Heinrich Wilhelm Koch – Winterschlacht in der Champagne

Somme-Py, Tahure, März – April 1915

Anmerkung:
Der in Teilen zerlegte 21cm Mörser benötigte auf dem Marsch drei von Pferden gezogene Gespanne; den Rohrwagen, den Lafetten-sowie den Gürtelwagen. Positioniert auf dem Gürtelwagen, welcher die schweren Radgürtel transportierte, betrat Heinrich den Kreideboden der Champagne.

1. März 1915
Wir schliefen bis auf einmal unser Zug schwerfällig hielt und jemand an unserer Tür polterte. Wir öffneten, da hieß es austeigen, ausladen. Es war um 1 Uhr 10 Minuten als wir unser Ziel erreichten. Das helle Mondlicht ließ uns eine einfache Verladerampe erkennen, davor ein grundloser Weg und dann ein Schützengraben, das andre verhüllte uns die Nacht. Ein frostiger Wind wehte als sich unser Zug in Bewegung setzte, unser ganzes Bataillon. Nun begegneten wir den ersten Lazarettwagen und die ersten Infanteristen, die aus den Schützengräben kamen. Am weiten Nachthimmel sah man das Blitzen der Geschosse, wenn sie durch die Luft flogen und wir hörten entfernten Geschützdonner. Die Infanteristen erzählten uns, daß der Ort wo wir ausgeladen wurden, Somme-Py hieße. In einem kleinen Wäldchen machten wir Halt und verkleideten unsere Fahrzeuge mit  Tannenzweigen gegen Flieger. Am Rand dieses Wäldchens befindet sich ein Lazarett, das angefüllt ist mit Deutschen, Franzosen und Engländern. Die Infanteristen sind ganz voller Freude, daß schwere Artillerie heranrückt. Sie sagen, es wäre schon genug Infanteristenblut hier vergossen worden. Wir sind hier direkt zwischen Reims und Verdun in der Mitte an der Spitze des Keils, der am weitesten in Frankreich hereingeschoben worden ist.

Nachdem wir uns an etwas Kost gewärmt hatten, zogen wir mit Schanzzeug beladen weiter, um eine Batteriestellung zu suchen. Dann setzte eine intensive Arbeit ein im Bau der Geschützstellung, ununterbrochen, denn erst um 6 Uhr abends bekamen wir Speckerbsen, die uns von einem fürchterlichen Kohldampf erlösten. Zwischen 4 und 5 Uhr bekamen wir auch unsere erste Begrüßung durch die Franzosen in Gestalt von Schrapnells, stoben da aber alle auseinander. Auch beim Essenholen kamen einige blaue Bohnen in Vergrößerung zu uns herüber und lichteten die Reihen der hungrigen Mäuler an der dampfenden Gulaschkanone, so ist es eben wenn man noch nicht ganz kugelfest ist.

Dann ging alles außer der Geschützbedienung zur Protzensammelstelle, einer verlassenen Lagerstelle der Feldartillerie. Wir richteten diese noch etwas ein: als es dunkel wurde, begaben wir uns auf den langen Weg zurück, wo wir unsre Geschütze gelassen hatten, dabei zog plötzlich ein gewaltiges Schneetreiben auf, so daß wir ganz aus der Richtung kamen. In kurzer Zeit war aus jedem von uns ein Schneemann geworden. Kameraden von der Feldartillerie halfen uns wieder auf den Weg, so daß wir unsre Geschütze glücklich erreichten. Dann fuhren wir der Stellung zu mit umgelegtem Gürtel und eingelegtem Rohr. Der frisch gefallene Schnee hob unsern dunklen Zug scharf gegen seine helle Oberfläche ab. Es wundert mich heute noch, daß wir von den Franzosen kein Feuer bekommen hatten bei all den Zurufen und den klappernden Gürtel. Gegen 2 Uhr am Dienstag andern Tags, morgens kamen wir zur Ruhe.

21-cm Mörser in Stellung

3. März (Mittwoch)
Schon halb 6 Uhr nach kurzem Schlaf mußten wir wieder antreten. Und wie war der Schlaf, dicht zusammen gedrückt saßen wir in einer Hütte, die vielleicht 7 Mann faßte und wir waren zu 20. Ich lag da zwischen den Beinen von anderen, dicht angedrückt auf feuchtem Boden, während von oben durch das undichte Dach das Wasser kalt herabtropfte. Dann marschierten wir ab ohne etwas gegessen zu haben, nach der Batterie wo die Stellung fertig gebaut werden mußte. Wir litten starken Durst, da Wasser schwer zu bekommen war und wir keines bekommen konnten. Dazu war das Essen furchtbar gesalzen, was unsren Durst noch vermehrte. Am Montag hatten wir wenigstens Schnee um unsren Durst zu lindern. Jetzt aber gar nichts mehr. Gestern Abend schliefen wir aber wenigstens etwas besser, obwohl man die Beine anziehen mußte, damit man seinem Gegenüber nicht in die Seite stoßen würde. Unser Gürtelwagen hat nämlich zusammen mit dem ersten einen kleinen Unterstand bekommen. Viele andere, die keinen Platz hatten, schliefen draußen in kalter nebliger Nacht.

Heute, Mittwoch, müssen wir Unterstände für die Pferde bauen und alles mögliche. Eines wundert uns aber doch, jetzt sind wir schon einige Tage da und noch bekam unsre Batterie nicht den Befehl zum Feuern. Es heißt, andre Regimenter und die Schießschule kamen ebenfalls hierher. Bis die in Stellung waren mit ihren Mörsern, mußten wir warten. Da kam heute morgen der Befehl zum Feuern. Wie bedauerten wir in der Protzensammelstelle, daß wir nicht dabei sein konnten. Jetzt müssen unsere Munitionskanoniere Tag und Nacht unterwegs sein und Munition herbei schaffen.

4. März (Donnerstag)
Auch heute arbeiteten wir munter an unseren Unterständen. Da schlugen auf einmal Granaten in unser Lager. Wir waren eben beim Kaffee holen; der, welcher den Kaffee ausschöpfte, ließ vor Schreck den Löffel in den Kaffee fallen. Eine Granate zerplatzte zwischen den Pferden und tat nichts, eine andre drang an einem Baum in den Boden ein, hob diesen in die Höhe und zersprang nicht. Doch war die Folge von all diesem, daß unser Lager weiter nach Manre verlegt wird.

Manre – Champagne


5. März (Freitag)
Heute morgen gings mit Sack und Pack und Schanzzeug zur neuen Sammelstelle. Jede Wagenbedienung bekam einen Stand zugewiesen, wo sie nach Belieben bauen durfte. Wir leben hier durchaus nur für uns. Wir sehen niemand als unsre Kameraden. Zu essen und zu trinken haben wir auch. Besonders zu trinken, wenn wir nicht fragen, wo der Wasserfaß steht. Butter, Schmalz, Käse, Speck, Kaffee, Caviar,Tee, machen unseren Speisezettel morgens und abends aus. Für die Raucher gibt es auch Tabak, Zigarren und Zigaretten übergenug.

6. März (Samstag)
Heute Vormittag zur selben Zeit, wo wir vor 8 Tagen den Befehl zum Abrücken bekamen, sitze ich hier im Wald und hole Moos zum Bedecken unseres Unterstandes. Wir fühlen uns hier ganz wohl in unseren Unterständen, wenn es nur wärmer und nicht so regnerisch kalt wäre.

7. März (Sonntag)
Sonntage gibt es im Feld nicht und doch schien es heute so. Denn mittags kam kein Befehl zum antreten. Bis auf einmal der Feldwebel an der Tür stand und uns fragte, ob wir nicht zur Arbeit wollten.
Hier in unserem Lager merken wir höchst wenig vom Krieg, höchstens die Munitionskanoniere, die Tag und Nacht manchmal unter einem Geschoßhagel, die Sprenggranaten herbeischaffen. Deren Führer Leutnant Wahrmann soll ja auch das Eiserne Kreuz erhalten. Außerdem sollten dazu vorgeschlagen sein unser Hauptmann, Leutnant Fenchel, die Feldwebel Schüler und Köhler und Fernsprecher Rossig. Dieser hat in heftigem Granatregen die Leitung ausgebessert. Er verdient es auch.
Mit der Batterie kommen wir wenig in Berührung, höchstens wenn wir Kaffee hinbringen, ebenso zur Beobachtung. Neulich waren wir ausgeschickt um Kaffee zu Batterie zu bringen und Beobachtung, da verliefen wir uns gründlich, so daß wir wieder zurück mußten und erst nach einigen Stunden wieder ins Lager kamen.

12. März (Freitag)
Unterdessen war ich schon verschiedene Male in Batterie und Beobachtung gewesen und finde mich jetzt auch nachts ganz gut zurecht.
Man lebt hier doch so recht abgeschlossen, gestern empfingen wir die erste Post. 2 Säcke Pakete und eine Masse Briefe. Man erfährt nur das, was unmittelbar bei uns geschieht. 3. Armeekorps Sachsen sollen angekommen sein. Tatsache ist, daß sächsische Truppen vorgestern vor dem Kronprinzen von Sachsen Parade hatten in Manre.
Der Feind scheint an Offensive etwas nachgelassen zu haben, allerdings nicht ohne heftige Gegenwehr. Unser zweites Geschütz hat die Ehre am ersten durch einen Schuß vom Feind gezeichnet zu werden. Ein Volltreffer (Granate) zerschlug eine Holzplatte des Gürtels, traf auf das Rad und explodierte, wobei die Sprengstücke Löcher ins Rad schlugen und die Sandsäcke der Brüstung zerrissen.

Bahnhof Manre

16. März (Dienstag)
Wieder einige Tage ganz alltäglich vorbei unter Kaffee tragen, Bäume holen. Unser zweiter Gürtelwagen scheint jetzt immer zum Holz machen für die Küche bestimmt zu sein. Heute Mittag war eine Birke ab, aus der das Wasser wie aus einer Quelle (floss). Mit diesem Birkenwasser wuschen wir uns die Hände und strichen uns den bei einigen noch nicht einmal vorhandenen Bart.
Heute morgen sollten wir in Manre Munition empfangen. Das ist jetzt das erste Mal, daß ich hierher kam. Ein buntes militärisches Getriebe herrscht hier im Ort. Infanterie, viel Artillerie, sogar einige beschädigte Geschütze der Feldartillerie, die in der Schmiede ausgebessert wurden.

Der Ort Manre an und für sich liegt sehr schön. Gleich am Bahnhof liegt das Schloß, ein schöner alter Bau von einem Wallgraben umgeben inmitten hoher Bäume. Kommt man die Dorfstraße herauf so stößt man auf das kleine, hochgelegene Kirchlein. Im Ort selbst sind noch gegen 30 Personen, das ist alles. Einige alte Männer, die keine Arbeit und Brot hätten, wurden von uns bei der Straßenreinigung beschäftigt, da die Straßen in einem geradezu miserablen Zustand sind. Stellenweise ist der Schmutz kniehoch.
Als wir heute an der Bahn standen und auf unsere Munitionskolonne warteten kam ein Verwundetenzug von Somme-Py her. Auch hier in Manre wurden Verwundete eingeladen. Der eine sagte, wohin es gehen solle. Als es hieß nach Deutschland, wollte er hier bleiben, er wolle seinen Leutnant holen, der in Frankreich gefangen wäre. Viele Nervöse gibt es hier in diesem Kessel, kein Wunder. Wenn die Wirkung der Geschosse eine so fürchterliche ist – Ein verwundeter Franzose sagte, eine unserer Sprenggranaten hätte 70 Mann und 4 Offiziere getötet.

Abends wollten wir uns schön aufs Stroh legen, da hieß es Gürtelwagenbedienung nach Manre hinunter zum Munition holen. Die Franzosen hatten nämlich die Höhe 197 so stark beschossen, daß unsre Infantrie diese räumen mußte. Unsern Geschützen ging die Munition aus. Deshalb mußten zuerst die Munitionskanoniere, dann wir mit diesen, Munition holen. Glücklich kamen wir in Manre an, abgesehen von einer Irrfahrt und dem breiigen Schmutz, in den die Fahrzeuge bis in die Achse einsanken. Ein gehen darin war unmöglich. Am Munitionsdepot empfingen wir 72 Schuß nebst Kartuschen, die wir auf einer Förderbahn bis dicht an die Wagen heran brachten, dann gings auf den Rückweg. Hätte ich mit meiner Taschenlampe dem Fahrer – Unteroffizier nicht geleuchtet, wir wären noch lange umhergefahren. Nachdem wir im Dreck verschiedene Male fast stecken geblieben waren, der Wachtmeister ein unfreiwilliges Bad genommen hatte, kamen wir mit einer gebrochenen Deichsel beim Lager an, nicht ohne am Bahnübergang die Schranke zusammengerissen zu haben. Bruch und ich blieben hier, da wir einige Bretter, die wir gefunden hatten, in unsre Hütte bringen wollten. Um halb eins andern Tags am Morgen waren wir beide hier: die andern kamen um ¾ 2.

17. März (Mittwoch)
Von diesen Brettern machten wir uns heute eine Pritsche, dann schnitt mir T. (T…pf) auch meine zu lang gewordenen Haare. Das schöne Wetter heute verschaffte uns auch zahlreichen Fliegerbesuch, die französischen wurden aber durch unsere Ballonabwehrkanonen zur Umkehr gezwungen.

18. März (Donnerstag)
Die Höhe 198 wurde von uns wieder besetzt. Die Franzosen hatten gar nicht davon Besitz ergriffen, wahrscheinlich fürchteten sie eine Beschießung. In unserem Pferdestall haben wir Zuwachs bekommen. Ein junges Fohlen ist erschienen. Dafür bekamen wir auch heute Beschäftigung: den Fohlenstall vollenden.

19. März (Freitag)
Heute verbreitet sich bei uns das Gerücht, die Franzosen hätten sich 6 km zurückgezogen und tatsächlich klingt der Geschützdonner und das Gewehrfeuer entfernter. Der Grund wird der sein: trotz gewaltiger Anstrengungen mehrerer französischer und eines englischen Fliegers, konnten diese unsre Mörser nicht entdecken, die ihnen gewaltigen Schaden zufügten. Immer wurden sie von unseren Fliegerabwehrkanonen zurückgetrieben. Sogar dicht hinter unserer Batterie auf einem Hügel standen 2 solcher Geschütze. Es waren erbeutete französische 7 cm, die von uns aufgebohrt und zu 7,5 cm gemacht worden waren, damit wir mit ihnen deutsche Munition verfeuern konnten. Ihre Bedienung bestand aus 16er Feldartillerie. Sie hatten sich einfache Zelte gebaut.

20. März (Samstag)
Als wir heute Vormittag beim Bau des Stalles für die kranken Pferde waren, kam ein Infanterist vorbei und erzählte uns, daß einer seiner Kameraden in den französischen Schützengraben geschlichen sei, diesen leer gefunden habe, und daraufhin den Franzosen alles Schanzzeug weggenommen zu haben.
Heute Mittag kam unser Gürtelwagen auf Wache: Sonntagswache, doch das merkt man hier gar nicht.

21. März (Sonntag)
Heute morgen hatten wir ein richtiges Festessen: auf dem Ofen der Wachstube brieten und kochten wir uns feines Fleisch, machten uns Kaffee und Kakao. Alles in allem eine famose Woche.

In dem Dienst, den wir heute hatten, konnte man endlich wieder etwas vom Sonntag erkennen. Mittags nach dem Wasser- und Löhnungsappell las der Feldwebel eine Belobigung unseres Korps vor, daß wir das französische 16. und noch ein anderes vernichtet hätten. In dem Wäldchen, Pavillon Wäldchen, wo wir unser Lager haben, darf jetzt kein Baum mehr geschlagen werden, da zu erwarten steht, daß noch mehr Truppen hier einquartiert werden.

22. März (Montag)
Wir waren diesen Morgen noch ganz im Halbschlummer, da erschien auf einmal der Posten an der Tür und sagte, daß der 2. Gürtelwagen sich um halb sieben oben bei der Bespannung melden mußte zum Fouragieren in Somme Py. Wir natürlich raus, Kaffee geholt, schnell etwas gegessen und hinauf. Die 5 Wagen vorgezogen, 2 Kastenwagen, ein Rohrwagen und 2 Munitionswagen angespannt und losgefahren.

Nach 5/4 Stunden kamen wir in Somme Py an. Ich hatte es mir in einer ganz anderen Richtung gedacht. Durch Tannenwald über zerfahrene Matten kamen wir schließlich auf der schönen Hauptstraße an dem Fliegerschuppen vorbei. Ein Verkehr ist auf dieser Straße, wie an großen Markttagen in einer großen Stadt, in Friedenszeit natürlich. Wir kamen auch an einem Trupp von sicher 100 Franzosen, die von uns beschäftigt und entlohnt werden aber unter strenger Aufsicht stehen. Infanterie Munitions- und Proviantkolonnen fuhren an uns vorbei. Somme-Py selbst ist ein großer Trümmerhaufen aus dem nur einige Häuser, wie die Mairie und das Offizier-Kasino beinahe unbeschädigt hervorragen. Sonst stehen bloß noch die kahlen Steinmauern der niedergebrannten Häuser. Was an Balken verschont geblieben war, war zu Unterständen weggetragen worden.
Am Bahnhof selbst, welches Gedränge. Die Verladerampe wo wir ausgeladen wurden war nicht mehr zu erkennen. Solch ein Gedränge von aller Art Wagen. Wir empfingen Heu und Stroh. Zugleich fouragierte ich auch für meine Person (Ich kaufte für 3 M Schokolade und eine Büchse Himbeer-Marmelade, für 3 M dann 2 Taschenlampen Batterien 1,50 M. So wird man’s Geld los!). Dann ging’s wieder in Richtung Hause, während 2 Wagen nach Manre fuhren zum Haferempfang.

Heute hatten wir auch das Schauspiel wie ein f. Flieger herunter geschossen wurde. Kaum zu Hause und gegessen, mußten wir schon wieder nach Manre hinunter, auch zum Haferempfang. Dann war es aber auch genug. Auf dem Rückweg trafen wir noch 2 Mann von Deimer abgelösten Geschützbedienung. Die haben’s besser wie wir. Feuern hie und da, liegen auf der faulen Haut und gehen spazieren, dafür kommen auch wir in der Gegend umher.
Abends empfingen wir auch noch Brot, Zigarren und Zigaretten, Käse für 4 Tage. (Heute morgen hatten wir auch Bedarf für 4 Tage geholt.)

Es gehen jetzt nur noch Militär- und Munitionszüge. Die Lokalzüge und Proviantzüge haben aufgehört, denn ein ganzer Armeekorps soll zu unsrer Verstärkung herkommen, wahrscheinlich aus Rußland.

24. März (Mittwoch)
Gestern war lebhafter Geschützkampf, unser zweites Geschütz gab allein 30 Schuß Schnellfeuer ab. Auch eine 13cm Batterie gab Schnellfeuer. Wir beehrten sie mit unserem Besuche und kamen gerade an als der Befehl Feuerpause kam. Sie stehen auf der Höhe unseres alten Lagerplatzes. Es sind schöne Geschütze, wie unsere Mörser nur Flachbahngeschütze und etwas leichter. Eine Masse Feldartillerie-Munition lagert dort, da die Feldbahn dort durchgeht. Heute wurden wir, zweiter Rohr – und Gürtelwagen, zur Ablösung unsers Geschützes zur Batterie kommandiert. Da wurde ich von Serg. Schwanz als Kanonier 4 zu den Kartuschen eingeteilt. Während des ganzen Tages geben wir 10Schuß ab in langen Pausen. Um 3 Uhr kam Feuerpause. Die Bedienung war ganz gut, nach Leutnant Rodenwald, nur zuerst konnte der Richt-Kanonier den Richtpunkt nicht finden. Mittags verzehrte ich denn auch meine ganze Portion im Bewußtsein erfüllter Pflicht. Als wir dann zurückkamen hörten wir unsre Batterie noch lebhafter feuern. Heute abend hörten wir von dem Gerücht, daß Przemysl gefallen sein solle!? Auch sind heute internationale Offiziere in Manre gewesen, sowie Königs Korrespondenten. Einer wollte nicht glauben, daß die Höhe 196 in unserem Besitz sei, bis er sich persönlich davon überzeugte.

29. März (Montag)
Jetzt sind wir schon bis zum Palmsonntag gekommen und die 4te Woche da. Seit einiger Zeit ist wieder eine Pause bei uns eingetreten. Viele schwere Artillerie soll wieder fortgekommen sein und zwar nach dem Ober-Elsaß. Nur aus weiter Ferne hört man gegen Abend aus der Richtung Verdun dumpfes Rollen, wie Schüsse aus schweren Geschützen; vielleicht 42 cm?
Heute bin ich auf Wache da einer von uns statt zu wachen und Leutnant Fenchel zu wecken, pennte,  bekamen wir alle eine Strafwache. Auch einen neuen Wagenführer haben wir bekommen: Obergefreiter Erapohl. Riseler wird wahrscheinlich Unteroffizier werden.

Über unsere Erfolge gegen die Franzosen, kann ich nur freudiges melden. Zwei Dörfer haben sie schon geräumt. Die Höhe 196 ist von Deutschen und Franzosen umlagert. Niemand wagt sich daran, da sie von beiden Seiten unterminiert ist. Aber obendrauf weht die deutsche Fahne. Fliegerbesuche sind bei dem jetzigen schönen Wetter nicht selten. Neulich wäre ein englischer beinahe heruntergeschossen worden. Französische und deutsche Flugzeuge kann man jetzt grad nicht mehr unterscheiden. Das Fliegerkreuz haben jetzt auch viele Franzosen. Ich glaube, daß unsre Flieger über unsre Stellung den Motor abstellen oder Rauchstreifen fallen lassen. Seit heute haben wir auch eine neue Adresse. Bis jetzt waren wir … … 16. Division. Jetzt sind wir … 10. Reservekorps, 14. (19.) Reserve Division. Sonst sind wir … … die 9. Batterie vom III Bataillon des Reserve Fuß – Art. Regts. N°14. Auch die… bleibt das… Gestern mußten wir ein Pferd  einscharren, das auf dem Weg der Tränke krepiert war. Hier kann man das wenigstens noch, aber in den Schützengräben, und da sind es Menschen, die den Heldentod für’s Vaterland gestorben sind. Wenn deren Angehörigen es wußten, wie sie als Deckung gegen den Feind am Rand des Schützengrabens aufgetürmt werden. Jede neue Granate vollendet mehr und mehr das Wort der Verstümmelung an den Tapfern.

1. April (Gründonnerstag)
Gestern war ein ereignisvoller Tag. Das dritte eiserne Kreuz wurde in unsrer Batterie verliehen, und zwar an Bartusch, der als Fernsprecher vorn im Schützengraben unter Lebensgefahr anhielt.Das erste eiserne Kreuz erhielt Hauptmann Refardt, das zweite Leutnant Fenchel, das dritte an Kanonier Bartusch war nicht…  … … gefaßt…
Nach dem Antreten um 9 Uhr abends (mußte  mir noch einen Beobachtungsstand auf freiem Felde schippen). Um 12 kamen wir heim.

3. April (Karsamstag)
Das erste Mal daß ich mich krank meldete. Schon zwei Tage … Habe auch in den beiden letzten Tagen nichts gegessen…

11. April (Sonntag)
…Hauptmann… Batterie… jeder einzelne ganz für … Es ist ein Hauptmann wie er sein soll, der in kritischen Augenblicken nie die Ruhe verliert, sondern dessen Stimme klar alles überlaut und unter seinen Befehl zwingt.

14. April
Auch das dritte und vierte Geschütz folgte dem ersten Zug. Um 2 Uhr mußten wir dann mit Gepäck antreten, dann marschierten wir los bis dahin wo unsere Fahrzeuge standen. Nach einem guten Umweg kamen wir ziemlich in Schweiß gebadet an.

15. April (Donnerstag)
Um halb 8 gings los, durch Somme-Py, auf einsamem Nachtmarsch bis nach Coulommes (Coulommes-et-Marqueny). Unsre B.A. (Bespannte Abteilung) kam mit den Fahrzeugen kaum nach, so daß wir oft halten mußten, dann legten wir uns auf den Boden und schliefen, wie wir da lagen. Ein einziges Dorf wurde von uns auf dem 25 km langen Marsch passiert. In Coulommes glaubten wir schon in einer luftigen Scheune einquartiert zu werden, da kamen wir in ein Schulsaal und schliefen so durchfroren wie wir waren bis heute morgen um 7 Uhr. Dann kam ein erfrischendes Waschen in wärmendem Sammet Serviette. Etwas Vorteil haben wir wenigstens. Wir bekamen Milch, Butter und Eierkuchen. Diesen ganzen Tag reinigten wir – und  zwar gründlich – unsre Fahrzeuge.

17. April (Samstag)
Heute morgen waren wir gerade beim Abladen des Packwagens, da kam der Befehl zum Verladen in Attigny. Um 8 Uhr mußten wir Antreten zum Abmarsch nach Attigny.

Anmerkung:
Zur Unterstützung des Verbündeten Österreich-Ungarn, wurde das Reserve-Fußartillerie-Regiment 14 herausgezogen, um sich an den den Kämpfen auf dem östlichen Kriegsschauplatz zu beteiligen. Mit dem Abmarsch aus Attigny am 18. April  1915 endete der erste Einsatz auf französischen Boden.

18. April (Sonntag)
Unter den Klängen der „Wacht am Rhein“ zogen wir in Attigny ein, einem schönen freundlichen Städtchen mit noch gegen 200 Einwohner, darunter schöne Mädchen, wie die von der 10. Batterie berichteten. Diese waren noch nicht ganz verladen. Dann kam das Bataillon und noch Bagage dann unsere Batterie. Jetzt kam wieder die Frage nach dem Reiseziel. Der Feldwebel sagte es gänge nun los heute Mittag, da schloß man auf Verdun, andere sagten nach Metz zur Bildung eines neuen Armeekorps, nach dem Priesterwald, nach Arras, nach Rußland. Am morgen des heutigen Tages fanden wir uns in Sedan wieder, dann ging es die altbekannte Straße Carignan bis Longuyon. Von da fuhren wir über Longwy ins Luxemburgische hinein. Schon da merkte man, daß man  nicht mehr in Frankreich war, die Leute winkten freundlich zu und herüber. Beinahe hatte ich vergessen zu erwähnen, daß vor Montmedy ein Päckchen mit Schokolade von mir zum Fenster heraus fiel. In Luxemburg wurden wir dann wieder verpflegt, da ergänzte ich dann meine Schokoladenvorrat wieder. Als wir in die Stadt kamen sah sie ziemlich unbedeutend aus. Als wir aber wieder wegfuhren sahen wir die neuere Stadt tief unter uns liegen in einem malerischen Gewirr von Felsen.Wohin entschied sich. Metz oder Trier. Und es war Trier.

Der deutsche Boden wurde von uns mit lautem Hurra begrüßt und wir merkten es gleich von allen Seiten wurden wir bejubelt und begrüßt. In Trier endlich konnte man einkaufen, so daß einem an Auswahl der Kauf schwer wurde. Hinter Trier fing eine wunderbare Gegend an. Doch jetzt wurde es Nacht, es war auch Zeit dazu, denn vom Hurrarufen und singen war man ganz heiser.       

19. April (Montag)
Abends wurden wir noch einmal geweckt und speisten zünftig zu Gerolstein in einer Kriegsverpflegungsanstalt. Heute beim Aufwachen, mußte ich mir zuerst die Augen reiben und mir die vergangenen Ereignisse zurückrufen. Da waren wir aber schon in Kall wo es wieder sehr gut zu essen gab. Bis dahin war immer noch die Frage gewesen, ob es nicht nach Lüttich gehen könnte, da wir aber gleich in Köln waren, war das jetzt ausgeschloßen und es hieß nun nach Ypern oder Rußland. Dann kam Köln, Opladen, Elberfeld, Barmen, Hagen, Schwelm, Hohensyburg, Hamm, Gütersloh, Minden, Bückeburg, Hannover.

20. April (Dienstag)
Abends um 10 Uhr wurde noch in Oebisfelde gespeist. Und am Morgen wachten wir in Berlin auf. Spandau und Berlins Vororte. Jetzt heißt es Karpathen oder Warschau.

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Durchbruchsschlacht bei Tarnow – Gorlice, Galaizien, April bis September 1915