe Gänserücken” und die Tunneldecken unter Feuer genommen. Unsere schwachen Fliegerverbände waren nicht im Entferntesten imstande, dass mit Fliegerbeobachtung durchgeführte planmässige Einschießen unserer Stellungen zu verhindern. Für die überwältigende Stärke der feindlichen Flieger gibt es einen Anhalt die bis Ende Juli erfolgte Feststellung von 157 Flughallen vor der Front der 5. Armee. Auch die Zahl der französischen Fesselballone war erheblich grösser wie die der Deutschen. Bis weit in unser Hintergelände waren nur wenige kleine Geländestellen, welche nicht von den französischen Ballonen einzusehen waren, von denen am 19. August 27 gezählt waren.
In der Nacht zum 16.08. stellten unsere in die französischen Gräben eingedrungenen Patrouillen fest, dass die vordersten Gräben verlassen waren. Nach Gefangenen-Aussagen stand ein Angriff beiderseits der Maas in Kürze bevor.
Durch das Minenfeuer wurde am 16. August in unsere Drahthindernisse breite Lücken geschossen. Auch der Materialverlust an M.G. war gross, konnte aber noch ergänzt werden.
Am Vormittag konnte ich dem kommandierenden General persönlich bei seinem Besuch des Divisions-Stabsquartier über den Zustand der Truppen und der Stellungen Meldung erstatten. Da die Kampfstärken der Infanterie immer mehr sanken, stellte die Gruppe das II./223 der 48. Reserve-Division (Engreif-Division) als Sicherheitsbesatzung der Hagenstellung zur Verfügung. Die hierdurch freiwerdenden Kompagnien der 6. Reserve-Division wurden zur Verstärkung der Kampftruppen vorgezogen. Auch teilte die Gruppe mit, dass der Antrag der Division auf Zuführung eines Regiments für die Regensburg-Stellung weitergegeben sei: Im Übrigen müsste die Division unbedingt durchhalten, an ihre Ablösung sei nicht zu denken.
Am Nachmittag erschien der Chef des Generalstabes der Heeresgruppe und wurde durch den 1. Generalstabsoffizier der Division in gleicher Weise wie der kommandierende General orientiert. Mit der Absicht der Division, sobald ein Angriff unmittelbar bevorstehe, die Reserven der Regimentsabschnitte über den Forges-Bach vorzuschieben, und mit der weit vorgeschobenen Lage der Regiments-Gefechtsstände erklärte sich der Chef einverstanden. Auf die zusammenfassende Lage: “Wie sehen sie die Lage an?” erhielt er die Antwort: “Sehr übel!”
1. Weil der Forges-Bach im Rücken Nachschub und Führung ungeheuer erschwert, die Brücken dauernd zerschossen sind.
2. Weil Artillerie-Erdbeobachtung nur aus vorderer Linie möglich und seit dem 2. Trommelfeuertage ausgeschlossen ist.
Der Chef wandte sich darauf an seinen Begleiter mit den Worten: “Nach der Schlacht dürfen wir das ganze Gelände südlich des Forges-Baches nur noch als Vorgelände betrachten.”
Über die höhere Führung befragt, meldete der 1. Generalstabsoffizier, dass die Division ein näheres Heranhalten der Eingreiftruppen für nötig hielte, als gegenwärtig angeordnet sei.
Die Verhältnisse in den Tunneln waren nach wie vor eine Hauptsorge der Division, welche mit allen Mitteln zu verhindern suchte, dass sie Menschenfallen wurden. Je ausgedehnter das Trichterfeld an den Nordhängen des “Toten Mann” und je mehr Unterstände dort der Zerstörung anheim fielen, um so zahlreicher mussten sich die Feldküchen in den Tunneln zusammenziehen, wo infolgedessen auch die Trägertrupps zusammenströmten. Dazu kam, dass die Regimenter – ausser mehreren anderen Sanitätsstollen an den Nordhängen des “Toten Mann” und des Hohen “Gänserückens”, in der Hagenstellung und im Dorf Forges – auch in den Tunneln Verbandsplätze ausgebaut hatten, und zwar die Regimenter 35 und 20 im Kronprinzentunnel, Regiment 24 im Gallwitztunnel. Und es war natürlich dass die im Kampfgelände Verwundeten und Erkrankten zumeist den in der Nähe gelegenen Tunneln zugeführt wurden, wo sie schnell ärztliche Hilfe fanden. In der Nacht wurden alle, welche sich noch bewegen konnten, mit Gasmaske zurückgeführt, die Schwerkranken und Verwundeten mit Fahrzeugen abbefördert. In den letzten Tagen musste dies aufhören, da durch das vergaste und nur noch aus Trichtern bestehende Forges-Bach-Tal Pferde nicht mehr vorwärtskamen und es über menschliche Kraft ging mit Gasmaske in tiefdunkler Nacht (am 17.08. war Neumond) durch die vergasten Trichter kriechend, Verwundete zurückzuschaffen. So wurde die Zahl der in den Tunneln bleibenden Verwundeten und Schwergas- und Darmkranken immer grösser. Dazu kam, dass der Hauptdurchgangsverkehr zu den vorderen Stellungen sich in den Tunneln vollzog. Infolge der tagelangen Windstille und der immer wiederholten Beschiessung mit Gasgranaten blieb das Gas stets sehr lange auf den Stellungen liegen und drang in die zerschossenen Tunneleingänge und durchschlagenden Decken ein. Wenn auch die Eingänge immer wieder hergestellt und die mächtigen klaffenden Deckenlöcher durch behelfsmässige Decken- und Abschlusswände geschlossen wurden, so konnte doch das Eindringen der Gasschwaden nicht verhindert werden. Im Gallwitz-Tunnel waren Ventilatoren eingebaut, durch welche die Luft verbessert wurde. Im Kronprinzentunnel fehlten sie, sodass hier die Luft bald verpestet wurde.
All diese Umstände erforderten besondere Massnahmen. Ich hatte daher besonders tatkräftige ältere Offiziere zu Tunnelkommandanten ernannt, welche nicht nur für die Verteidigung der Tunneleingänge, sondern auch für die Organisation im Innern verantwortlich waren und darauf zu halten hatten, dass im Tunnel nur dienstlich befugte Personen sich aufhielten. Aus allen späteren Berichten ergibt sich, dass dies tatsächlich mit aller Energie durchgeführt wurde.
In der Nacht zum 17. August wurden wieder an der ganzen Front Patrouillen in die französische Stellung vorgetrieben, ohne dass dort neue Truppen festgestellt wurden. In derselben Nacht wurde der Gallwitz-Tunnel in der Nähe des Nordeingang durchschlagen. Da für die Tunnelarbeiten stärkere Pionierkommandos freigemacht werden mussten, wurden für die Wiederherstellung der Forges-Bach-Übergänge zu geringen Kräfte der Pioniere noch mehr geschwächt.
Von der Artillerie waren jetzt 25 Geschütze kampfunfähig. Ich beantrage ein Bataillon schwerer Artillerie und ein Pionier-Bataillon sowie erneut ein Infanterie-Regiment für die Regensburg-Stellung.
Am frühen Morgen begab ich mich mit zwei Offizieren in die Kampfstellung. Ich hatte sie seit drei Tagen nicht gesehen und erkannte sie kaum wieder. Im Dorf Forges die Strasse voller Trichter, zahlreich zur Seite geräumte Munitionsfahrzeuge, Pferdeleichen und Lastkraftwagen. Zwei in Forges ständig tätige tatkräftige Offiziere mussten jede kurze Feuerpause ausnutzen, um die Munitionswagen einzeln im Galopp durchfahren zu lassen. Heute war es noch zeitweilig möglich, den im Dorf und hart nördlich des Grundes stehenden Batterien Munition mit Pferdekraft zuzuführen. Im Forges-Bach-Grunde und in der Nähe der Tunnel und der Regimentsgefechtsstände fand ich Trichterfelder, die nur jenen gleichkamen, welche ich im August 1915 nach dem Durchbruch durch die Forts von Kowno (Anm. heute Kaunas) als Auswirkung unserer 42cm Geschütze gesehen hatte. Die Forges-Bach-Brücken waren nur zu Fuss über die Trümmer der Brücken kriechend und kletternd zu passieren. Die Pioniere mussten sich darauf beschränken, den Fussgängerverkehr sicherzustellen. Der Weg zum nächsten Tunneleingang führte über ein mit Leichen bedecktes Trümmerfeld. Auch die Gefechtsstände der Regimenter 20 und 35 waren grösstenteils zerstört. Der zur Zeit unter starkem Feuer liegende Forges-Bach-Grund und alle tiefer liegende Geländeteile waren mit Gasschwaden bedeckt.
Ich hatte im April 1917 als Kommandeur des 79. Reserve-Infanterie-Regiments in der Frühjahrsschlacht bei Arras auf den Vimyhöhen im Kampf gestanden, wo ich meinen Gefechtsstand nahe der weit vorgeschobenen Regimentsstände und somit in den Kampf unmittelbar Einblick gehabt hatte, und konnte daher jetzt ein Urteil gewinnen, wieviel schwerer die Kämpfe an der Verdun-Front waren. Auch auf die Vimyhöhen waren ungeheure Munitionsmengen niedergeschleudert, aber derartige Massen und so schwere Kaliber, wie sie von den Franzosen gegen den “Toten Mann” verwandt wurden, waren dort nicht in Wirkung getreten. Und vor allem waren dort die Infanteriestellungen vom Gas frei geblieben, welches auf dem “Toten Mann” viele Hunderte schon vor dem Grossangriff kampfunfähig machte und noch viel mehr am 20. und 21.8. gasvergiftet in die Hände des Feindes fallen liess.
Durch die Besprechungen mit den Regiments- und Bataillonskommandeuren gewann ich den Eindruck, dass auf allen besonders die schwere Sorge lastete, wie sie mit den der Zahl nach so schwachen und ermüdeten Mannschaften ihre Stellungen würden halten können, zumal den Regimentern jede Stossreserve fehlte. Ich wies sie auf die Feuerkraft ihrer noch immer bestehenden tiefgegliederten M.G.-Nester und Minenwerfer und den Geist und die bewährte Tapferkeit ihrer Offiziere und Mannschaften hin, und versprach, alles zu tun, um den Regimentern Reserven zuzuführen.
Die Stimmung der Mannschaften war ernst und pflichttreu. Als ich mittags zurückkehrte, traf ich im Divisions-Stabsquartier den kommandierenden General an, dem ich über meine Eindrücke Meldung erstattete. Am Schluss meines Berichts wies ich besonders auf die zahlenmässig nur noch geringe Stärke der Stellungsbesatzung hin, welche kaum noch als Sicherheitsbesatzung genügt, und beantrage erhebliche Verstärkungen, da sonst eine ausreichende aktive Verteidigung nicht mehr zu führen sei. Die Entgegnung des kommandierenden Generals: “Wenn die Kräfte der Division nicht ausreichten, sei es besser, ihr nicht weitere Kräfte zuzuführen, sondern radikal vorzugehen”, liesse darauf schliessen, dass er die Ablösung der Division in Erwägung ziehen wollte. Im weiteren Verlauf der Besprechung bezeichnete der kommandierende General, welcher am Morgen von einer Fernwarte das Feuer beobachtet hatte,
In der Nacht zum 16.08. stellten unsere in die französischen Gräben eingedrungenen Patrouillen fest, dass die vordersten Gräben verlassen waren. Nach Gefangenen-Aussagen stand ein Angriff beiderseits der Maas in Kürze bevor.
Durch das Minenfeuer wurde am 16. August in unsere Drahthindernisse breite Lücken geschossen. Auch der Materialverlust an M.G. war gross, konnte aber noch ergänzt werden.
Am Vormittag konnte ich dem kommandierenden General persönlich bei seinem Besuch des Divisions-Stabsquartier über den Zustand der Truppen und der Stellungen Meldung erstatten. Da die Kampfstärken der Infanterie immer mehr sanken, stellte die Gruppe das II./223 der 48. Reserve-Division (Engreif-Division) als Sicherheitsbesatzung der Hagenstellung zur Verfügung. Die hierdurch freiwerdenden Kompagnien der 6. Reserve-Division wurden zur Verstärkung der Kampftruppen vorgezogen. Auch teilte die Gruppe mit, dass der Antrag der Division auf Zuführung eines Regiments für die Regensburg-Stellung weitergegeben sei: Im Übrigen müsste die Division unbedingt durchhalten, an ihre Ablösung sei nicht zu denken.
Am Nachmittag erschien der Chef des Generalstabes der Heeresgruppe und wurde durch den 1. Generalstabsoffizier der Division in gleicher Weise wie der kommandierende General orientiert. Mit der Absicht der Division, sobald ein Angriff unmittelbar bevorstehe, die Reserven der Regimentsabschnitte über den Forges-Bach vorzuschieben, und mit der weit vorgeschobenen Lage der Regiments-Gefechtsstände erklärte sich der Chef einverstanden. Auf die zusammenfassende Lage: “Wie sehen sie die Lage an?” erhielt er die Antwort: “Sehr übel!”
1. Weil der Forges-Bach im Rücken Nachschub und Führung ungeheuer erschwert, die Brücken dauernd zerschossen sind.
2. Weil Artillerie-Erdbeobachtung nur aus vorderer Linie möglich und seit dem 2. Trommelfeuertage ausgeschlossen ist.
Der Chef wandte sich darauf an seinen Begleiter mit den Worten: “Nach der Schlacht dürfen wir das ganze Gelände südlich des Forges-Baches nur noch als Vorgelände betrachten.”
Über die höhere Führung befragt, meldete der 1. Generalstabsoffizier, dass die Division ein näheres Heranhalten der Eingreiftruppen für nötig hielte, als gegenwärtig angeordnet sei.
Die Verhältnisse in den Tunneln waren nach wie vor eine Hauptsorge der Division, welche mit allen Mitteln zu verhindern suchte, dass sie Menschenfallen wurden. Je ausgedehnter das Trichterfeld an den Nordhängen des “Toten Mann” und je mehr Unterstände dort der Zerstörung anheim fielen, um so zahlreicher mussten sich die Feldküchen in den Tunneln zusammenziehen, wo infolgedessen auch die Trägertrupps zusammenströmten. Dazu kam, dass die Regimenter – ausser mehreren anderen Sanitätsstollen an den Nordhängen des “Toten Mann” und des Hohen “Gänserückens”, in der Hagenstellung und im Dorf Forges – auch in den Tunneln Verbandsplätze ausgebaut hatten, und zwar die Regimenter 35 und 20 im Kronprinzentunnel, Regiment 24 im Gallwitztunnel. Und es war natürlich dass die im Kampfgelände Verwundeten und Erkrankten zumeist den in der Nähe gelegenen Tunneln zugeführt wurden, wo sie schnell ärztliche Hilfe fanden. In der Nacht wurden alle, welche sich noch bewegen konnten, mit Gasmaske zurückgeführt, die Schwerkranken und Verwundeten mit Fahrzeugen abbefördert. In den letzten Tagen musste dies aufhören, da durch das vergaste und nur noch aus Trichtern bestehende Forges-Bach-Tal Pferde nicht mehr vorwärtskamen und es über menschliche Kraft ging mit Gasmaske in tiefdunkler Nacht (am 17.08. war Neumond) durch die vergasten Trichter kriechend, Verwundete zurückzuschaffen. So wurde die Zahl der in den Tunneln bleibenden Verwundeten und Schwergas- und Darmkranken immer grösser. Dazu kam, dass der Hauptdurchgangsverkehr zu den vorderen Stellungen sich in den Tunneln vollzog. Infolge der tagelangen Windstille und der immer wiederholten Beschiessung mit Gasgranaten blieb das Gas stets sehr lange auf den Stellungen liegen und drang in die zerschossenen Tunneleingänge und durchschlagenden Decken ein. Wenn auch die Eingänge immer wieder hergestellt und die mächtigen klaffenden Deckenlöcher durch behelfsmässige Decken- und Abschlusswände geschlossen wurden, so konnte doch das Eindringen der Gasschwaden nicht verhindert werden. Im Gallwitz-Tunnel waren Ventilatoren eingebaut, durch welche die Luft verbessert wurde. Im Kronprinzentunnel fehlten sie, sodass hier die Luft bald verpestet wurde.
All diese Umstände erforderten besondere Massnahmen. Ich hatte daher besonders tatkräftige ältere Offiziere zu Tunnelkommandanten ernannt, welche nicht nur für die Verteidigung der Tunneleingänge, sondern auch für die Organisation im Innern verantwortlich waren und darauf zu halten hatten, dass im Tunnel nur dienstlich befugte Personen sich aufhielten. Aus allen späteren Berichten ergibt sich, dass dies tatsächlich mit aller Energie durchgeführt wurde.
In der Nacht zum 17. August wurden wieder an der ganzen Front Patrouillen in die französische Stellung vorgetrieben, ohne dass dort neue Truppen festgestellt wurden. In derselben Nacht wurde der Gallwitz-Tunnel in der Nähe des Nordeingang durchschlagen. Da für die Tunnelarbeiten stärkere Pionierkommandos freigemacht werden mussten, wurden für die Wiederherstellung der Forges-Bach-Übergänge zu geringen Kräfte der Pioniere noch mehr geschwächt.
Von der Artillerie waren jetzt 25 Geschütze kampfunfähig. Ich beantrage ein Bataillon schwerer Artillerie und ein Pionier-Bataillon sowie erneut ein Infanterie-Regiment für die Regensburg-Stellung.
Am frühen Morgen begab ich mich mit zwei Offizieren in die Kampfstellung. Ich hatte sie seit drei Tagen nicht gesehen und erkannte sie kaum wieder. Im Dorf Forges die Strasse voller Trichter, zahlreich zur Seite geräumte Munitionsfahrzeuge, Pferdeleichen und Lastkraftwagen. Zwei in Forges ständig tätige tatkräftige Offiziere mussten jede kurze Feuerpause ausnutzen, um die Munitionswagen einzeln im Galopp durchfahren zu lassen. Heute war es noch zeitweilig möglich, den im Dorf und hart nördlich des Grundes stehenden Batterien Munition mit Pferdekraft zuzuführen. Im Forges-Bach-Grunde und in der Nähe der Tunnel und der Regimentsgefechtsstände fand ich Trichterfelder, die nur jenen gleichkamen, welche ich im August 1915 nach dem Durchbruch durch die Forts von Kowno (Anm. heute Kaunas) als Auswirkung unserer 42cm Geschütze gesehen hatte. Die Forges-Bach-Brücken waren nur zu Fuss über die Trümmer der Brücken kriechend und kletternd zu passieren. Die Pioniere mussten sich darauf beschränken, den Fussgängerverkehr sicherzustellen. Der Weg zum nächsten Tunneleingang führte über ein mit Leichen bedecktes Trümmerfeld. Auch die Gefechtsstände der Regimenter 20 und 35 waren grösstenteils zerstört. Der zur Zeit unter starkem Feuer liegende Forges-Bach-Grund und alle tiefer liegende Geländeteile waren mit Gasschwaden bedeckt.
Ich hatte im April 1917 als Kommandeur des 79. Reserve-Infanterie-Regiments in der Frühjahrsschlacht bei Arras auf den Vimyhöhen im Kampf gestanden, wo ich meinen Gefechtsstand nahe der weit vorgeschobenen Regimentsstände und somit in den Kampf unmittelbar Einblick gehabt hatte, und konnte daher jetzt ein Urteil gewinnen, wieviel schwerer die Kämpfe an der Verdun-Front waren. Auch auf die Vimyhöhen waren ungeheure Munitionsmengen niedergeschleudert, aber derartige Massen und so schwere Kaliber, wie sie von den Franzosen gegen den “Toten Mann” verwandt wurden, waren dort nicht in Wirkung getreten. Und vor allem waren dort die Infanteriestellungen vom Gas frei geblieben, welches auf dem “Toten Mann” viele Hunderte schon vor dem Grossangriff kampfunfähig machte und noch viel mehr am 20. und 21.8. gasvergiftet in die Hände des Feindes fallen liess.
Durch die Besprechungen mit den Regiments- und Bataillonskommandeuren gewann ich den Eindruck, dass auf allen besonders die schwere Sorge lastete, wie sie mit den der Zahl nach so schwachen und ermüdeten Mannschaften ihre Stellungen würden halten können, zumal den Regimentern jede Stossreserve fehlte. Ich wies sie auf die Feuerkraft ihrer noch immer bestehenden tiefgegliederten M.G.-Nester und Minenwerfer und den Geist und die bewährte Tapferkeit ihrer Offiziere und Mannschaften hin, und versprach, alles zu tun, um den Regimentern Reserven zuzuführen.
Die Stimmung der Mannschaften war ernst und pflichttreu. Als ich mittags zurückkehrte, traf ich im Divisions-Stabsquartier den kommandierenden General an, dem ich über meine Eindrücke Meldung erstattete. Am Schluss meines Berichts wies ich besonders auf die zahlenmässig nur noch geringe Stärke der Stellungsbesatzung hin, welche kaum noch als Sicherheitsbesatzung genügt, und beantrage erhebliche Verstärkungen, da sonst eine ausreichende aktive Verteidigung nicht mehr zu führen sei. Die Entgegnung des kommandierenden Generals: “Wenn die Kräfte der Division nicht ausreichten, sei es besser, ihr nicht weitere Kräfte zuzuführen, sondern radikal vorzugehen”, liesse darauf schliessen, dass er die Ablösung der Division in Erwägung ziehen wollte. Im weiteren Verlauf der Besprechung bezeichnete der kommandierende General, welcher am Morgen von einer Fernwarte das Feuer beobachtet hatte, das auf den Stellungen der Division liegenden Feuer als so stark, wie er es noch nicht gesehen hatte, und schloss aus seinen Beobachtungen, dass die 6. Reserve.Division den Hauptstoss zu tragen haben würde.
Am Nachmittag trat der Chef des Generalstabes der Gruppe im Divisionsstabsquartier ein und hatte mit dem 1. Generalstabsofizier der Division eine ausführliche Unterredung. Sie war von massgebender Bedeutung. Der Chef ging von dem allgemeinen Gesichtspunkt aus, dass die Heereshauptkampffront die flandrische und das gegenüber einem Durchbruch an dieser Front der Verlust der Stelllungen südlich des Forges-Baches von untergeordneter Bedeutung sei. Eine Wiedereroberung der viel umstrittenen und bekannten Höhen 304 und “Toter Mann” diene nur dazu, die sehr niedergerückte Stimmung der Franzosen vorübergehend zu heben; das sei aber alles! Der Verlust der Höhen sei für uns von untergeordneter Bedeutung . Die Hauptkräfte seien daher in Flandern vereinigt. Ausserdem ständen die 7. und 1. Armee in schweren Kämpfen. 6 Divisionen seien nach dem Osten abgegeben. Für die Verdunfront seien keine Verstärkungen verfügbar. Dies müsse sich die Division vor Augen halten. Eine Ablösung der 6. Reserve-Division durch die Eingreif-Division (48. R.D.) würde einen unzulässig schnellen Verbrauch der Kräfte bedeuten. Die Division dürfe jetzt kein Bataillon mehr in Ruhe haben, sie müsse als Stellungsdivision verbraucht ; die Eingreifdivision geschont werden.
Nach dieser allgemeinen Einleitung führte der Chef eine Reihe von Gesichtspunkten an, aus denen hervorgehen sollte, dass er die Lage der Division keineswegs für besonders ernst ansehe. Einmal stellte er sich auf den Standpunkt, dass der Schwerpunkt des französischen Angriffs auf dem Ostufer der Maas liegen würde. Sodann bestritt er die Schwere des französischen Artilleriefeuers. Ferner hob er hervor, dass die Division sehr günstige Beobachtungsstellen habe und daher die Angriffstruppen durch ihr Feuer zerschlagen könne.
Sodann sprach sich der Chef – augenscheinlich in Hinblick auf meinen am Mittag dem kommandierenden General erstatteten Bericht über die Art und Weise aus, in der die Division in gegenwärtiger Lage ihrer Meldepflicht zu genügen habe. Er bezeichnete es als Aufgabe der Division, durch die Art und Abfassung ihrer Meldungen an den kommandierenden General das Vertrauen auf einen guten Ausgang des Kampfes wachzuhalten. Der kommandierende General könne sonst das Vertrauen zur Truppe, mit der er im übrigen durchaus zufrieden sei, verlieren. Sache des Divisions-Generalstabsoffiziers sei es, sich nach unten hart zu machen und nicht alles weiter zu geben.
Der Chef wurde erneut auf die im Verhältnis zur Ausdehnung der Stellung viel zu geringen Kampfkräfte der Division hingewiesen, besonders auch auf die völlig unzulängliche Besetzung der Regensburg-Stellung. Auch wurde betont, dass der Ausfall an Geschützen bei der 6. Reserve-Division grösser wie bei den Nachbar-Divisionen sei, da das Hauptfeuer des Feindes seit langer Zeit am schwersten auf dem “Toten Mann” läge, des Ferneren, dass die Beobachtungsstellen zwar gute Sicht böten, aber im wesentlichen ausfielen, da sie und vor allen ihre rückwärtigen Verbindungen zu sehr unter Feuer lägen. Der Chef erkannte schliesslich dies, sowie die Tatsache an, dass die Division es durch den Forges-Bach-Grund schwere habe wie die Nachbar-Divisionen.
Das Ergebnis dieser Erwägung bestand in folgenden Zusagen:
Je 1 Geschütz der Batterien einer Abteilung der 48. Reserve-Division sollte zum Einschiessen sofort eingesetzt, 1 FussArtl.Batl. sollte beantragt werden, desgleichen ein Pionier Batl. für den Forges-Bach-Grund. Dagegen ständen Verstärkungen für die Regensburg-Stellung nicht zur Verfügung. Landsturm-Bataillon Heilbronn bliebe dort in Stellung und würde verbraucht. Nötigenfalls solle ein Regiment der Eingreif-Division entnommen werden.
Rückschauend erblicke ich in dieser Beurteilung der Lage und den sich hieraus ergebenden Anordnungen eine Quelle des Misslingens des am 20.8. angesetzten Gegenstosses der Eingreiftruppen. Auch liegt wohl hier die Erklärung dessen, dass die für den Gegenstoss verfügbaren Kräfte der Gruppe zu schwach bemessen waren und soweit zurückstanden, dass ihr Eintreffen am 20.8. in verhängnisvoller Weise verzögert wurde.
Nach Ansicht der Division war auf dem Westufer der Hauptstoss gegen den “Toten Mann” und den “Hohen Gänserücken” zu erwarten, schon wegen des Einflusses dieser Höhen auf den Kampf östlich der Maas. Das feindliche Feuer durfte bis zum 17.8. jeden hierüber noch bestehenden Zweifel beseitigen. Die 6. Reserve-Division hatte eine Frontbreite von 5,2 km, mit Regensburg-Stellung eine solche von 9 km, gegen 3 km der 213. Infanterie-Division auf Höhe 304, welche minder, jedenfalls nicht mehr bedroht war. Trotzdem erhielten die 213. Infanterie-Division und 6. Reserve-Division gleichmässig 1 Regiment der Eingreifdivision, dessen Verwendung bei den Vorgängen des 18.8. geschildert werden wird. Das dritte Regiment der Eingreifdivision wurde als Korpsreserve bei Moulin de l’Etanche (4 km nördlich Montfaucon), mithin 14 km hinter der Mitte der vordersten Linie der Gruppe bereitgestellt.
Soweit ich übersehen kann, war das Missverhältnis der Abschnittsbreiten zur taktischen Lage durch entsprechende Verwendung der Eingreifdivision auszugleichen. Wenn der schmaleren 213. Infanterie-Division von vornherein weniger Kräfte der Eingreifdivision überlassen wurden, so blieben mehr Truppen für die Korps-Reserve verfügbar, welches hinter dem bedrohten linken Flügel der Gruppe und zwar dicht an die Hauptfeuerzone heran zu schieben war.
Die Division konnte nach vorstehender Unterredung unter Berücksichtigung der höheren Gesichtspunkte nicht mehr auf Ablösung rechnen, der Leitung kam es darauf an, nicht noch mehr Kräfte in die Schlacht hinein zu stecken und die örtlichen Verluste auf die 6. Reserve-Division zu beschränken. Die Annahme der Gruppe, dass die Artillerie ausreichend und die Beobachtungsstellen besonders günstig sein, hatte die Befehle veranlasst, dass für das Sperrfeuer bestimmte Batterien zum Gasschiessen vorgezogen wurden und für ihre Hauptaufgabe ausfielen, eine Massnahme, gegen die sich der Artillerie-Kommandeur der Division schon bei früheren Besprechungen nachdrücklich gewandt hatte.
Mit Rücksicht auf die immer geringer werdenden Gefechtsstärken der Kampftruppen befahl die Division nunmehr das Bereitstellen der “kleinen Reserven”, im ganzen 3 Offiziere, 35 Unteroffiziere, 248 Mann.
In der Nacht zum 18. wurde die durch das Gasschiessen unserer Artillerie erwartete Lähmung der feindlichen Artillerie ausgenutzt, um innerhalb der Kampfstellungen Ablösungen und Verschiebungen durchzuführen. Die nachts vorgehenden Patrouillen konnten kein Auffüllen der französischen Gräben erkennen.
Auch am 18. August stellten sowohl die Fernwarten wie der kommandierende General persönlich fest, das das schwerste Feuer auf dem “Toten Mann” läge. Das Minenfeuer wurde immer unerträglicher. Die Bataillonsgefechtsstände waren jetzt sämtlich zerstört, und mit ihnen die in ihrer Nähe befindlichen Verpflegungs- und Munitionsniederlagen. Wiederholt waren Teile von ihnen wieder ausgegraben. Aber an den letzten Tagen war dies nicht mehr möglich, da nach dem Beschiessen mit schwerstem Kaliber die Stellen nicht mehr gefunden werden konnten, wo sie gelegen hatten. Alle in truppenärztlicher Behandlung befindlichen Kranken und Leichtverwundeten wurden wiederholt durch den Divisionsarzt untersucht. Täglich wurden wiederhergestellte Offiziere und Mannschaften, meist gaskrank gewesene, der Kampfzone wieder zugeführt.
Am Nachmittag erfolgte ein einheitlicher französischer Fliegerangriff gegen sämtliche Ballone der Armee.
Die Gruppe teilte mit, dass in der kommenden Nacht der Windverhältnisse halber eine Vergasung der feindlichen Artillerie nicht möglich sei.
Es sei zu erwarten, dass in dieser Nacht die Angriffstruppen vorrücken würden, sie müssten durch Brisanz-Munition zerschlagen werden.
Die Division meldete von neuem, dass ihre Truppen auf das Äußerste mitgenommen seien.
Ihr wurden 2 Pionier-Kompagnien für die Brücken im Forges-Bach-Grund zugeführt. Auch stellte die Gruppe das R.I.R. 223 (der 48. Reserve-Division) zur Verfügung. Am Abend wurde mitgeteilt, dass vom 19.08. ab die 30. Infanterie-Division hinter der 6. Reserve-Division eintreffen würde.
Da für den 19. bestimmt mit dem mit dem erwarteten Angriff gerechnet wurde, liess ich in der Nacht zum 19. jeden der 3 Regiments-Abschnitte 2 Kompagnien des RIR 223 als Regimentsreserve (Gegenstossbereitschaft) zuführen, während 1 Bataillon (Naht-Bataillon) hinter den Westflügel der Regensburg-Stellung gezogen wurde. Es erhielt den Befehl, beim Einsetzen des feindlichen Infanterie-Angriffs den Cumières-Riegel nötigenfalls wiederzunehmen; falls ein Divisionsbefehl nicht eintreffe, solle es selbstständig angreifen. 2 Kompagnien RIR 223verblieben als Sicherheitsbesatzung in der Hagen-Stellung.
Von den über den Forges-Bach vorgeschobenen Teilen des RIR 223 erreichten in der Nacht zum 19.; durch Gas und schweres Feuer stark erschüttert und unter sehr hohen Verlusten 2 Kompagnien das RIR 35, nur 1 Kompagnie das RIR 20. Die zweite für RIR 20 und die beiden für RIR 24 bestimmten Kompagnien waren, obwohl sie geländekundige Führer hatten, in der in diesen Nächten herrschenden tiefen Dunkelheit durch Gas- und Brisanz-Feuer von der Richtung abgekommen und konnten erst in der Nacht zum 20. erneut vorgeführt werden. Die für RIR 20 bestimmte Kompagnie traf am 20. mittags mit dem Kompagnieführer und einigen Mann, die Reste der 2 für Regiment 24 bestimmten Kompagnien mit zusammen einen Vizefeldwebel und 50 Mann am 20. kurz vor Einsetzen des französischen Angriffs an Ort und Stelle ein. Die Offiziere und der grösste Teil der Mannschaften waren gefallen oder durch Gas und Verwundung kampfunfähig geworden.
Das Naht-Batallion (I./223) erreichte in der Nacht zum 19. zwar unter starken Verlusten, aber noch mit geschlossenen Kompagnien, den Nordhang des “Hohen Gänserücken”.
Angesichts der sehr hohen Verluste hatte ich die beurlaubten Offiziere und Mannschaften aus der Heimat zurückbefohlen. Am 18. abends traf der Kommandeur des II./20, Major Büttner, obwohl noch nicht wieder hergestellt, wieder ein und begab sich am 19., um 3 Uhr morgens von Vilosnes aufbrechend in das Kampfgelände, wo er, durch Gas und schweres Feuer über Trümmer, Leichen und Trichter sich vorarbeitend, gegen 7.30 Uhr Vormittag am Kronprinzentunnel eintraf. Zu einem Weg, der sonst 2 Stunden beanspruchte, hatte er fast 5 Stunden gebraucht.
Auch am 19. August blieb der von den Truppen sehnlichst erwartete Angriff aus. Sie fühlten, dass mit dem weiteren Herausschieben des Angriffs ihre physischen Kräfte immer mehr abnehmen mussten. Vor allen litt alles schwer unter Durstqualen.
Von 68 Feldgeschützen waren jetzt 12, von 49 schweren jetzt 17 unbrauchbar. In der Nacht zum 19. kamen 12 Feldgeschütze der 48. Reserve-Division hinzu.
Am Morgen des 19. befahl die Gruppe Entsendung von Offizieren in das Kampfgelände zur erneuten Feststellung des Kampfwertes der Truppen und Berichterstattung. Nach ihrem Ausfall sollte in Erwägung gezogen werden, die 6. Reserve-Division und die 48. Reserve-Division in ihren Kampfaufgaben tauschen zu lassen. Die Division wählte für diese Feststellungen 3 ältere, vorurteilslose Offizier, die Kommandeure des R. 223, des Minenwerfer-Bataillons IV und der M.G.S.S.Abt. 52 (Maschinengewehr-Scharfschützenabteilung). Diese Offiziere, welche erst am Nachmittag aus den Stellungen zurückkamen, berichteten, dass bei allen Regimentern noch je 1 Bataillon befriedigend kampffähig, die anderen noch gerade verteidigungsfähig – mit Ausnahme des fast kampfunfähigen III./20 und des völlig erschöpften II./35 – und die M.G.-Nester fast noch alle feuerbereit seien. Das gesamte Grabensystem bis einschliesslich Regimentsgefechtsstände bestände nur noch aus Trichtern, Drahthindernisse seien nicht mehr vorhanden.
Die Gruppe wurde hierüber in Kenntnis gesetzt, mit dem Hinzufügen, dass die Truppen sich weiter schnell verbrauchten und die dauernd im Gassumpf des Forges-Bach-Grundes stehenden Batterien – 3 schwere und 2 leichte – herausmüssten. Die Gruppe genehmigte dies für 2 schwere Batterien nach Durchführung des für den Abend in Aussicht genommenen Gasschiessens und verlangte im übrigen schriftlichen Bericht über den Kampfwert der Truppen. Er ging der Truppe am Morgen des 20.08. zu. Eine Entscheidung auf ihn konnte nicht mehr getroffen werden.
Im Laufe des Tages wurde der Gallwitz-Tunnel wiederum eingeschossen. Die Funkenstation des Kronprinzen-Tunnel wurde entgültig zerstört. Viele Blinkstationen wurden vernichtet. Beim Schwinden der Nachrichtenmittel blieb umsomehr anzuerkennen die auf das höchste zu bewertende Tätigkeit der braven Melder und Befehlsempfänger, welche, keine Gefahr scheuend, Tag und Nacht sich durcharbeitend. Die meisten von ihnen fielen und mit ihnen viele der besten.
Gegen Mittag wurden die Infanterie-Stellungen zum ersten Mal mit Nebel-Granaten beschossen.
Um die Kampfstärken der Infanterie zu heben, liess ich den Regimentern in der Nacht zum 20. die “kleinen Reserven” zuführen. Das völlig erschöpfte II./35 sollte mit den in der Hagenstellung befindlichen 9./ und 10./223 tauschen. II./35 (sein Kommandeur Major Pachaly schwer gaskrank) traf mit etwa 3/4 seines Bestandes in der Nacht zum 20. in der Hagenstellung ein; der Rest hatte in dem Gallwitztunnel zurückgelassen werden müssen. Die zur Ablösung dieses Bataillons bestimmten 09./ und 10./223 haben die Kampfstellung des Regiment 36 nicht mehr erreicht.
Die Gefechtsstärken der Bataillone betrugen am 19. bei den Regimentern 35 und 20 etwa 200 bis 300 Mann. Noch schwächer mussten sie beim Regiment 24 sein, das am meisten unter dem Feuer gelitten hatte. Bei jedem Regiment befanden sich etwa 28 schwere und 18 leichte M.G. und 12 leichte Minenwerfer. Von den Granatwerfern war schon ein erheblicher Teil ausser Gefecht gesetzt. Ausserdem waren M.G.S.S.A. mit 30 M.G. und Minenwerfer-Bataillon IV eingesetzt.
Über die Stärken der den Regimentern überwiesenen Kompagnien 223 ist schon oben berichtet.
Endlich befand sich in der Regensburg-Stellung das von der O.H.L. als schonungsbedürftig bezeichnete Landsturm-Bataillon Heilbronn und an ihrem Nordhange das I./223 (Naht-Bataillon).
Von den Geschützen fielen nach dem Stande des 19.08. von 80 leichten 17, von 49 schweren 19 aus. Dazu kam, dass die vom Gasschiessen über den Forges-Bach-Grund vorgeschobenen Feld-Kanonen-Batterien für das Sperrfeuer völlig ausschieden. Hierfür blieben daher kaum mehr wie 50 leichte Geschütze übrig, welche bei feindlichem Einbruch einen Raum von 5,2 km zu decken hatten.
So waren die Gefechtsstärken der Kampftruppen wesentlich beeinträchtigt, aber auch ihre Leistungsfähigkeit. Die seit dem 12.08. anhaltende, mit überwältigendem Material durchgeführte schwerste Beschiessung, die geradezu mustergültige Vergasung des Kampfgeländes, geringer Schlaf, die aussergewöhnlichen Schwierigkeiten, die der Forges-Bach-Grund und die dauernd in Gas liegenden Mulden und Schluchten der vorderen Kampfstellung für Versorgung der Truppen mit sich brachte, musste auch Truppen, welche brav und pflichttreu ihre Schuldigkeit bis zum Äussersten erfüllen, fast entschlossen waren, in ihrer seelischen und körperlichen Leistungsfähigkeit stark herabsetzen. Doch gaben die am 19.08. fast ausnahmslos noch bestehenden, tief gegliederten M.G.-Nester und Minenwerfer der Division die Hoffnung auf einen günstigen Ausgang des Kampfes nicht auf.
Am Nachmittag des 19. wurde die dort 10 bis 12 m starke Decke des Kronprinzen-Tunnels südlich des Nordeinganges durch 2 kurz aufeinanderfolgende 40 cm Geschosse durchschlagen. Dabei stürzten solche Massen von Geröll und Erde in den Tunnel, dass der Nordteil des Tunnels und mit ihm der Nordausgang völlig abgeschlossen wurden. Durch die gewaltigen Mengen Kohlen-Oxyd wurden etwa 50 Mann des Regiments 20 getötet und 60 schwer vergiftet. Ausserdem gingen von der Besatzung eines dort mündenden Seitenstollens mit Sanitätsanlagen und Küchen des Regiments 35 90 Mann zugrunde, während es 30 Überlebenden gelang, durch einen Luftschacht ins Freie zu gelangen.
Bald darauf erhielt der Kommandeur des II./20, Major Büttner, die Meldung der 7./ Kompagnie, dass die zwei in vorderster Linie liegenden Kompagnien seines Bataillons, die 5./ und 7./, auf 50 bzw. 25 Mann zusammengeschmolzen und durch Kohlen-Oxyd und Kampfgase so geschwächt waren, dass sie die Sicherung nicht mehr durchführen konnten. Die Überbringer dieser Meldung waren die beiden letzten brauchbaren Leute, welche auch die Meldung brachten, dass auch bei der 1./ Kp. gleiche Zustände herrschten. Major Büttner sandte den rückwärts liegenden Kompagnien, der 06./ und 08./, den Befehl, diese Kompagnien abzulösen. Dieser Befehl wurde in mehrfacher Ausfertigung durch getrennte Meldegänger den Kompagnien zugesandt. Gegen 10 Uhr abends wurde der Führer der 05./20, Leutnant Berger, gaskrank zurückgebracht und sagte, nach langen ärztlichen Bemühungen wieder zum Bewusstsein gekommen, aus, dass die Ablösung der 05./ und 07./ Kompagnie noch nicht erfolgt sei. Der Befehl konnte also die 06./ und 08./ noch nicht erreicht haben und musste daher nochmals ausgegeben werden. Er traf von der 06. Kompagnie nur noch wenige über das Trichterfeld verstreute Überlebende welche den Befehl ausführen konnten; auch der Kompagnieführer Leutnant Nehm war gefallen. Die weiter rückwärts liegende 08./ Kompagnie unter Oberleutnant Schroeder nahm nach mehrfachen vergeblichen Versuchen, durch das vor ihr liegende Gas- und Brisanzfeuer über das Trichterfeld vorzukommen, der Weg durch den Kronprinzentunnel, wo sie am 20.08. kurz vor 3 Uhr morgens mit etwa 70 Mann eintraf. Als sie den Tunnel am Südausgang verlassen wollte, setzte gerade das letzte feindliche Trommelfeuer vor dem Sturm ein, sodass sie von dem Bataillons-Kommandeur als Reserve zurückgehalten und erst später eingesetzt wurde.
Ähnliche Verhältnisse wie in den Kampfstellungen des Regiments 20 müssen am Abend des 19. und in der Nacht zum 20. auch in andern Abschnitten geherrscht haben. Später wurde mir auch bekannt, dass sehr viele Offiziere und Mannschaften durch Verschütten ihre Gasmaske verloren hatten; und nun völlig schutzlos den Gasschwaden preisgegeben waren.
In der Nacht wurde der Kommandeur des III./35, Major Bertsch, schwer gasvergiftet aus der Kampfstellung zurückgeschafft. Den Befehl über das Bataillon übernahm Rittmeister Stockmann, Führer der Ulanen Eskadron.
Trotz des am 19.08. abends gegen die feindlichen Batterie-Nester durchgeführten Gasschiessens “Ganze Front” lag in der Nacht zum 20.08. ein in bisher noch nicht erreichter Stärke einsetzendes Brisanz- und Gasfeuer auf den Stellungen der Division. Während das Gasfeuer in der zweiten Hälfte der Nacht aufhörte, verstärkte sich das Brisanzfeuer um 3 Uhr morgens zu einem ungeheuren Trommelfeuer aller Kaliber. Die meisten Minenwerfer und viele M.G.-Nester wurden zerstört oder restlos ihrer Besatzung beraubt. Aber auch unversehrt gebliebene M.G. schieden beim Angriff vorschnell aus, da sie aus Mangel an Wasser und Öl, deren Vorräte verschüttet oder zerstört wurden, nicht mehr ladefähig waren; und die noch übrig gebliebenen M.G. konnten in dem dichten Nebel und Qual, nur auf allernächste Entfernung wirken. Vom Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 6 waren 9 Offiziere schwer gaskrank.
Unsere Batterien gaben in der Nacht zum 20. nach Weisung der Division Störungsfeuer und Vernichtungsfeuer-Wellen ab, in besonderer Stärke von 4.30 Uhr morgens ab.
Der am 20.8. um 5 Uhr morgens einsetzende Grossangriff, welcher von den besten französischen Angriffsdivisionen durchgeführt wurde, die nach monatelanger Ruhe, vortrefflich angezogen und ausgerüstet, gut verpflegt und mit Wein versehen, unter Benutzung von Kraftfahrzeugen in Stellung gebracht waren, stiess auf eine nur dünn besetzte Stellung, auf welcher er in der ganzen Front von feuernden Gewehren, M.G., Minenwerfern und dem zwar sofort einsetzenden, aber sehr dünnen Sperr- und Vernichtungsfeuer der Artillerie empfangen wurde. So konnten von Untergruppe Ost, welche im Verein mit einem Teil der Fernkampfgruppe – den Abschnitt des R.I.R. 24 zu decken hatte, von ihren 24 Feld- und 4 schweren Geschützen nur 10 Feldgeschütze und ein schweres Geschütz am Abwehrfeuer teilnehmen. Die an der Strasse Forges-Cumières in Stellung befindliche 7./ R.F.A.R. 6 hatte nur noch ein Geschütz kampffähig, dass schliesslich nur noch von dem stellvertretenden Batteriefeuer Leutnant Heinemann und dem Vizewachtmeister Stössner bedient wurde, nachdem sämtliche anderen Offiziere, Unteroffiziere und Kanoniere ausser Gefecht gesetzt waren. Obwohl alle feuerbereiten Geschütze aus ihren Rohren dauernd die Geschosse herausjagten, hatten die vorn kämpfende Infanterie doch den Eindruck der fehlenden Unterstützung durch die Artillerie.
Trotz ihrer zahlenmässigen Schwäche leisteten die vorderen Linien bis zum äussersten Widerstand. Als der Angriff der Franzosen nach Zurückverlegen des einleitenden Trommelfeuers endlich einsetzte, ging ein Aufatmen durch die Kampffront. Körperliche Schwäche und Müdigkeit waren vergessen. Auch die Verwundeten beteiligten sich, soweit möglich, an der Abwehr. Alle wollten ja ein Ende, aber ein gutes Ende und setzten hierzu ihre letzten Kräfte ein. Da sie schliesslich nur durch den Mangel an Waffen, Munition und Handgranaten überwältigt wurden, ergaben nicht nur die Berichte der aus dem Kampf zurückgekehrten Offiziere und Mannschaften, sondern auch die Tatsache, dass der Angriff mehrere Stunden brauchte, um etwa 1200m vorzudringen.
Überall führt der Gegner, begünstigt durch natürlichen und künstlichen Nebel und dicken Qualm seinen Angriff in dichten Wellen unter abschnittsweisen Vorverlegen seines Vernichtungsfeuers durch.
Die von der Division vorgesandten Infanterieflieger konnten am Morgen auf dem “Toten Mann” nur eine dichte Nebel- und Qualmdecke, später hin und wieder Lichtzeichen entdecken. Erst im Laufe des späten Vormittags wurde die Sicht klarer. Auch die noch bestehenden Blinkstationen konnten am Morgen bei dem dichten Nebel nicht wirken. Die Fernsprechleitungen von den Regiments-Gefechtsständen nach vorn waren zerschossen, auch die Leitungen von diesen nach rückwärts meist längere Zeit zerstört. Die Funkenstationen des Kronprinzentunnels war seit gestern nicht mehr in Tätigkeit. Auch die Funkenstation des Regiments 35 funktionierte heute nicht. Die Brieftauben und Meldehunde waren gaskrank. So konnten die Regimenter nur Meldungen durch Offiziere und Mannschaften erhalten, welche erst nach Stunden bei ihnen eintrafen. Auch die Verbindungen der Division mit der Brigade, den Infanterie-Regimentern und Artillerie-Gruppen waren zeitweise unterbrochen. Die Division erhielt erst allmählich Klarheit durch vorgesandte Offiziere.
Im Abschnitt “Rote Erde” des Regiments 35 wurde der Frontalangriff vom I./Bataillon stundenlang abgewehrt. Die Führung des Bataillons hatte Hauptmann Weidemann trotz eines gelähmten Beins behalten. Als der Angriff kam, lag alles in den Trichtern bereit und hielt aus, bis schwere Verluste, sowie Mangel an Handgranaten und Munition den Widerstand des I./ Bataillons und der in der 1. Zwischenstellung liegenden 11./ und 12./ Kompagnie brach. Die am rechten Flügel liegende 1./ Kompagnie unter Leutnant Benndorf konnte sich am längsten; auch war es ihr gelungen, gefangene Kameraden einer anderen Kompagnie zu befreien und dadurch die eigene Kampfkraft zu stärken. Die in der Mitte der vorderen Stellung liegende 4./ Kompagnie, noch 25 bis 30 Mann, hatte sich in zwei Gruppen um den Kompagnieführer Leutnant Schnak und Leutnant Anbuhl gescharrt. Nachdem mehrere Angriffe des Feindes abgewehrt waren, unternahm er keine weiteren Angriffe, sondern blieb fast auf Handgranatenwurfweite vor der Stellung liegen. Leutnant Anbuhl fiel hierbei im Nahkampf. Gegen 9 Uhr vormittags waren die letzte Patrone verschossen, keine Handgranaten mehr vorhanden, das leichte M.G. vernichtet, sodass der letzte Rest der Kompagnie, rings von dichten Scharen umdrängt, sich ergeben musste. Bei der am linken Flügel des Bataillons kämpfenden 3./Kompagnie war der Kompagnieführer Leutnant Kühn zuletzt beobachtet worden, als er mit 3 Gruppen seiner Kompagnie zum Gegenstoß vorstürmte. Einzelne Nester des I./Bataillons hielten sich noch bis Mittag.
Gegen 09.30 Uhr vormittags wandte sich der Gegner gegen die 2. Zwischenstellung, wo der stellvertretende Bataillonsführer Rittmeister Stockmann, mit seinem Adjutanten Leutnant Bockler und der 9./ und 12./ Kompagnie unter Leutnant Richardt festen Widerstand leistete. Er hielt sich im Verein mit den im “Heckengrund” stehenden M.G. bis gegen 05.30 Uhr nachmittags. Erst nachdem alle Mannschaften bis auf 20 alle gefallen oder kampfunfähig, sämtliche M.G. vernichtet oder unbrauchbar geworden, die letzten Patronen verschossen und die letzten Handgranaten verworfen waren, gab er Befehl, die Stellung zu räumen und meldete sich gegen 6 Uhr abends auf dem Regiments-Gefechtsstand.
Als gegen 09.30 vormittags die ersten Nachrichten über den Verlauf der Kämpfe des I. Bataillons und gleichzeitig die Meldung beim Regiment 35 eingelaufen waren, dass der Gegner am Kronprinzentunnel weiter nach Norden stoße, hatte der Regimentskommandeur, Oberstleutnant von Götzen, seinen beiden Reserve-Kompagnien, der 5./ und 6./223, den Befehl erteilt, in südöstliche Richtung vorzugehen und weiteres Vordringen des Gegners dort aufzuhalten. Sie trafen bald mit dem Gegner zusammen und drängten ihn zurück, bis schwere Verluste und die immer stärker werdende Übermacht des Feindes sie zwang, im Verein mit M.G. der M.G.S.S.A. (Machinengwehr-Scharfschützen-Abteilung) 52 auf Abwehr zu beschränken.
Gegen 2 Uhr nachmittags traf der Bataillons-Stab des III./223, Hauptmann von Marschall, beim Regiments-Gefechtsstand 35 ein und meldete den Anmarsch seines Bataillons, des Naht-Bataillons. Er erhielt den Befehl, sich zum Gegenstoß bereitzustellen, um die schwachen Kräfte der in der zweiten Zwischenstellung kämpfenden Reste der 09./ und 12./ Kompagnie zu entlasten. Zugleich wurde durch Blinkspruch Artillerie-Feuer angefordert, welches auf Befehl der Division wirkungsvoll um 3 Uhr nachmittags einsetzte. Doch verzögerte sich der Angriff des Bataillons, da Artilleriefeuer und erneut Vergasung des Forges-Bach-Grundes das Vorarbeiten der Kompagnien sehr störte. Erst gegen 6 Uhr nachmittags führte das Bataillons, dessen Gefechtskraft inzwischen schwerste Einbußen erlitten hatte, den Vorstoß aus. Er erstickte aber bald unter heftigem Feuer mit Gasgranaten, welches zum Aufsetzen der Gasmasken zwang und durch M.G.-Flankierung von der Höhe des Kronprinzentunnels, und blieb schließlich in Abwehr liegen.
Diese Kämpfe leitete der persönlich bis zum Abend im Nahkampf stehende Regimentskommandeur, Oberstleutnant von Götzen mit den überall eingreifenden Offizieren seines Stabes, der Leutnants Maul, Ritter und Gils. Leutnant Gils fiel in der Nähe des Gefechtsstandes, als er einen führerlos gewordenen Zug vorreißen wollte.
Über die Tage im Abschnitt “Niederrhein” des Regiments 20 unmittelbar vor Beginn des Angriffs ist schon berichtet. Hier benutzte der französische Angriff nach Überwindung der wenigen noch kampffähigen Leute der vorderen Linie eine durch schwerstes Feuer entstandene breite Lücke der ersten Zwischenstellung westlich der 8./ Kompagnie zum Durchbruch und wandte sich von hier aus gegen Flanke und Rücken der noch besetzten Stellungen. Gegen 6 Uhr vormittags griff er die 8./ Kompagnie an, welche inzwischen südlich des Tunnels das Trichterfeld besetzt hatte und durch M.G. der 2./ M.G.K. unter Leutnant Gericke unterstützt wurde. Der größte Teil der hier kämpfenden Offiziere und Mannschaften wurde getötet oder verwundet, der Rest nach heftigem Kampf in den Tunnel gedrängt. Doch gelang es dem Kompagnie-Führer Oberleutnant Schröder, die Franzosen am Eindringen zu hindern.
Weiter östlich im Abschnitt des I./ Batatillons, wo Hauptmann Löwenheim den Kampf leitete, traten 6.15 Uhr vormittags Leutnant Wennmoß mit 2 Zügen der 4./20 und Leutnant Weise mit 2 Zügen der 2./20 zum Gegenstoß an und drängten in der Caurettes-Mulde die dort vorgehenden schwarzen Franzosen mit Handgranaten zurück. Bald aber wurden die durch tieffliegende Flieder unterstützten Franzosen so übermächtig, dass sich die Leutnants Wennmoß und Jankowiak, auch in den Flanken umfasst, unter verzweifelter Gegenwehr mit dem Rest von 15 noch kampffähigen Leuten zwischen 7 und 8 Uhr vormittags zurückzogen und sich gegenüber des Raben-Waldes von neuem einnisteten. wo sie, als 10 Uhr vormittags dichte französische Schützenlinien aus dem Nordwestrand des Waldes hervortraten. diese unter Feuer nahmen, worauf die Franzosen in den Wald zurückkehrten.
Inzwischen hatte der Regimentskommandeur, Oberstleutnant Freiherr von Lyncker, seine Reserven, die 10./20 und die 7./223, zum Gegenstoß angesetzt. Die 10./20 traf hierbei auf die zurückgehenden Reste der 1./ Kompagnie, welche sich dem Gegenstoß anschlossen. Nach starken Verlusten mussten auch diese Kompagnien vor der überwältigenden Masse der Franzosen zurückgehen. Gegen 10 Uhr vormittags traf die 7./223 am Nordende des Kronprinzentunnels mit Leutnant Großpietsch zusammen, welcher mit dem Rest der 12./20 (8 Mann) französische Schützen abwehrte.
Endgültigen Widerstand fanden die Franzosen erst an der zweiten Zwischenstellung, wo Oberstleutnant Freiherr von Lyncker, unterstützt durch seinen Regiments-Adjutanten Oberleutnant Philipp, mit den hier zusammenkommenden Teilen seines Regiments und der 07./ und 08./223 den Kampf bis zum Nachmittag führte und die südlich des Forges-Bach-Grundes feuernden Batterien deckte. Einige Infanterie-Gruppen lagen auch unmittelbar bei diesen Batterien. Vereinzelte Offizieren und Mannschaften aller Regimenter waren bis zur Hagen-Stellung zurückgegangen, wo sie sich der dortigen Besatzung anschlossen. Die Verteidigung der Stellungen südlich der Gefechtsstände der Regimenter 35 und 20 wurde durch unsere Artillerie wirksam unterstützt, welche alle französischen Bewegungen am Nordhang des “Toten Mann” unter beobachtetes Feuer nehmen konnte.
Inzwischen schlug Major Büttner im Kronprinzen-Tunnel alle Angriffe der Franzosen ab. Vor den Ausgängen lagen in Trichtern Offiziere und Mannschaften mit M.G. Die großen, durch Artillerie- und M.G.-Feuer eintretenden Verluste konnten zunächst noch gedeckt werden, da der energische Tunnel-Kommandant Rittmeister von Ortloff alle Mannschaften, welche noch ein Gewehr führen konnten, ob verwundet oder krank, ansetzte. Am Südausgang lag Leutnant Lorsch mit einem Teil der 8./20; an den Westausgängen hielten Oberleutnant Schröder und Leutnant Krenski mit dem Rest der 8./20 und Leutnant Gericke mit M.G. der 2./M.G.K., an den Ostausgängen Leutnant Janensch mit den M.G. der Ulanen-Eskadron. Leutnant Petzoldt, Adjutant des II./20 und Leutnant Müller, stellvertretender Adjutant des III./20, mit M.G. der 3./M.G.K.; deren Führer, Leutnant Graf von Bernstorff verwundet im Tunnel sich befand.
8 Uhr vormittags kehrte Leutnant Hermanns in den Tunnel zurück. Er hatte sich, als die nachts abgesandten Gefechts-Ordnonnanzen gefallen oder, ohne den Regiment-Gefechtsstand gefunden zu haben, zurückgekehrt waren, 4 Uhr morgens freiwillig erboten, die Verbindung mit dem Regiment aufzunehmen, um über die Tage zu berichten, und kam nun mit dem Befehl zurück, die Stellung unter allen Umständen zu halten; 2 Kompagnien seien zum Gegenstoß angesetzt, der Gegenangriff stärkerer Kräfte stehe bevor. Diese Nachricht belebte alles und verlieh auch bei Ohnmächtigen neue Kraft. Ein jeder wollte kämpfen und, wenn es sein musste, sterben, um bis zum Herankommen des Ersatzes den Kronprinzen-Tunnel zu halten und die Hunderte von Verwundeten und kranken Kameraden zu retten. Aber die Verluste mehrten sich erheblich. An einem Westeingang wurde Oberleutnant Schröder schwer verwundet, an einem der Osteingänge fiel Leutnant Petzoldt; Leutnant Müller wurde schwer verwundet heruntergeschafft; aber ungeachtet seiner entsetzlichen Schmerzen blieb seine dauernde Sorge die Verteidigung seines Eingangs. Wenige Tage darauf starb der Held in französischer Gefangenschaft. Ebenso wie diese Offiziere wurden viele Mannschaften verwundet oder getötet. So verging eine lange Zeit in ununterbrochenem langen Kampf. Schließlich gelang es den Franzosen, sich der Westeingänge zu bemächtigen. Zwar wurden am Fuße der Treppen schleunigst Barrikaden errichtet, sodass der Gegner in den Tunnel selbst nicht eindringen konnte, aber die Franzosen warfen von hieraus Gas- und Nebelbomben in den Tunnel, welche die Luft bis zum Äußersten verpesteten. Auch die Munition näherte sich ihrem Ende. Major Büttner stand nun vor dem schweren Entschluss, mit dem Rest der noch bewegungsfähigen Mannschaften zum Forges-Bach durchschlagen sollte. Er entschloss sich mit Rücksicht auf den in Aussicht gestellten Gegenangriff, den Tunnel bis zum Äußersten zu verteidigen. Die Franzosen gingen jetzt auch mit Flammenwerfern vor. Gegen 10 Uhr vormittags verlor Major Büttner das Bewusstsein und wurde erst am Nachmittag von einem französischen Arzt in einem Trichter zum Leben zurückgerufen. Nach dem Bericht des Oberarztes Dr. Grünberg, Bataillonsarzt des III./20, hörte bald nach 11 Uhr der starke Zufluss der Verwundete und damit wohl auch der Kampf auf. Gegen Mittag war im Tunnel alles denkende Leben erloschen. Die Ruhe wurde nur durch das Krachen der Geschosse und durch einige durch Kohlenoxyd irrsinnig gewordene Mannschaften, welche sich singend im Tunnel wälzten, unterbrochen. Oberarzt Dr. Grünberg, der sich nur durch das Bewusstsein, dass von seiner Tätigkeit das Leben Ungezählter abhinge, mühsam bei Bewusstsein erhalten hatte, stellte zwischen 3 und 4 Uhr nachmittags das Eindringen der Franzosen in den Tunnel fest.
Der Kampf war hier beendet. Nur der am Tage vorher durch die schweren Geschosseinschläge abgeteilte Nordteil des Tunnels hielt sich noch länger; nach am Abend des 20. kämpften die Franzosen hier mit Flammenwerfern.
Abschnitt Brauschweig des Regiments 24 hatte den schwersten Stoß auszuhalten, der nach Aufgabe des Talou-Rückens durch die Maaswiesen besonders wirksam wurde. Auch hier wurde dem Angriff nach Kräften Widerstand entgegengesetzt. Im vorderen Kampfgelände hielten sich einige Kampfgruppen noch mehrere Stunden. Die letzten Teile der am rechten Flügel liegenden 12./ Kompagnie unter Leutnant Otto wurden erst überwältigt, als sie auch im Rücken von der Caurettes-Höhe her von starker Übermacht umfasst waren. Bei der 7./ Kompagnie wurde der linke Flügel augenscheinlich schnell vernichtet, während sich Mitte und rechter Flügel noch hielten. Als die letzten noch kampffähigen Mannschaften unter Leutnant Mrosk sich zu dem “Hohen Gänserücken” in der Nähe der Strasse Forges – Cumières befindlichen “Grossen Marinegeschützes” durchschlagen wollten, prallten sie im Nebel überraschend auf eine französische Kompagnie, welche sie einschloss und gefangen nahm. Die in der Caurettes-Mulde stehenden leichten M.W. des II./ Bataillons unter Leutnant Stadthagen schossen noch lange nach dem Einbruch der Franzosen.
In Richtung auf den Gallwitz-Tunnel, wo schon in den vergangenen Tagen und Nächten besonders schweres Feuer gelegen hatte, schienen die Franzosen mit den stärksten Massen weitergestossen zu sein. Der Durchbruch fand seine Grenze erst im Rabenwald. Als der Kommandeur des Regiments 24 Major von Ahlefeld gegen 8 Uhr vormittags Meldung erhielt, dass die Franzosen durch den Rabenwald stiessen, gab er der 11./ Kompagnie, deren Führung Feldwebel-Leutnant Dellmann übernommen hatte, den Befehl, vom Nordost-Ausgang nach Süden vorzugehen, um den bedrohten Westeingang zu öffnen, wo die Franzosen schon die Treppen bedrängten. Der 11./ Kompagnie schloss sich der Ordonnanzoffizier des Regiments, Leutnant Heller, an, welcher melden ließ, dass auch vom “Toten Mann” her, stärkere französische Kräfte vorgingen. Bald wurde Leutnant Heller verwundet, kämpfte aber weiter, bis er zusammenbrach und verschied, bevor er den Verbandsplatz erreichte. Die 11./ Kompagnie, auch von rückwärts angegriffen, zog sich mit ihren Resten in den Tunnel zurück, wo sie den Nordost-Ausgang verteidigte.
Gleichzeitig liess Major von Ahlefeld die nördlich des Rabenwaldes liegenden 1./24, 4./24 und die Reste der 11./ und 12./223 unter Hauptmann Cochius zum Gegenstoss in Richtung Gallwitz-Tunnel antreten. Es gelang dem Hauptmann Cochius im Rabenwald den Feind zurückzudrängen, bis er durch starke Angriffe in Front und Flanke gezwungen wurde, sich zum Waldrand zurückzuziehen, wo er unter immer schwerer werdenden Verlusten stundenlang ausharrte.
Von Osten her ging auf Befehl der Division das Naht-Bataillon I./223 gegen die Flanke der durch den Cumières-Wald stossenden Franzosen vor. Auch dies durch Gas und Feuer schon stark geschwächte Bataillon hatte nur vorübergehenden Erfolg.
Während dieser Kämpfe hielt sich am “Großen Marinegeschütz” östlich der Strasse Forges – Cumières, wo am Rande der Maas-Wiesen ein starker Stollen in den Fels eingesprengt worden war, noch bis gegen 11 Uhr Vormittag ein Widerstandsnest von dem es wenigen Leuten gelang, sich durchzuschlagen.
Am späten Vormittag mussten die Geschütze der weit vorgeschobenen 1./, 4./ und 7./RFAR 6, soweit sie nicht schon durch feindliches Feuer zerstört waren, gesprengt werden, da sie sich verschossen hatten und in Gefahr waren, in Feindeshand zu fallen.
Die Tage waren nunmehr im gesamten Divisionsabschnitt eine solche, dass Abhilfe nur noch ein energischer Gegenstoss starker rückwärtiger Kräfte bringen konnte. Dieser blieb aus.
09.20 Uhr vormittags, als der Einbruch des Feindes in den “Hohen Gänserücken” erkannt war, hatte die Division das Vorführen der Korpsreserve von Moulin de l’Etanche nach Gercourt und sodann den Gegenstoss erbeten. Bald nach 11 Uhr vormittags ging ein Befehl der Gruppe ein, dass sämtliche noch verfügbaren Teile der 48. Reserve-Division, über Hagen Süd vorgehend, zur Wiedernahme des “Toten Mann” und der Caurettes-Höhe antreten sollten; M.G.S.S.A. 57 in Milly (3 km nördöstlich Dun) wurde zur Verfügung gestellt. Der Kommandeur der 48. RD, dem Kommandeur der 6. Reserve-Division unterstellt, sollte den Gegenstoss führen.
Erst 11.45 Uhr vormittags gelang es der 6. Reserve-Division Verbindung mit der 48. Reserve-Division zu bekommen, welche den Angriffsbefehl der Gruppe wesentlich früher bekommen hatte und ihren Befehl schon ausgegeben hatte:
- Regiment Cramer (II./ und III./221) tritt sofort in Vormarsch nach Hagen-Süd im Raum 3 (westlich des Forges-Waldes)
- I./221 ist in Hagenstellung Süd in Richtung Forges mit unterstellter 2./48 bereits in Marsch gesetzt mit Befehl die Hagenstellung Süd zu halten.
- Abteilung Meien (1./ und 7./48) geht dem Regiment Cramer voran und geht in Stellung etwa 2 km östlich Cuisy mit Wirkungsmöglichkeit auf “Toten Mann” und Gelände möglichst weit östlich davon. Feuereröffnung selbstständig.
- Mit dem Eintreffen des Regiments Cramer in Hagen Süd tritt Abteilung Meien unter dessen Befehl.
- Von Hagen-Süd aus setzt der Regimentskommandeur sämtliche Bataillone zum einheitlichen Gegenstoß gegen “Toten Mann” und Rabenwald an. Der “Tote Mann” und die Caurettes-Höhe sind wieder zu nehmen und zu halten.
Ich konnte in zweifacher Hinsicht nicht zustimmen. Der bedrohte Flügel war unzweifelhaft der Linke. Würde es dem Feind gelingen, dort weitere Erfolge zu erringen, so war mit der Regensburg-Stellung das Maastal gefährdet. Des weiteren war ich mit der zeitraubenden Versammlung des Regiments 221 auf dem weiten Raum der Hagen-Stellung nicht einverstanden. Meine Absicht war vielmehr, wie auch der Maas-Gruppe West sofort gemeldet wurde, das gesamte R. 221 östlich Forges vorzuziehen und einheitlich zunächst zu Wiedernahme des Raben- und Cumières-Waldes einschließlich Gallwitz-Tunnel anztusetzen und damit auch die Regensburg-Stellung zu sichern. Auf dieser Grundlage als 2. Ziel der “Tote Mann”.
Diese Absicht musste aufgegeben werden, da die Truppen durch die Weisung des Kommandeurs der 48. Reserve-Division schon in Marsch gesetzt waren und der Gegenbefehl derartige Störungen zur Folge gehabt hätte, dass sie angesichts der Lage nicht zu verantworten waren. So konnte die 6. Reserve-Division in ihrem Befehl nur hinzufügen, dass alle Teile der 6. Reserve-Division und der R. 223 dem Führer des Gegenstoßes unterstellt seien, außer der Sicherheitsbesatzung Hagen.
Es vergingen viele Stunden des Drängens und Wartens auf das Eintreffen des Gegenangriffs.
Inzwischen kamen immer dringendere Meldungen, dass die Regensburg-Stellung zwar noch von Teilen des II./24; I./223 und des Landsturm-Bataillon Heilbronn in Hin und Her wogenden Kampf gehalten würde, dass aber dem Angreifer immer stärkere Kräfte zuflössen. 06.30 Uhr abends ging die Meldung ein, der Feind rolle von Osten her die Regensburg-Stellung auf und stieße gegen das völlig entblößte Forges vor. Der Kommandeur des II./24, Hauptmann von Hertzberg, welcher dort in immer wiederholten Gegenstößen den Kampf geleitet hatte, trat, als trotz aller seiner Meldungen und Anträge der Gegenangriff nicht kam, und die Stellung nicht mehr zu halten war, den eindringenden Franzosen mit drohender Faust entgegen und fand hierbei den Heldentod.
Da um diese Zeit I./221 in der Hagenstellung nörlich Forges angriffsbereit zusammengezogen war, erteilte ich 7.30 abends diesem Bataillon unmittelbar den Befehl, durch sofortigen Angriff sich in Besitz von Forges und demnächst des “Hohen Gänserückens zwischen Straße Forges – Cumières und Höhe 265 zu setzen.
Am Nachmittag wurde der Brigade-Gefechtsstand in der Hagen-Stellung durchschlagen, wobei der Brigade-Kommandeur, Oberst von Rath, und sein Adjutant Hauptmann Ende verwundet wurden.
7.20 Uhr abends teilte die 48. Reserve-Division mit, dass der Gegenangriff beginne, die linke Flügelkolonne (I./221) sei durch Forges durch, die andern beiden Bataillone seien gegen “Toten Mann” und Rabenwald angesetzt.
Als 8.40 Uhr abends I./ und II./221 anfingen des Forges-Bach-Grund zu überschreiten, reichte in der Dunkelheit ihre Kraft nur noch aus, um die noch im Zwischengelände, besonders in der zweiten Zwischenstellung und am Rabenwald bis in die Nacht kämpfenden Reste der 6. Reserve-Division und des R. 223 zu entlasten.
Auch I./221, welches über Forges vorgegangen war, konnte nur noch die Sicherung des Maas-Tals durchführen.
Während so der Kampf tobte, waren in den überfüllten Verbandsstellen, dem Hauptverbandsplatz und den Feldlazaretten, wo Tag und Nacht ununterbrochen die Verwundeten und Gasvergifteten zusammenströmten, unsere Ärzte, Krankenschwestern und Sanitätsmannschaften mit äußerster Hingabe tätig. Schon seit vielen Tagen und Nächten waren sie kaum zu kurzem Schlaf gekommen. Nur Pflichterfüllung, Tatkraft und das Gefühl treuer Kameradschaft hielten sie aufrecht.
Auch die Veterinäroffiziere arbeiteten mit größter Anspannung, um die vielen verwundeten und gaskranken Pferde zu versorgen.
In der Nacht wurden von der Infanterie, welche mit Unterbrechungen eine etwa 1 km südlich des Forges-Bach-Grundes laufende Linie hielt, mehrfache feindliche Angriffe abgewiesen.
Die Pioniere konnten, da das feindliche Brisanzfeuer weniger heftig wie in den Vornächten war, mit mehr Erfolg an den Forges-Bach-Übergängen arbeiten.
Die Artillerie begann ihre Umgruppierung. Die im Forges-Bach-Grunde stehenden schweren Geschütze wurden, soweit sie nicht schon zerschossen waren, zur sofortigen Sprengung vorbereitet, während die leichten Geschütze aus dem vergasten Grunde zurückgeführt werden sollten. Mit einem Teil der Geschütze konnte dies bis zum Morgen des 22.08. unter Führung der Leutnants Dirks und Guth und des Vizewachtmeisters Schroeter im Kampf mit tieffliegenden Fliegern und unter unsäglichen Anstrengungen durchgeführt werden. Ein anderer Teil blieb im Forges-Bach-Grund stecken und wurde mit den Leichen der Kanoniere erst nach Monaten geborgen.
Major von Ahlefeld hatte inzwischen im Gallwitz-Tunnel, den er gegen dauernde weitere Angriffe unter wiederholten Ausfällen hielt, alle Vorbereitungen getroffen, um den zuversichtlich erwarteten Gegenangriff zu unterstützen.
Die Funkenstation war von dem Stationsführer bei dem Herankommen der Franzosen zerstört worden, um sie nicht in Feindeshand fallen zu lassen, sodass die Verbindung nach rückwärts ausgeschaltet war. Doch gelang es, in einem Luftschacht einen Beobachtungsposten einzurichten, welcher feststellte, dass die Franzosen sich südlich des Rabenwaldes eingruben, viele M.G. in Stellung brachten und über den Nordausgang des Tunnels in den Rabenwald vorgedrungen waren. Vor allen Eingängen lagen französische Schützenlinien, welche jedoch durch die M.G. der Verteidiger in Schach gehalten wurden. Als die Nacht mit ihrer tiefen Dunkelheit hereinbrach, welche buchstäblich nicht die Hand vor Augen sehen ließ, mußten die Verteidiger der Ausgänge in diese zurückgezogen werden. Allmählich gingen die Handgranaten und die Munition zu Neige. Da in der Nacht zum 20. ein Teil der Verpflegung wegen schweren Feuers und der Vergasung nicht durchgekommen und die Verpflegungsvorräte des Tunnels durch Einschläge zerstört waren, entstand auch Mangel an Lebensmitteln. Hin und wieder flogen Hand- und Schwefelgranaten durch den Luftschacht und Nordausgang in den Tunnel.
So verging die Nacht, stets in Hoffnung auf den am kommenden Morgen erwarteten Gegenangriff. Beim Morgengrauen des 21.08. wurde erkannt, dass sämtliche Ausgänge bis auf den Nordausgang so zugeschüttet waren, dass sie keine Luft mehr eintreten liessen. Am Nordausgang war noch die Möglichkeit, durch enge Öffnungen den Gegner mit M.G. zurückzudrängen. Es galt, dieses Tor zu öffnen, um den Gegenanriff durech Ausfall zu unterstützen. Mit Dynamit wurde durch Pioniere eine Öffnung gesprengt und unter M.G.-Feuer offen gehalten. Aber der Gegenangriff kam nicht! Auch wurde keine Steigerung unseres Artillerie-Feuers erkannt, welche auf Vorbereitung unseres Angriffs hätte schliessen lassen können. Verpflegung und Munition waren nun völlig ausgegangen. Die Ventilatoren nutzten nichts mehr. Die Luft wurde immer giftiger. Die Mannschaften gerieten in einen Zustand der Teilnahmslosigkeit, aus dem sie auch durch den aufmunternden Zuspruch der unermüdlichen Offiziere nicht mehr aufgeweckt werden konnten. Die vielen Hunderte von Gaskranken und Verwundeten litten unersäglich. Nach ärztlichen Gutachten mussten in einigen Stunden alle erledigt sein.
Als jede Hoffnung au Ersatz ausgeschlossen war, entschloss sich Major von Ahlefeld am Vormittag, um die im Tunnel befindlichen Offiziere und Mannschaften, über deren Zahl die Angaben schwanken, (400 – 700), nicht nutzlos dem unmittelbar bevorstehendem Erstickungstod zu opfern, zur Übergabe. Der Kampf war auch hier beendet.
Die südlich des Forges-Bach-Grundes im Trichterfeld liegenden Schützen wehrten im Verein mit der Artillerie alle am 21.08. eingesetzten Angriffe des Feindes ab.
An diesem Tage, wie auch am 20., wurden die wiederhergestellten Verwundeten, die von Gas- und Darmerkrankungen wieder Genesen, soweit sie nur irgend verwendungsfähig waren, und die vom Urlaub zurückgekehrten nach vorn gezogen und zur Verstärkung der Besatzung der Hagenstellung verwandt.
Am Nachmittag besuchte mich S. Kaiserl. Hoheit der Kronprinz und äusserte nach Anhören meines Berichtes: Er habe wiederholt dem A.O.K.empfohlen, das Gelände südlich des Forges-Baches nur als Vorstellung zu benutzen; und bei feindlichem Grossangriff zu räumen; aber es sei natürlich schwer, sich zu entschliessen, im siegreichen Kampf eroberten Boden preiszugeben.
Als ich mich am 24.08. beim A.O.K abmeldete und über diese Äußerung S. Kaiserl. Hoheit berichtete, entgegnete der Oberbefehlshaber: Gewiss habe er die Räumung der südlich des Forges-Baches gelegenen Höhen in Aussicht genommen, aber doch erst dann, wenn wir duch siegreiche Abwehr gezeigt hätten, dass wir sie halten könnten.
Die Nacht zum 22.08. verlief ruhig.
Im Laufe des 22.08. wurde die 6. Reserve-Division aus der Stellung gezogen, welche nunmehr von der 30. Infanterie-Division übernommen wurde.
Die Hagen-Stellung Süd wurde Hauptverteidigungsstellung, deren Vorfeld-Zone sich bis zum Forges-Bach vorschob, bei Forges ihn überschritt und sich nach Osten zu den Maaswiesen erstreckte.
Von der im Kampf gewesenen Infanterie der Division kehrten etwa 40 Offiziere und 1100 Mann zurück, einschließlich der Wiederhergestellten und vom Urlaub zurückgekehrten, welche am 20. nachmittags und am 21.08. in die Hagenstellung vorgeführt waren. Dazu kamen über 400 noch in Revierbehandlung