Der Rettungstrupp der Infanterie

Der seit 1915 mit den Monaten fortschreitende, unterirdische Minenkrieg forderte zunehmend zahlreichere Opfer innerhalb der Stellungs- und Arbeitsmannschaften.

Neben der Möglichkeit bei einer Trichtersprengung zu fallen oder verschüttet zu werden, existierte unterirdisch noch die Gefahr von verschiedenen Gasen. In einem Bereich zu arbeiten der z.B. mit Methan (natürliches Vorkommen) oder Kohlenmonoxyd (zumeist nach Sprengungen) beaufschlagt war, bedeutete für die ungeschützten Pioniere, Mineure und Infanteristen der Stollenbaukommandos oft den sicheren Tod.

Zur Rettung der vor Ort verunfallten Kameraden wurden extra für diese Situation ausgebildete Soldaten zusammengefasst und Rettungstrupps gebildet. Ausgerüstet mit Selbstrettern wie dem Dräger-Tübben oder dem Heeres-Sauerstoff-Schutzgerät war es ihnen möglich sich eine gewisse Zeit in der vergifteten oder sauerstoffarmen Umgebung aufzuhalten und die Rettungs- oder Bergungsarbeiten einzuleiten und durchzuführen.
Diese Rettungsgeräte waren unabhängig von der Umluft und ließen den Träger seine eigene, durch Kalipatronen vom Kohlendioxid gereinigte Ausatemluft, in einem Kreislauf wieder einatmen. Sie unterschieden sich nur durch ihr Eigengewicht, die Größe und Trageweise.
Das Heeres-Sauerstoffgerät-Schutzgerät besaß zudem ein Druckmanometer und war etwas einfacher zu handhaben.

 

 

Jede Kompanie stellte einen Rettungstrupp, der aus einem Unteroffizier oder Gefreiten als Führer und drei Mann bestand. Weitere drei Mann wurden als Reserve vorgehalten. Sollte ein Mann ausfallen, wurde sofort aus der Reserve nachgesteuert. Der Führer, der selbst an einem Ausbildungskurs mit dem Selbstretter teilgenommen hat, bildete den Trupp, sowie die Reserve, in Eigenständigkeit aus. Die Truppangehörigen sollten ruhig, entschlossen und gesund sein. Eine ärztliche Untersuchung war vorgeschrieben. Bergleute waren auf Grund ihrer Erfahrung besonders geeignet.

Die gesamte technische Führung aller Trupps im Bataillon oblag dem Rettungsoffizier, er war dem Bataillonsführer für die Bereitschaft der Trupps verantwortlich.
In einem der Kompanie bekannten, extra mit der Aufschrift „Rettungstrupp” markierten Unterstand wurden die Soldaten und ihr Gerät bereitgestellt. Zwei Mann mussten sich ständig im Unterstand oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhalten, der Führer musste leicht und schnell zu erreichen sein. In keinem Fall durfte der Truppführer außerhalb des Kompanieabschnittes zu Arbeiten eingeteilt werden.

Um die Einsatzbereitschaft sicherzustellen wurde wöchentlich eine Alarmübung, verbunden mit einer Rettungsübung, durchgeführt. Die Aufsicht und Leitung hatte auch hier der Rettungsoffizier. Um ein gutes Zusammenwirken der Leute des Trupps zu erzielen, wurden mehrmals in der Woche Arbeiten mit dem Gerät vorgenommen. Die Teilnahme bei Übungen mit dem Selbstretter war auch für die Reserve Pflicht.

 Das allgemeine Gerät des Trupps bestand aus einem Rettungsschlitten zum Abtransport der Verunfallten, vier Seilen á  15 m mit Karabinerhaken und zwei Feuerwehrgurten. Auch hier wurden die bisher im Bergbau gemachten Erfahrungen genutzt.

Persönlich führte jeder Mann seinen Selbstretter, eine Taschenlampe sowie eine Schutzbrille im Futteral mit sich. Zu jedem Selbstretter mussten noch je zwei gefüllte Sauerstofflaschen und Kalipatronen als Ersatz vorhanden sein.
Besonders die Möglichkeit Übungen in den Ruhelagern durchzuführen wurde besonders ausgenutzt. Eigens dafür angelegte Übungsstollen waren dabei von hohem Wert. Für die Übungen wurden stets die ältesten Flaschen und Kalipatronen verbraucht. Für die sachgemäße Aufbewahrung und Behandlung des Geräts hatte der Truppführer zu sorgen. Die Feuerwehrgurte und die Seile waren trocken zu lagern und nicht auf dem feuchten Boden. Sie wurden über ein Rundholz hängend aufbewahrt und mussten täglich auf ihre Festigkeit geprüft werden.

Waren keine verschließbaren Kisten bereitgestellt, wurden die Selbstretter ebenfalls aufgehängt um sie vor Nässe und auch vor Ratten zu schützen. Dabei musste auch Abstand zur feuchten Stollenwand und zur Ofenhitze eingehalten werden.
Ebenso mussten die Sauerstofflaschen und der Rest der Ausrüstung vor Hitze und Nässe geschützt werden um die Einsatztauglichkeit zu erhalten. Gerade bei den Kalipatronen war auf sorgsamen Verschluss zu achten, um den Inhalt vor Luftzutritt zu schützen.
Um sich das Arbeiten im Ernstfall zu erleichtern hatte sich der Rettungstrupp aller Einrichtungen zu bedienen. Über den Senkschächten mussten in genügender Höhe Rollen angebracht werden, am besten versehen mit Winde und Sperrklinken um das anstrengende Aufseilen zu erleichtern.

Übungen in der Stellung sollten abwechselnd in verschiedenen Stollen des Kompanieabschnittes stattfinden. Von den Pionieren auf Grund Minengases gesperrte Stollen durften nur nach Rücksprache und mit allen Vorsichtsmaßregeln betreten werden. Die Mannschaften der Rettungstrupps hatten im Ernstfall eine stark an den Kräften zehrende und belastende Arbeit vor sich, demnach mussten auch die Übungen ausgelegt sein.

 

Ausschnitt eines 6-tägigen Übungsabschnittes:

Erster Übungstag:

Verbrauch 1 Flasche, 1 Patrone je Mann.
5 min. stehen, dann 5 min. gehen. Aufpassen das der Atemsack nicht zu prall gefüllt wird. Nachgeben von Sauerstoff nicht vergessen. Übende gut beobachten. Bei etwaigen Erstickungsanfällen, erkenntlich durch Blauwerden des Gesichts, Nasenklammer abnehmen lassen. Sauerstoff sparsam verbrauchen. Pause von 3 – 4 Stunden. 5 min. Gang durch einen Stollen. 3 min. Pause. Gehen im Graben mit einer leichten Last (halbgefüllter Sandsack) 10 min. lang. 5 min. Pause. Gehen ohne Last 10 min. lang. Achten ob die Flaschen verbraucht werden.

 

Dritter Übungstag:

Verbrauch 2 Flaschen, 2 Patronen je Mann.
Vormittags Transport eines Verunglückten mittels Schlitten über ungefähr 3 m Stollentreppe durch 2 Mann. 5 min. Pause. Wiederholen. Darauf achten, dass beim Hineingehen in den Stollen das Fußende des Schlittens vorangenommen wird. Schlitten mit dem Verunglückten nach dem Hochbringen gleich vom Stolleneingang fortschaffen. Selbstretter stets 40-50 m vor Stolleneingang in Betrieb nehmen. 5 min. Pause. 15 min. Stollenarbeit. (1 Mann schlägt im Stollen Gestein los, der zweite füllt damit Sandsäcke, der dritte bringt diese hinaus. Alle 5 min. wechseln lassen.) Gehen im Graben bis die Flasche verbraucht ist.
Nachmittags Transport eines Verunglückten mittels Schlitten aus dem Stollen. Einmal durch 2 Mann ausführen lassen. 5 min. Pause dann wiederholen durch 3 Mann. 5 min. Pause. 15 min. Stollenarbeit wie am Vormittag. 5 min. Pause. Gehen im Stollen bis die Flasche verbraucht ist.

 

Sechster Übungstag:

Verbrauch 1 Flasche, 1 Patrone je Mann.
Hinaufwinden eines 150 Pfund schweren Sandsacks aus dem Senkschacht (Rolle) und Transport mittels Schlitten aus dem Stollen durch 3 Mann. 10 min. Pause. Transport mittels Schlitten aus dem Stollen durch 3 Mann. 5 min. Pause. Gehen im Graben bis Flasche verbraucht ist. Das Anseilen von Verunglückten nach der im Kursus gezeigten Art und Weise für sich noch besonders üben.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert