Die 2. (Württembergische) Landwehrdivision 1917/1918 in den Argonnen
Im August 1914 aus der gemischten 53. Landwehrbrigade und der 9. bayr. Landwehrbrigade formiert, fand sich zum Jahreswechsel 1915/16 nach Abgängen von allen preußischen und bayerischen Teilen sowie Zutritt der 54. Landwehr-Brigade eine reine Württembergische Landwehr-Division wieder.
Seit 1914 hielt die Division den Abschnitt Cheppy-Malancourt, nordwestlich des Argonnerwaldes bis sie nach Verdun verlegte und sich bei den Kämpfen auf der Höhe 304 einen Namen bei der Obersten Heeresleitung machte.
Im September 1917 in die Argonnen zurückkehrend, fand die Division unter General Franke die Stellungen in einem katastrophalen Zustand, Spuren des Verfalls und ein Verteidigungssystem vor, welches den modernen taktischen Anschauungen nicht mehr entsprach.
Sofort wurde mit Erneuerungs- und Modernisierungsarbeiten begonnen. Der K3-Graben als 3. Kampfstellung wurde ausgebaut und von der Moreau-Schlucht bis Höhe 207, südwestlich Varennes-en Argonne, wurde eine zweite Verteidigungsstellung angelegt.
Als letzte Rückversicherung galt der Argonnen-Riegel, 7 km lang und im Anschluss an die entsprechenden Riegelstellungen in der Champagne vom Bièvre-Tal nördlich Tote-Mann-Mühle über Vier-Eichen und Bahnhof Greiff in Richtung Montblainville verlaufend. Notdürftig ausgebaut sollte er, sowie alle neu angelegten Stellungen, im Herbst 1918 noch stark geprüft und umkämpft werden.
Schon zu Beginn des Jahres 1918 wurde der Hauptwiderstand in die K2-Stellung verlegt. Die Artillerie und die Minenwerfer beschränkten sich auf gelegentliche Feuerüberfälle oft verbunden mit dem Verschießen von Gelbkreuz.
Der offensive Minenkrieg als Kampf unter der Erde wurde auf Veranlassung der Division abgebrochen, lediglich Quetschsprengungen zur Verteidigung fanden statt. Im Februar 1918 wurde der unterirdische Krieg ganz ausgesetzt, dass Horchen und Anlegen von Querverbindungen, großangelegte Patrouillen- und Stoßtruppunternehmen, zeitweise mit bis zu 76 Minenwerfern, prägten den Tag. Erwähnung im Heeresbericht fand das Stoßtruppunternehmen „Rache” vom 20. Februar 1918. Alle drei Divisionsregimenter brachen mit 4 starken Stoßtrupps tief beim Franzosen ein und machten 5 Gefangene nach erbitterten Nahkämpfen.
Der Beginn der Michael-Offensive machte sich im Argonnerwald kaum bemerkbar. Die Besatzung wurde ausgedünnt und verlegt, die 2. Landwehr-Division musste sich zu beiden Seiten bis in den Grurie-Wald ausdehnen. Der Abschnitt der Landwehr-Regimenter 120, 122 und 125 dehnte sich nun vom Südhang des Dieusson-Seitentals bis zum Ostrand des Waldes aus.
Als am 18. Juli 1918 der Franzose unter Marschall Foch den Umschwung brachte, begrub man auch in den Argonnen die Hoffnung auf erneuten Vormarsch. Tiefe Gliederung und das Schaffen von einem 1500 m tiefen Vorfeld wurde angegangen. Die 1917 gebaute 2. Stellung wurde Hauptwiderstandslinie.
Im September 1918 befand sich die Masse der Kampfbataillone in der HWL, das Vorfeld besetzte höchstens eine Kompanie, eingesetzt in 2 oder 3 Feldwachen. Durch weitere Patrouillen wurde festgestellt, dass sich noch keine US-Amerikaner vor der Division fanden.
Der Franzose versuchte durch Verteilen von Flugblättern mit propagandistischem Inhalt die Soldaten der Division zum Überlaufen und zum Verrat zu verleiten.
Am 11. September 1918 wurde festgestellt das Italiener vor der Argonnenfront standen, ebenfalls mehrten sich ab Mitte des Monats die Anzeichen auf einen Großangriff des Gegners. Vom Mudra-Turm aus beobachtete man die Staubwolken endloser Kolonnen von Lastwagen auf der Straße Brabant-Dombasle.
Nur die schwache 5. Garde-Infanterie-Division konnte als Eingreifdivision hinter den Württembergern bereitgestellt werden. Am 23. September ließen sich die ersten Amerikaner vor der 5. Armee aufklären. Ob der frische, ausgeruhte und tadellos bewaffnete, sich mit Tanks nähernde Gegner sich durch das schwierige Gelände der Argonnen wagen würde, blieb fraglich.
Tags darauf wurde die Gliederung für den Großkampf eingenommen. Der Vorfeldtruppen-Kommandeur (V.T.K.) im Vorfeld des LIR 122 befand sich im Lager Hauserberg, vom LIR 120 im Lager Küchental und vom LIR 125 im Osson-Grund. Der Divisions-Gefechtsstand befand sich im Lager Borrieswalde.
Tankfallen auf der Halberstädter- und Varenner Straße wurden angelegt. Falsche Aussagen von Gefangenen ließen die 2. Landwehr-Division am Morgen des 25. September 1918 in volle Kampfbereitschaft gehen. Die Patrouillen und Feldwachen stellten allerdings Ruhe beim Feind fest, nur starkes Motorengeräusch bei La Harazée ließ auf einen Tankaufmarsch schließen.
Um 23 Uhr 30 abends setzte schweres Feuer auf das Hintergelände, Straßen und Straßenkreuzungen ein, das Aire-Tal wurde vergast. Auf dem Vorfeld lag lediglich gewöhnliches Störungsfeuer, bis um 2 Uhr 30 morgens schlagartig das Trommelfeuer einsetzte. Der Hauptwiderstand wurde von den Amerikanern in der ehemaligen K3-Stellung vermutet. Die Täler des Moreau- und Charmes-Baches, des Meurisson- und Osson-Bachs, die Hubertus- und Barrikadenhöhe, die Schwarze Kuppe, Kahle Höhe und Schimpfhöhe, die Varenner Straße, der Artilleristen-Weg, die Halberstädter-und Württemberger-Straße, der Esebeck-Platz und Borrieswalde lagen unter schwerstem Feuer.
4 Stunden lagen die Landwehrmänner, im Durchschnitt 40 Jahren alt, in dieser Hölle von Qualm, Gestank, Gas und Staub. Die Verluste waren durch die schwache Besatzung im Vorfeld gering, nur die 8./ Kompanie des LIR 122 hatte im Madamebach-Tal durch Volltreffer in einen Unterstand 13 Tote zu beklagen. Morgens um 6 Uhr trat der Amerikaner zum Angriff an. Leuchtzeichen für Vernichtungsfeuer wurden von den vorgeschobenen Posten verschossen, bevor sie sich auf die Rückhaltlinie des Vorfeldes zurückzogen. Die 28. und 77. US-Division trafen an der ehemaligen K3-Stellung auf die schwachen Feldwachen. Nach kurzem Geplänkel zogen sich diese auf die HWL zurück und leisteten dort erheblichen Widerstand. Die HWL blieb bis zum Abend in der Hand der 2. Landwehr, große Teile der Amerikaner wurden durch sie zusammengeschossen.
Bedrohlich wurde die Lage am rechten Flügel als der Amerikaner durch ein Loch an der Divisionsgrenze stieß und versuchte den rechten Flügel aufzurollen.Teile der 6./ und 10./ 122 warfen ihn im Gegenstoß bis über den Karlsplatz zurück.
Bei der links benachbarten 1. Garde-Infanterie-Division gingen die Wälder von Cheppy und Montfaucon verloren. Eine gewaltige Sprengung riss die Hälfte des Bergkegels von Vauquois weg, der Amerikaner lag abends vor Montblainville. Baulny war noch besetzt aber schwer gefährdet.
Die östliche Flanke der Argonnenfront stand offen, sechs Kompanien und eine MG-Kompanie des LIR 122 rückten ab um sich auf Höhe 266 westlich von Montblainville bereitzustellen, später verlegte es nach Apremont. Der Kommandeur General Franke bog den linken Flügel der 2. Landwehr-Division entlang des Ostrandes der Argonnen zurück.
Am 27. September wurde erbittert um Montblainville gerungen in welchem der Amerikaner sich festgesetzt hat, östlich der Aire war er allerdings schon bis Baulny vorgedrungen und stand somit im Rücken der Division.
Auf Befehl wichen die Deutschen Kräfte auf den Argonnenriegel aus, die Division vollzog dieses am 28. September vom Feind unbedrängt. Besetzt wurde er von LIR 120 und 122, das LIR 125 sicherte die linke Flanke am Bouzon-Berg bei Montblainville. Dort spielten sich am Abend des 28. September harte Kämpfe ab, bei dem das LIR 125 zurückgedrängt wurde. Nur durch Einsatz von Teilen von LIR 120 und 122 auf dem bedrohten Flügel, gelang es, die Mudra-Höhe und das Lager Borrieswalde mit dem Divisions-Stab zu halten. Trotz aller Mühen wurde abends das III./125 zurückgenommen und der ganze linke Flügel von der Mitte des Argonnenriegels über die Mudra-Höhe bis Menil-Ferme zurückgebogen.
Die 2. Landwehr-Division hatte ihren neuen Brennpunkt, die Mudra-Höhe, gefunden.
Am 29. September schaffte es General Pershing in die Front zwischen der Garde und Landwehr einzubrechen und ging bis Exermont vor. Trotz Unterstützung durch Tanks wurde der Amerikaner bei Angriffen gegen die Mudra-Höhe bis Menil-Ferme durch die Regimenter 125 und 120 abgeschlagen, ein einsetzender Gegenstoß der frisch eingetroffenen 52. Infanterie-Division warf die verdutzten US-Truppen sogar bis über den Wald von Montrebeau zurück. Der Versuch von III./120 Apremont einzunehmen blieb allerdings erfolglos. Zur Frontverkürzung wurde nachts der rechte Flügel der Division Richtung Straße Apremont-Binarville zurückgenommen. Auf dem Höhenrücken südlich des Charlepaux-Baches verlief nun die Linie der 2. LdwDiv von Mudra-Höhe bis Menil-Ferme und wurde bis zum 6. Oktober 1918 gehalten. Nachdem die 52. Infanterie-Division Entlastung brachte verbesserte sich die Lage der Württemberger, die wenigen Geschütze der Artillerie hatten von den Höhen bei Châtel hervorragende Beobachtungsmöglichkeiten. Tanks und Reserven im Bereich des Aire-Tals konnten aus der Flanke bekämpft werden. Für General Pershing galt es nun, diese Flankierung auszuschalten. Der Gegenseite lag alles daran Apremont wieder einzunehmen, da es die LdwDiv ständig in der Flanke und im Rücken bedrohte.
Ein Angriff am 1. Oktober misslang. Die leichten Geschosse der Artillerie vermochten die betonierten Keller nicht zu durchschlagen. Munitionsmangel, schlechte Vorbereitung und übereilte Befehle führten ebenfalls dazu. Trotz schweren Feuers aus den Obstplantagen westlich konnte der Kirchhof erreicht werden, der allerdings wieder aufgegeben werden musste, nachdem Tanks aus dem Dorf angriffen und man sich den Gegenstößen aus den Plantagen erwehren musste. Das III./ Bataillon LIR 120 verlor dabei 124 Mann. Auch das III./ LIR 125 an der Straße Apremont-Binarville wurde fast restlos vernichtet als 4 Tanks die offene Flanke unter Schutz von Maschinengewehrfeuer aufrollten. 46 Mann unter Führung eines Feldwebelleutnants gingen nach Borrieswalde zurück. Unglücklicherweise wurde auf der rechten Flanke am 2. Oktober die 76. Reserve-Division eingedrückt, trotz aller Bemühungen konnte die dort klaffende Lücke nicht geschlossen werden. Eben in diese Lücke der Front, nistete sich ein Bataillon der US-Armee ein und verteidigte sich zäh gegen die 7./, 10./ und 12./ Kompanie des LIR 122.
Ebenso spielten sich auf der übrigen Front der Württembergischen Division harte Kämpfe ab, den erschöpften und dezimierten Landwehrleuten warfen sich immer wieder frische, ausgeruhte amerikanische Kräfte entgegen. Ohne schützende Stollen und Unterstände, der Witterung preisgegeben, erwehrte sich die Landwehr ihrer Haut. Der Kampf fand wieder im Wald statt, geführt mit Karabiner, Pistole und Handgranate wie Ende 1914, Anfang 1915.
Die Erfahrungen der letzten Jahre allerdings ließen die Landwehr im Nahkampf, bei Patrouillen-Unternehmungen und Handstreichen besser aussehen als die unerfahrenen Amerikaner.
Am Tage des 4. Oktober 1918 trommelte die frisch aufgefahrene Artillerie des Generals Pershing auf der ganzen Front ein. Selbst in Buzancy wirkte das Fernfeuer. Der Waldrand der Argonnen im Osten wurde vergast und künstlich benebelt, Borrieswalde zermalmt. Der Feuerwalze folgende Truppen, unterstützt durch unzählige Tanks, griffen aus dem Bereich östlich der Aire an, stießen über Exermont bis Fleville vor. Die Gefahr den Feind im Rücken stehen zu haben, war hoch, Brücken über die Aire wurden durch Pioniere gesprengt um den Anmarsch zu verlangsamen. Teile der 37. Infanterie-Division allerdings gelang es, im Gegenstoß den Amerikaner aus Fleville und darüber hinweg zu werfen.
Auflösungserscheinungen bei der 5. Garde-Infanterie-Division förderten eine allgemeine Rückwärtsbewegung und sorgten so für ein Einreißen der linken Flanke von Apremont bis Fleville.
Ein großangelegter Gegenangriff am 6. Oktober scheiterte, es fehlte an Artillerie-Munition. So ging man zur bereits lang geplanten ausweichenden Kampfführung über und bis in die Brunhild-Krimhild Stellung zurück. Die Landwehr hatte im Wald von Châtel den Amerikaner zu bremsen, um die geordnete Rücknahme der Front zu gewährleisten. Dieses gelang nur zum Teil. Schon beim Lösen vom Feind in der Nacht vom 6. auf den 7. Oktober 1918 litt man unter Artilleriefeuer und dem zügigen Nachrücken der US-Truppen. Ehe man sich vollends in der befohlenen Stellung festsetzten konnte, stieß der Amerikaner schon aus Osten und Süden vor. Der Schloßberg nördlich Châtel und die Schöne Aussicht südlich Cornay gingen verloren, die Hohenborn-Höhe allerdings wurde von 5./ und 9./LIR 120 gehalten. Diese musste allerdings nach verlustreichen Kämpfen am 8. Oktober aufgegeben werden. Die 2. LdwDiv war nur noch ein Schatten ihrer selbst und bezog Linie quer durch den Wald von Marq über den den Humser-Berg bis Cornay.
Diese Höhenstellung, 3 km entfernt von der Straße Lancon-Chatel, blieb die letzte Station der Württemberger in den Argonnen und wurde gegen alle Angriffe gehalten.
Nachdem General von der Marwitz, Führer der 5. Armee, am Mittag dem 8. Oktober den Befehl zum Rückzug gab, die Nachbarn der 2. LdwDiv lagen schon viel weiter nördlich, marschierten die restlichen Teile am Abend Richtung Aire in die Brunhild-Stellung.
Kurz flammte am 9. Oktober 1918 der Kampf noch am linken Flügel bei Cornay auf , doch die dortigen nicht mehr kampfkräftigen Teile konnten sich den Amerikanern nicht erwehren und gaben das Dorf auf. Ein Bataillon des Infanterie-Regiments 152 konnte kurze Zeit später einen kleinen Teil wieder besetzen. Mit Minenwerfer- und Maschinengewehrfeuer von der Höhe oberhalb, nahm das LIR 125 wieder den Kampf auf, trieb die Amerikaner aus den Häusern und rieb mit der Infanterie die Amerikaner im Häuserkampf auf. Mit dieser Tat der Württemberger fanden die Kämpfe der Division ein Ende, 2 Offiziere und 145 Mann der US-Truppen gingen in Gefangenschaft.
Unter Deckung der Divisions-Artillerie überquerte die Infanterie zwischen Grandpré und St. Juvin in der Nacht den Fluss, Nachhut und die zur Verschleierung eingesetzten Offiziers-Patrouillen folgten zum Schluss.
Die Division fand sich nach Zerstörung der Brücken, in der Stellung Straße Morthomme-Grandpré bis an die Höhe Champigneulles, wohlgeordnet wieder. Vortruppen an der Aire überwachten. Am 18. Oktober 1918 wurde sie nach Metz verlegt und marschierte ab dem 14. November zur Demobilmachung in die Heimat.
Seit dem 25. September 1918 hatte die 2. (Württembergische) Landwehrdivision Verluste von 123 Führern und Unterführern sowie 3329 Mann zu beklagen.
Selbst General Pershing drückte durch Parlamentäre seine Bewunderung über die Kämpfe der 5. Armee aus. Neben dem XVI. Armeekorps trugen die Hauptlast der Kämpfe in den Argonnen die Württembergischen Divisionen.